Weder Beifall noch Instrument zählen, allein die Musik
86:49 Minuten
Im September 2020 ergab sich ein Reisefenster für einen Besuch bei der Grand Dame des Klaviers: Elisabeth Leonskaja. In dieser Sendung berichtet sie, wie sie übt und welcher Moment im Konzert der Wichtigste ist - und das ist nicht der Beifall.
Als Elisabeth Leonskaja 1978 ihren Lebensmittelpunkt nach Wien verlegt, erfüllt sie sich einen großen Traum: einen eigenen Konzertflügel. Eigentlich zu groß im Klang für ihr Arbeitszimmer, aber ein Instrument, das ihren musikalischen Intensionen genau folgt.
Elisabeth Leonskaja übt dann, wenn Konzerte anstehen. Zuletzt hatte sie innerhalb einer Woche vier verschiedene Programme zu spielen - der Übeaufwand war entsprechend groß. Doch wenn der Konzertkalender nicht so eng gestrickt ist, lässt sie sich bei Spaziergängen, gern im Wiener Belvedere, inspirieren.
Keine Bach-Aufnahmen
Wenn man in die Diskographie der Pianistin schaut, stellt man fest, dass das romantische Repertoire überwiegt: Schumann, Schubert, Chopin, Brahms, Tschaikowsky. Aber zum Beispiel kein Bach. "Das ist eine Lebensaufgabe.", sagt Leonskaja, die ehrfürchtig vom Spiel der Kollegen wie Andras Schiff spricht. Er schwimme in den Polyphonien des Barockmeisters wie ein Fisch im Wasser. Es sei eben nicht genug, einfach Bach zu spielen. Für das Podium reiche es nicht. Ihre Erfahrungen sammelte sie eben im romantischen Repertoire, sie spielt auch gern Mozart und Werke der zweiten Wiener Schule. Aber Bach überlässt sie anderen Kollegen.
Unterricht ja, aber...
Elisabeth Leonskaja unterrichtet gern. Dabei geht es ihr nicht darum, Lebensweisheiten zu verbreiten, sondern junge Künstler auf die richtige Schiene zu setzen. "Ich lasse erst locker, wenn ich sehe, dass er auf dem richtigen Weg ist.", so ihr Motto. Aber auch: "Was soll ich herummeckern, wenn ich höre, dass da etwas ist."
Dabei setze sie vor allem auf Meisterkurse. "Unterrichten an einer Lehranstalt - das ist nichts für mich." Die Konzerttermine sitzen zu eng für regelmäßige Unterrichtseinheiten - und es scheinen einengende Erinnerungen an die eigene strenge Ausbildung in Tiflis und Moskau mitzuschwingen.
Wichtige Momente im Konzert
Für Elisabeth Leonskaja ist der Zustand eines Flügels wichtig. Aber ihr ist vor allem der Moment des Musizierens wichtig. Wenn der Flügel nicht ganz ihren Vorstellungen entspricht, möchte sie sich anpassen. "Denn das Publikum ist ja gekommen, um Musik zu erleben." Der schwierigste und wichtigste Moment sei für sie, "in den Fluss zu kommen".
Angesprochen auf den Beifall nach dem Konzert, lacht sie herzlich. "Nein, der ist gar nicht wichtig. Den bekommt man meistens gar nicht richtig mit." Auch Medienrummel ist nicht ihre Sache. So verzichtete sie auf die große Klassik-Opus-Preisverleihung im Berliner Konzerthaus mit Fernsehübertragung und rotem Teppich. Sie zog es vor, ein Konzert in Basel zu geben.
Oft wird ihre Garderobe vom Publikum umlagert. Anstrengend findet sie das. Denn: "Am schönsten ist es, nach einem Konzert einfach zu Fuß nach Hause zu laufen, und zu sich zu kommen."
(cdr)