Befreit von der Verwertungsidee
Werner Aisslinger ist einer der innovativsten deutschen Designer. Seine Möbel stehen im Modern Art Museum in New York oder im Vitra Design. Ihn beschäftigt vor allem die Frage: Wie leben wir morgen? Jetzt breitet er seine Visionen im Berliner Haus am Waldsee aus.
Die Visionen, die Werner Aisslinger über das Wohnen der Zukunft hat, sind ziemlich skurril. Da steht man vor einem Stuhl, der nicht etwa aus Metall, sondern aus Bambus besteht. In der Küche von morgen wird nicht nur gekocht, sondern werden auch Fische und Pilze gezüchtet. Eine riesige Sitzskulptur aus 100 großen Stoffwaben soll einen höhlenartigen Rückzugsraum bieten. Und das Badezimmer ist nicht mehr gekachelt, sondern besteht aus einem Stoff, der Wasserdampf speichert und ihn bei Bedarf wieder abgibt. Werner Aisslinger arbeitet an der Schnittstelle von Kunst und Design.
"Im realen Leben bin ich ja als Designer in einer Art wirtschaftlicher Verwertungskette, jemand der der Industrie die Ideen liefert, die dann seriell produziert werden. Jetzt, wenn ich von einem Museum eingeladen werde, eine Ausstellung zu machen, habe ich die Freiräume, die ich im Alltag vermisse, das heißt, ich versuche, jetzt gerade hier in der Ausstellung Themen und Objekte zu zeigen, die befreit sind von der Verwertungsidee."
Werner Aisslinger sieht sich als Autorendesigner – das heißt, er macht nicht in erster Linie Auftragsarbeiten, sondern entwickelt seine Ideen und Utopien frei. Wie die der "chair farm", ein nachwachsender Stuhl aus Rohrpflanzen: Diese Pflanzen wurden so angebaut, dass sie in ein Metallgestell in Stuhlform hineinwachsen. Noch steckt dieser Stuhl in der Erde, muss gedüngt und gegossen werden. Doch am Ende kann man das Gestell abnehmen und den Stuhl – man höre und staune – ernten.
"Das ist so eine Art Utopie, wie Produkte in dem nächsten 20, 30 Jahren entstehen könnten, nämlich als Plantagenobjekte und nicht so sehr als industrielle, in der Globalisierung entstandene Produkte, die dann auch 10- oder 20.000 KIlometer um die Welt transportiert werden, sondern dass man lokal um die Ecke oder auf irgendwelchen Farmen Produkte anpflanzt, dass man die industrielle Produktion ersetzt. Und dann würde man Produkte ernten, anstatt sie industriell zu produzieren. Das sind aber eher Gedankenspiele, die mir unheimlich Spaß machen, die eher als Statement zu sehen sind."
Ein Statement ist auch seine Vision von der Küche von morgen. In einem Regalsystem stehen große Behälter aus Glas, in denen Fische schwimmen, Gemüse und Kräuter angepflanzt sind. Alles ist mit Wasserschläuchen in einem Kreislauf miteinander verbunden, das Wasser wird hörbar von einem Gefäß in das nächste gepumpt. Pilze werden auf Kaffeesatz gezüchtet. Ein gewächshausartiges Biotop – in dem die Arbeitsfläche mit Spüle und Herd fast schon wie ein Relikt aus alten Zeiten wirkt. Diese "Produktionsküche", wie Aisslinger sie nennt, beruht auf dem Prinzip des Aquaponic.
"Aquaponic ist ein neues System, wo Fischzucht mit Gemüseanpflanzung als Kreislaufsystem installiert wird, wo die Fische das nährreiche Wasser der Pflanzen bekommen und die Pflanzen wiederum von den Fischen gedüngt werden. Das ist jetzt keine Sache, die Freaks erfunden haben, sondern das ist eine wissenschaftliche Welt und die Idee ist eigentlich, dass man sich mehr mit der Produktion befasst und dass die Küche in Zukunft vielleicht ein Produktionsort ist und weniger ein Ort, wo in einem passenden Styling gekocht. Die tolle Küche ist ja heute so eine Art Statussymbol, und ich glaube, die Zukunft der Küche ist so eine Art Labor, wo man eben auch Nahrungsmittel produziert. "
Und so kreiert Werner Aisslinger nicht nur die Wohnung, sondern gleich auch den Bewohner der Zukunft, der zum aktiven Gestalter wird. Doch wie realistisch und umsetzbar sind solche Ideen?
