Befreiung des KZ Buchenwald 1945

Wegen Corona fällt der Festakt aus

04:10 Minuten
Ehemalige Gefangene verlassen das Konzentrationslager Buchenwald.
Vor 75 Jahren befreiten US-Soldaten das Konzentrationslager Buchenwald. Die Gedenkveranstaltung musste auf 2021 verschoben werden. © Picture Alliance / AP Images / Byron H. Rollins
Von Henry Bernhard |
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Vor 75 Jahren wurde das KZ Buchenwald von der US-Armee befreit. Das sollte groß gefeiert werden. Aber für die 40 Überlebenden, die nach Weimar kommen wollten, ist wegen Corona die Anreise zu gefährlich. Jetzt sollen sie auf andere Weise geehrt werden.
Dem Protest der NS-Kulturgemeinde in Weimar im Sommer 1937 beim Reichsführer-SS Heinrich Himmler ist es zu verdanken, dass das Konzentrationslager nördlich der Stadt nach nur wenigen Wochen seiner Existenz von "Konzentrationslager Ettersberg" in "Konzentrationslager Buchenwald" umbenannt wurde. Der Name "Ettersberg" sei eng mit der Weimarer Klassik verbunden und eigne sich deshalb nicht für ein Konzentrationslager, in dem "Gemeinschaftsfremde" und "Minderwertige" untergebracht seien, so die Begründung.
Gegen die Errichtung eines Konzentrationslagers aber hatte die NS-Kulturgemeinde nichts einzuwenden.
Auch für die ungarische Jüdin Éva Pusztai war Weimar ein kultureller Sehnsuchtsort. Sie kam im August 1944 aus Auschwitz in Weimar, in Buchenwald an. In einem Güterwagen:
"Es war mir versprochen, nach Weimar zu kommen. ‚Sei nicht so ungeduldig‘, sagte mir meine Mutter, ‚der Krieg geht bald zu Ende, und du wirst alles selbst erfahren, deinen Schiller, deinen Goethe, deine Lotte, deinen Liszt in Weimar selbst entdecken.‘ Meine Eltern haben mich immer sehr verwöhnt. Sie haben meine Wünsche immer erfüllt. Ich war in Weimar, in der Stadt meiner Träume, in einem stinkenden Häftlingskittel, kahlgeschoren, wurzellos. Darf man Wünsche haben? Und wenn sie in Erfüllung gehen? Ich war achtzehneinhalb Jahre alt."
Ihre Eltern und ihre zehnjährige Schwester waren zu diesem Zeitpunkt schon ermordet. So berichtete es Éva Pusztai auf einer Festveranstaltung im Deutschen Nationaltheater vor fünf Jahren. Damals waren gut 80 Überlebende aus aller Welt in Weimar angereist, in diesem Jahr wären es noch 40 gewesen. Éva Pusztai hätte wieder gesprochen. Aber Corona verhindert alles öffentliche Gedenken.

Ehrenbürgerschaft statt Festveranstaltung

So wird Éva Pusztai die Ernennungsurkunde zur Ehrenbürgerin der Stadt Weimar mit der Post bekommen. Ebenso der serbische Schriftsteller Ivan Ivanji. Die beiden erhalten die Ehrenbürgerschaft stellvertretend für alle, die im KZ Buchenwald gelitten haben. Für den engagierten Bürger und ehemaligen Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Daniel Gaede ist diese Geste ein wichtiges Zeichen:
"Ich glaube, was uns die Überlebenden, die in der Lage waren, wiederzukommen – das ist ja nur eine Minderheit – vermitteln, ist auch so etwas wie Lebensfreude, Dankbarkeit, Engagement, sich um politische Dinge kümmern – haben nicht alle gemacht – und sich auch auf Dinge beziehen, auf die man vielleicht erst mal nicht kommt. Ivan Ivanji ist ja nicht nur Überlebender von Buchenwald, sondern auch Dolmetscher und Schriftsteller, hat Goethes Werke übersetzt. Und für ihn hat es auch viel bedeutet, dass er sich auch gerade in Weimar wieder aufhalten kann und eingeladen worden ist. Und Éva Pusztai habe ich auch so kennengelernt, dass sie Lebensfreude weitergibt. Das sind sehr wichtige Dinge – gerade auch jetzt."
Gebäude am Markt der Stadt Weimar sind heute mit den Fahnen der Hauptopfergruppen und der Befreier beflaggt. Fotos von Überlebenden und Zitate aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind an verschiedenen Orten der Stadt zu sehen. Auch dies ein Zeichen der Auseinandersetzung der Stadt mit dem, was vor ihren Toren geschah. Als Weimar 1999 Europäische Kulturstadt werden sollte, wurde aus dem Bundesinnenministerium noch vor der "Buchenwaldisierung" Weimars gewarnt.

Versöhnung und Verpflichtung

Volkhard Knigge, den Direktor der Buchenwald-Stiftung, schauert es, wenn er daran denkt:
"Wäre Weimar damals nicht im guten Sinne 'buchenwaldisiert' worden, hätte es einen internationalen Aufschrei gegeben. Also, diese Arbeit macht nicht grau und aschig, sondern sie schafft Freunde und öffnet die Welt."
Daniel Gaede sieht in der Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Éva Pusztai und Ivan Ivanji auch eine Rückwirkung auf die Stadt:
"Die Verleihung von Ehrenbürgerschaften hat ja eigentlich immer sehr viel mit einem selbst zu tun. Und damit geht auch die Stadt Verpflichtungen ein, sich mit dem Leben der beiden auseinanderzusetzen, zu überlegen, was das auch für den Alltag dieser Stadt bedeutet. Insofern ist das eine sehr wichtige Geste, die einen aber auch verpflichtet: Man wird nicht nur jemand anderes ehren und bewundern für sein Engagement und seine Versöhnungsbereitschaft, man geht auch eine Verpflichtung ein – sich nämlich mit der Geschichte Buchenwalds als Teil der Stadtgeschichte zu beschäftigen."
Die für dieses Jahr geplanten Gedenkveranstaltungen sollen im kommenden Jahr nachgeholt werden.
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