Begegnungen im Supermarkt
Eine Stunde am späten Nachmittag in einem Supermarkt: Die österreichische Autorin entwirft Lebensgeschichten und Liebesdramen, führt verlorene alte und ziellose junge Menschen vor. Im Minutentakt werden ehrgeizige Hoffnungen und abgelegte Illusionen eindrucksvoll beschrieben. Keiner ist mit dem anderen verbunden, es eint sie nur der Ort des Einkaufs. Und das ebenso unbeabsichtigte wie gewalttätige Ende.
Der Titel ist einem sehr speziellen Schrecken geschuldet. Der militärische Fachbegriff Kollateral- oder Begleitschaden bezeichnet die Schäden, die in der räumlichen Umgebung eines Ziels unbeabsichtigt entsehen. Das Wort wurde 1999 zum Unwort des Jahres gewählt, war es doch im Zweiten Golfkrieg etwa oder im Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien immer dann benutzt worden, wenn zivile Einrichtungen oder Flüchtlingskonvois getroffen, wenn unbeteiligte Menschen getötet worden waren.
Die 1968 in Wien geborene, in Graz lebende Autorin wählte den Titel mit Bedacht, und hält die Leser bis zum Ende in der Spannung, wer und was am Ort des Geschehens unbeabsichtigt getroffen werden könnte. Es ist eine Handvoll Menschen, die sie ins Zentrum ihrer eindrucksvoll komponierten Geschichte rückt.
Um 16.30 Uhr betritt eine junge Frau, die hier regelmäßig und stets kalorienbewusst einkauft, den Laden, nachdem sie brav die Münze in den Einkaufswagen gesteckt, erfolglos versucht hatte, einer Mutter mit Kind am Drehkreuz zuvor zu kommen und den Knall gehört hatte, der von einem Auffahrunfall an der nächsten Ecke rührte, in dessen Folge eine andere Frau in den Markt kommt. Eine Stunde später wird der Lehrling auf nicht besonders anständige Weise zu neuen Schuhen gekommen sein und vor dem Geschäft ein angeschossener Kunde liegen.
Zwischen diesen beiden Zeitangaben lernen wir im Minutentakt eine aufstrebende junge Politikerin mit gewöhnlichen Ängsten und speziellen sexuellen Praktiken kennen, einen Pensionär, der sich um seine kranke Frau sorgt, eine Physiotherapeutin, die sich als Putzfrau verdingt, ihren risikofreudigen Sohn, das "Produkt eines Hard-Rock-Festivals", der sich einer speziellen Sportart - nämlich "Le Parkour" - verschrieben, einen Journalisten, der jede Hoffnung auf eine Karriere aufgegeben hat, einen gedemütigten Obdachlosen. Von Minute zu Minute kommen wir den Protagonisten näher, ihren Gedanken und Träumen, verlorenen Illusionen und abgelegten Lebensentwürfen.
Olga Flor hat ihren Roman komponiert wie einen schnell geschnittenen Film, lässt uns in kurzen Szenen in die Köpfe und Gefühle ihrer Protagonisten schauen. Darüber hinaus meint man beim Lesen die Uhr ticken zu hören, weiß, dass es ein schreckliches Ende geben wird und ist doch überrascht und entsetzt, wenn alles anders kommt als erwartet.
Rezensiert von Manuela Reichart
Olga Flor: Kollateralschaden
Roman, Zsolnay Verlag, 2008
207 Seiten. 17,90 Euro
Die 1968 in Wien geborene, in Graz lebende Autorin wählte den Titel mit Bedacht, und hält die Leser bis zum Ende in der Spannung, wer und was am Ort des Geschehens unbeabsichtigt getroffen werden könnte. Es ist eine Handvoll Menschen, die sie ins Zentrum ihrer eindrucksvoll komponierten Geschichte rückt.
Um 16.30 Uhr betritt eine junge Frau, die hier regelmäßig und stets kalorienbewusst einkauft, den Laden, nachdem sie brav die Münze in den Einkaufswagen gesteckt, erfolglos versucht hatte, einer Mutter mit Kind am Drehkreuz zuvor zu kommen und den Knall gehört hatte, der von einem Auffahrunfall an der nächsten Ecke rührte, in dessen Folge eine andere Frau in den Markt kommt. Eine Stunde später wird der Lehrling auf nicht besonders anständige Weise zu neuen Schuhen gekommen sein und vor dem Geschäft ein angeschossener Kunde liegen.
Zwischen diesen beiden Zeitangaben lernen wir im Minutentakt eine aufstrebende junge Politikerin mit gewöhnlichen Ängsten und speziellen sexuellen Praktiken kennen, einen Pensionär, der sich um seine kranke Frau sorgt, eine Physiotherapeutin, die sich als Putzfrau verdingt, ihren risikofreudigen Sohn, das "Produkt eines Hard-Rock-Festivals", der sich einer speziellen Sportart - nämlich "Le Parkour" - verschrieben, einen Journalisten, der jede Hoffnung auf eine Karriere aufgegeben hat, einen gedemütigten Obdachlosen. Von Minute zu Minute kommen wir den Protagonisten näher, ihren Gedanken und Träumen, verlorenen Illusionen und abgelegten Lebensentwürfen.
Olga Flor hat ihren Roman komponiert wie einen schnell geschnittenen Film, lässt uns in kurzen Szenen in die Köpfe und Gefühle ihrer Protagonisten schauen. Darüber hinaus meint man beim Lesen die Uhr ticken zu hören, weiß, dass es ein schreckliches Ende geben wird und ist doch überrascht und entsetzt, wenn alles anders kommt als erwartet.
Rezensiert von Manuela Reichart
Olga Flor: Kollateralschaden
Roman, Zsolnay Verlag, 2008
207 Seiten. 17,90 Euro