"Das ist ja auch nicht das Ende der Fahnenstange. Die chair farm hatte ich, wie wir die letztes Jahr ausgestellt hatten, drei Tage später hatte die schon 20.000 Google-hits und das wird natürlich sehr viel diskutiert. Und es geht auch darum, Diskussionen anzufachen, und ich finde, man muss auch manchmal ein Statement in so eine Community reingeben. Das sind eher so Startschüsse, solche Themen, und wenn jemand dann weitermacht an dem Thema, dann ist es umso besser, der Erfolg ist eigentlich schon da, wenn es kommuniziert wird."
Werner Aisslinger bricht mit Konventionen und nutzt vorhandene Ressourcen. So zeigt er in der Ausstellung auch, wie man Materialien, die aus ganz anderen Kontexten kommen, für Möbel verwenden kann. So steht in der Ausstellung ein Stuhl, der mit einem Gel gepolstert ist, das eigentlich in der Medizintechnik angewendet wird. Dieses Gel ist so flexibel, dass es sich dem Gewicht seines Benutzers anpasst. Oder seinen "hemp chair" – ein freischwingender Hanf-Stuhl. Hanf wird schon lange als Industriematerial verwendet, zum Beispiel als Türverkleidung von Autos. Beide Stuhltypen sind seit kurzem auf dem Markt.
"Umso progressiver man ist mit eben auch Materialien und Herstellungsmethoden, umso komplizierter ist es, das auf die Straße zu bringen im Sinne von In-die-Realität-umzusetzen, dass das wirklich als Serienprodukt das Licht des Marktes erblickt. Wenn man Dinge macht, also den Holzstuhl oder den Metallstuhl, also das, was schon seit Jahrhunderten gemacht wird, das ist dann immer schneller industriell umzusetzen in reale Produkte. Wenn man sich mit neuen Technologien beschäftigt, dauert das meistens länger."
Die Ausstellung wirft viele Fragen auf: Wer würde wohl Stühle und Regale im Garten pflanzen und ernten? Möchte ich wirklich Fische und Pilze in meiner Küche züchten? Und auch die Frage, ob man den Hanf-Stuhl am Ende nicht nur kompostieren, sondern auch rauchen kann, bleibt letztlich unbeantwortet.
Links auf dradio.de:
"Man wohnt wieder gerne zu Hause" - Designexperte Peter Zec über aktuelle Möbeltrends
"Im realen Leben bin ich ja als Designer in einer Art wirtschaftlicher Verwertungskette, jemand der der Industrie die Ideen liefert, die dann seriell produziert werden. Jetzt, wenn ich von einem Museum eingeladen werde, eine Ausstellung zu machen, habe ich die Freiräume, die ich im Alltag vermisse, das heißt, ich versuche, jetzt gerade hier in der Ausstellung Themen und Objekte zu zeigen, die befreit sind von der Verwertungsidee."
Werner Aisslinger sieht sich als Autorendesigner – das heißt, er macht nicht in erster Linie Auftragsarbeiten, sondern entwickelt seine Ideen und Utopien frei. Wie die der "chair farm", ein nachwachsender Stuhl aus Rohrpflanzen: Diese Pflanzen wurden so angebaut, dass sie in ein Metallgestell in Stuhlform hineinwachsen. Noch steckt dieser Stuhl in der Erde, muss gedüngt und gegossen werden. Doch am Ende kann man das Gestell abnehmen und den Stuhl – man höre und staune – ernten.
"Das ist so eine Art Utopie, wie Produkte in dem nächsten 20, 30 Jahren entstehen könnten, nämlich als Plantagenobjekte und nicht so sehr als industrielle, in der Globalisierung entstandene Produkte, die dann auch 10- oder 20.000 KIlometer um die Welt transportiert werden, sondern dass man lokal um die Ecke oder auf irgendwelchen Farmen Produkte anpflanzt, dass man die industrielle Produktion ersetzt. Und dann würde man Produkte ernten, anstatt sie industriell zu produzieren. Das sind aber eher Gedankenspiele, die mir unheimlich Spaß machen, die eher als Statement zu sehen sind."
