Ein leichter Weg zum Klavier
Elisabeth Leonskaja - Grande Dame des Klaviers - erzählt im ersten Teil von ihrem Zuhause in Tiflis, den ersten Klavierstunden, vom Kennenlernen Swjatoslaw Richters und Dmitry Shostakowitchs in Moskau sowie den Reisen, die plötzlich gestoppt wurden.
Es war ein kurzes Reisefenster im September 2020, das einen Besuch bei Elisabeth Leonskaja in Wien ermöglichte. In einem großen Interview berichtete sie von ihrem musikalischen Weg, der in Tiflis begann und sie schließlich nach Wien führte, wo sie seit vielen Jahren lebt.
Im ersten Teil erzählt sie von dem Impuls der Mutter, sich mit Musik und dem Klavier zu beschäftigen. Als verwöhntes Kind hat sich Elisabeth Leonskaja in Erinnerung und an strenge erste Klavierstunden.
Vom Begriff Wunderkind möchte die Pianistin nichts wissen. Wie selbstverständlich führte sie ihr musikalisches Talent an das Konservatorium in Tiflis. Großes Nachdenken über eine berufliche Zukunft stand nicht an, auch weil ihr das Musizieren so leicht und natürlich von der Hand ging.
Elisabeth Leonskaja erinnert sich an erste Vorspiele und Konzerte, erste Wettbewerbe. Allerdings waren diese Reisen erst möglich, wenn man vor einer Moskauer Kommission gespielt hatte, die dann über eine Teilnahme verfügte.
Fahrt zu ersten Wettbewerben
Mit dem Gewinn des Busoni-Wettbewerbes 1964 fiel sie eine damals fast skandalöse Entscheidung: sie wollte ab sofort in Moskau studieren und überging somit das Konservatorium in Tiflis. Aber Jacob Milstein, eine Moskauer Pädagogengröße, nahm sie ganz ohne Prüfung in seine Klasse auf.
Im sowjetischen Bildungssystem musste sie weitere Wettbewerbe spielen und möglichst gewinnen. Ein Aufenthalt in Paris zeigte ihr eine andere Welt: Junge Paare die sich am Flussufer küssten - doch die Freiheit durfte damals nur in der Gruppe durchschritten werden. Eigene Erkundungstouren? Fehlanzeige.
Gelungener Karriereanschub
Doch die ersten Preise bei verschiedenen Ausscheiden erlaubten ihr eine Karriere im In- und Ausland, bis sich plötzlich die Grenzen für sie schlossen. Das sei für sie besser - so die Begründung des Kulturministeriums. Elisabeth Leonskaja vermutet, dass ein unbedachter Besuch in Schweden, ein Mittagessen mit Oleg Kagan während einer Finnlandreise, bei dem Postkarten nach Hause geschickt wurden, diese Sperre verursachte - waren doch zahlreiche Künstler über Finnland und anschließendem Grenzübertritt nach Schweden in den Westen gegangen. Oder war es doch eine antijüdische Strömung, die hier griff?
Konzertleben in der UdSSR
Während Elisabeth Leonskaja daraufhin in die Provinzen geschickt wurde, erlebte sie viele Begegnungen mit Musikern in kleinen Städten. Sie wurde per staatlicher Konzertagentur zu Veranstaltungsorten gesendet, für die es ein festes Honorar gab. So versah sie sich einmal in einem Konzerttermin, bei dem sie ein Liszt-Programm spielen sollte, letztendlich in einer Musikschule vor sehr jüngeren Kindern. Daraufhin änderte sie spontan das Programm und erzählte etwas über die gespielten Werke. Oder sie wurde bei einer Reise vom klirrenden Schnee überrascht, der sie in einem Reisebus über Nacht beinahe festgehalten hätte.
Erste Wegbegleiter
In diese Zeit der Inlandkonzerte fällt auch die Bekanntschaft mit Dmitrij Schostakowitsch, der bei Aufnahmen der Violinsonate mit Oleg Kagan anwesend war. Mit dem Geiger verband sie eine kurze Ehespanne.
Nachdem die Trennung von Kagan vollzogen war, fand sie im Pianisten Swjatoslaw Richter eine haltgebend-väterliche und vor allem musikalische Freundschaft. Sein Haus, seine Familie, seine Freunde wurden ihr zum Lebensmittelpunkt.
Die Kraft des Leisen
Schließlich begannen sie, gemeinsam zu arbeiten. Er war es schließlich auch, der den wichtigsten Impuls ihres Musizierens setzte. Leonskaja erinnert er sich, dass er immer wieder die Frage stellte: "Können Sie noch leiser spielen?". Daraus erwuchs die Erkenntnis: "das Imperium des Leisen" war ihr Weg.
Teil zwei der Begegnungen wird am 18.11.2020 um 20.03 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur ausgestrahlt.
(cdr)