Beerdigungen in Coronazeiten

Der letzte Weg mit kleiner Begleitung

05:44 Minuten
Trauermesse auf einem Friedhof mit zwei Gästen.
Wegen Corona sind trotz einiger Lockerungen große Trauergesellschaften bei Beerdigungen nach wie vor nicht möglich. © Picture Alliance / abaca / Carlo Cozzoli
Von Elin Hinrichsen |
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Die Kontaktsperren bis zum 5. Juni treffen auch jene hart, die einem geliebten Verstorbenen die letzte Ehre erweisen wollen und Trost in der Gemeinschaft suchen. Denn trotz regionaler Lockerungen bleiben größere Trauergesellschaften verboten.
Noch ein Gesteck Blumen, das ein Florist anliefert und ein Mitarbeiter des Bestatters jetzt herunter trägt zur provisorischen Gedenkstätte. Vorbei an der Trauerhalle, die seit neun Wochen geschlossen ist. Und vorbei an Klaus Stark:
"Die wäre groß geworden", sagt der Friedhofsgärtner, ein Klassenkamerad des Verstorbenen. "Da wären viele gekommen. Der war ja in sämtlichen Vereinen. Quartettverein, Blasorchester, Tennisverein ..."

Der Verstorbene wollte eine große Beerdigung

Unten auf der freien Rasenfläche zwischen den Gräbern finden die Bestatter noch Platz für das Gesteck. Alles haben sie besonders sorgfältig arrangiert; mit Kerzen und tragbaren Bäumen im Hintergrund, mit den Blumenschalen links und rechts der Urne und mit dem fast lebensgroßen Porträtfoto des Verstorbenen mitten drin: lebensfroher Blick, gerötete Wangen. Er tanzt, ist mitten in der Drehung. 59 Jahre alt.
Caro, die Tochter, sagt: "Mein Papa wollte eine ganz große Beerdigung, er ist sehr jung verstorben." Das Foto hatte die Tochter noch gar nicht gesehen.
"Wie die rheinische Frohnatur, die er war, wollte er auch, dass die Beerdigung und das Roy-Essen wird, mit seinen ganzen Menschen. Er war in vielen Vereinen, musikalisch, der FC war sein Leben und alle seine Freunde, Nachbarn und Verwandte sollten eigentlich ein Riesenfest mit ihm feiern ... Abschied nehmen."
Hier stockt Caro die Stimme. Die Familie kann nur im kleinsten Kreise Abschied nehmen: maximal zehn Personen und nur unter freiem Himmel.

Die tröstende Umarmung ist wichtig

David Roth, der Bestatter, sagt: "Es geht eben um das Gefühl der Verbundenheit. Es geht noch nicht mal darum, dass man diese Floskel sagt, ‚herzliches Beileid‘, sondern dass man sieht, dass Menschen da sind, dass man halt diese vielfältigen Zeichen erlebt, einen Händedruck vielleicht, oder – und das hat mir immer gut getan – dass man Geschichten geschenkt bekommt, die die anderen mit dem erlebt haben, die man als Kind vielleicht gar nicht so wahrgenommen hat."
Kein Lächeln, keine Umarmung, keine Geschichten, nicht für Caro und ihre Geschwister. Darf der Staat, darf die Kirche, die Synagoge oder die Moschee das Bedürfnis nach gemeinsamer Trauer so sehr einschränken?
"Es fängt ja vorher schon an," sagt der Pfarrer. "Das Gespräch für heute haben wir gestern in der Kirche geführt, normalerweise hätte ich sie zuhause besucht. Dann hätte ich die Witwe auf alle Fälle gedrückt und dann wären wir zum Roy-Essen gegangen."

"Wir brauchen die Nähe des anderen"

Dechant Harald Fischer ist fast ein Freund der Familie. Es ist wichtig, gemeinsam zu trauern, sagt auch er, sich auch körperlich Trost spenden zu dürfen, also genau das, was gerade nicht erlaubt ist.
Mindestabstand ein Meter fünfzig und gar kein Kontakt für die, die ihn am nötigsten haben. Darf der Staat verbieten, dass Schwerkranke und Alte nicht mehr besucht werden dürfen im Krankenhaus und Altersheim?

Die Antwort des Pfarrer: "Die Hälfte der Gesundung ist der Besuch. Wir brauchen Nähe zu anderen."
Eine Nähe, die Angehörige in Nordrhein-Westfalen noch immer nicht geben dürfen. Tochter Caro sagt: "Das ist schon ganz schlimm, also der Gedanke. Da bin ich noch froh – so schlimm der Tod meines Papas auch ist, und viel zu jung und alles – dass er bei uns zu Hause war, dass meine Mama seine Hand halten konnte und dass wir alle nochmal bei uns zu Hause von ihm Abschied nehmen konnten."

Des Vaters letzter Wunsch kann nicht erfüllt werden

Musik vom Band, weil zehn Trauernde vor der Urne hier draußen nicht so stimmgewaltig singen können wie 200 bis 300 Gäste in der Kirche. Die katholischen und evangelischen Verbände rufen seit einiger Zeit dazu auf, Verbote zu lockern: in den Krankenhäusern und Altersheimen, und auch auf dem Friedhof.
Hier in Dürscheid im Bergischen streicht Caro ihrer Mutter, die jetzt Witwe ist, tröstend über den Rücken. Wie fühlt es sich an, dem Vater den letzten Wunsch nicht erfüllen zu können?
"Aus persönlicher Sicht: beschissen. Ich hätte mir das gerne gewünscht. Aber mein Papa hätte es nicht gewollt, dass hier seinetwegen vielleicht eine Tante oder ein Onkel Corona gekriegt hätte und dann als nächstes hier liegt. Das müssen wir jetzt leider so machen."

Einige schmuggeln sich dazu

Einige Freunde und Begleiter und auch die Schwester der Witwe haben sich zur Trauerfeier dazu geschmuggelt. Was der Pfarrer erzählt, können sie nur ahnen, denn sie haben sich weit über den Friedhof verteilt.
Was Freunden und Verwandten bleibt, ist der Blick aufs kommende Jahr: Auf die große Sause, die der allerengste Kreis da vorne am Grab mit allen nachholen möchte: zum Jahresgedächtnis, dann, wenn Corona vielleicht, hoffentlich, vorbei ist.
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