Ein Statement ist auch seine Vision von der Küche von morgen. In einem Regalsystem stehen große Behälter aus Glas, in denen Fische schwimmen, Gemüse und Kräuter angepflanzt sind. Alles ist mit Wasserschläuchen in einem Kreislauf miteinander verbunden, das Wasser wird hörbar von einem Gefäß in das nächste gepumpt. Pilze werden auf Kaffeesatz gezüchtet. Ein gewächshausartiges Biotop – in dem die Arbeitsfläche mit Spüle und Herd fast schon wie ein Relikt aus alten Zeiten wirkt. Diese "Produktionsküche", wie Aisslinger sie nennt, beruht auf dem Prinzip des Aquaponic.
"Aquaponic ist ein neues System, wo Fischzucht mit Gemüseanpflanzung als Kreislaufsystem installiert wird, wo die Fische das nährreiche Wasser der Pflanzen bekommen und die Pflanzen wiederum von den Fischen gedüngt werden. Das ist jetzt keine Sache, die Freaks erfunden haben, sondern das ist eine wissenschaftliche Welt und die Idee ist eigentlich, dass man sich mehr mit der Produktion befasst und dass die Küche in Zukunft vielleicht ein Produktionsort ist und weniger ein Ort, wo in einem passenden Styling gekocht. Die tolle Küche ist ja heute so eine Art Statussymbol, und ich glaube, die Zukunft der Küche ist so eine Art Labor, wo man eben auch Nahrungsmittel produziert. "
Und so kreiert Werner Aisslinger nicht nur die Wohnung, sondern gleich auch den Bewohner der Zukunft, der zum aktiven Gestalter wird. Doch wie realistisch und umsetzbar sind solche Ideen?
"Das ist ja auch nicht das Ende der Fahnenstange. Die chair farm hatte ich, wie wir die letztes Jahr ausgestellt hatten, drei Tage später hatte die schon 20.000 Google-hits und das wird natürlich sehr viel diskutiert. Und es geht auch darum, Diskussionen anzufachen, und ich finde, man muss auch manchmal ein Statement in so eine Community reingeben. Das sind eher so Startschüsse, solche Themen, und wenn jemand dann weitermacht an dem Thema, dann ist es umso besser, der Erfolg ist eigentlich schon da, wenn es kommuniziert wird."
Werner Aisslinger bricht mit Konventionen und nutzt vorhandene Ressourcen. So zeigt er in der Ausstellung auch, wie man Materialien, die aus ganz anderen Kontexten kommen, für Möbel verwenden kann. So steht in der Ausstellung ein Stuhl, der mit einem Gel gepolstert ist, das eigentlich in der Medizintechnik angewendet wird. Dieses Gel ist so flexibel, dass es sich dem Gewicht seines Benutzers anpasst. Oder seinen "hemp chair" – ein freischwingender Hanf-Stuhl. Hanf wird schon lange als Industriematerial verwendet, zum Beispiel als Türverkleidung von Autos. Beide Stuhltypen sind seit kurzem auf dem Markt.
"Umso progressiver man ist mit eben auch Materialien und Herstellungsmethoden, umso komplizierter ist es, das auf die Straße zu bringen im Sinne von In-die-Realität-umzusetzen, dass das wirklich als Serienprodukt das Licht des Marktes erblickt. Wenn man Dinge macht, also den Holzstuhl oder den Metallstuhl, also das, was schon seit Jahrhunderten gemacht wird, das ist dann immer schneller industriell umzusetzen in reale Produkte. Wenn man sich mit neuen Technologien beschäftigt, dauert das meistens länger."
Die Ausstellung wirft viele Fragen auf: Wer würde wohl Stühle und Regale im Garten pflanzen und ernten? Möchte ich wirklich Fische und Pilze in meiner Küche züchten? Und auch die Frage, ob man den Hanf-Stuhl am Ende nicht nur kompostieren, sondern auch rauchen kann, bleibt letztlich unbeantwortet.
Links auf dradio.de:
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