Begleitung beim Sterben
Ausgerechnet in der Berliner Schwulenszene haben sich zwei katholische Ordensschwestern einen guten Namen gemacht: Sie kümmern sich mit ihrem Hospizdienst um Menschen, die an Aids sterben - das sind zumeist homosexuelle Männer.
Schwester Hannelore: "Wir haben Kommentare zu hören bekommen wie 'Aids hab ich schon, jetzt auch noch ne katholische Nonne, muss das sein?' oder 'Nonne kommt mir nicht ins Haus'."
Schwester Juvenalis: "Damals waren so große Verlautbarungen wie 'Aids ist Geißel Gottes' und so, da war es für uns sehr wichtig, da hin zu gehen, damit Menschen ein bisschen von der Liebe Gottes erfahren."
Schwester Hannelore: "Das haben wir der Ordensleitung mitgeteilt und zu unserer großen Überraschung hatten wir innerhalb von sechs Wochen grünes Licht für Berlin."
Schwester Juvenalis und Schwester Hannelore sind Franziskanerinnen. Ende 1992 verließen sie ihr Mutterhaus im konservativen Münsterland, um in Berlin Aids-Kranke beim Sterben zu begleiten. Vier Jahre lang lernten die ausgebildeten Krankenschwestern auf Aids-Stationen alles über die Krankheit. 97 gründeten sie dann den ambulanten Hospizdienst Tauwerk. Seitdem betreuen sie und ihre 31 ehrenamtlichen Mitarbeiter Jahr für Jahr rund ein Drittel der Menschen, die in Berlin an Aids sterben.
Schwester Hannelore: "Wenn wir Nachfolge in den Fußspuren des Franziskus ernst nehmen, dann ist das ein Bereich, wo wir hingehören. Zu Franziskus Zeiten war es völlig normal, Menschen, die Lepra hatten, vor die Stadttore zu schicken und sich selbst zu überlassen. Die waren kirchlich und gesellschaftlich out."
HIV-Positive und Aids-Kranke waren die Aussätzigen der späten 80er und frühen 90er-Jahre. Angeheizt von Bildzeitungs-Schlagzeilen wie "Homo-Seuche bedroht jetzt Alle!" geriet die Bevölkerung in Panik. Die Angst, sich anzustecken, beförderte die Ausgrenzung von so genannten Risikogruppen wie schwulen Männern. Schwester Hannelore und Schwester Juvenalis wollten hier ein Zeichen setzen.
Schwester Hannelore: "Wie schön, dass so viele aus der Familie da sind, in dem Sinne würde ich Sie gerne begrüßen, Liebe Brüder und Schwestern."
Die beiden Schwestern sind gern gesehene Gäste in der schwul-lesbischen Szene der Hauptstadt. Das Berliner homophilharmonische Kammerorchester Concentus Alius spielt öfters Benefizkonzerte für Tauwerk, vor einem größtenteils homosexuellen Publikum. Dass die beiden Nonnen als selbstverständlicher Teil der so genannten Familie angenommen sind, mussten sie sich erarbeiten. Haben viele Homosexuelle doch schlechte Erfahrungen mit der katholischen Kirche gemacht.
Paul starb vor einem Jahr an Aids. Er war 28 Jahre mit Marc zusammen, vor 13 Jahren brach die Krankheit aus. Seitdem pflegte Marc seinen Mann mit Unterstützung der Schwestern.
Marc: "Von dem, was seine Kirche immer wieder in unterschiedlichen Zusammenhängen so verlauten ließ, fühlte er sich schon allein gelassen. Als unerwünscht, vielleicht auch so ein Fehlgriff der Natur. Also schwule Männer, das ist ein Unglück. So."
Schwester Juvenalis: "Gleich zu Anfang hat er gesagt 'Ich trete aus der Kirche aus.' Vielleicht anderthalb Jahre später sagt er zu mir 'Du weißt ja, ich wollte aus der Kirche austreten.' Ich sag 'Das sind ja ganz neue Töne.' Ja, sagt er, 'wenn es Menschen in dieser Kirche gibt wie Euch, muss ich nicht mehr austreten.' Das war für mich absolut das, wo ich gesagt habe, ja, wir sind auf dem richtigen Dampfer."
Marc: "Sie haben Paul ermöglicht, sich auf das Sterben so vorzubereiten, dass das nicht so ein Sterben ins Bodenlose war, sondern in eine Geborgenheit Gottes, also die Rückkehr zu seinem himmlischen Vater."
"Dazu passt ja auch der franziskanische Sonnengesang, in dem ja in der letzten Strophe der Tod als Bruder angesprochen wird. Dieser Aspekt, dass der Tod als Bruder angenommen werden kann, vor dem man keine Angst haben muss, ich glaube, das hat Paul schon ne Menge geholfen, das hat aber auch mir geholfen, mich damit auszusöhnen, dass das Leben mit Paul begrenzt sein wird. Dann zu sagen, Paul, ich übergebe Dich jetzt aus meinen Armen in die Arme eines Gottes, der kann Dich länger tragen als ich, das habe ich durch die franziskanische Spiritualität dieser beiden Frauen lernen dürfen."
Mit dem Sonnengesang des heiligen Franziskus feiern die Schwestern das 50-jährige Ordensjubiläum von Schwester Juvenalis. Die Entscheidung für das Kloster machte sich die damals 23-Jährige aus dem Emsland nicht leicht.
Schwester Juvenalis: "Ich hatte dann eine feste Beziehung, er wollte dann auch Weihnachten Verlobung feiern. Und dann musste ich mich entscheiden. Und ich hab genau gewusst, wenn ich das nicht mach mit dieser inneren Anfrage immer an mich, Kloster oder nicht, dann verpass ich was. Dann hab ich die Beziehung beendet unter Tränen bei beiden. Das war schon nicht so einfach, ne? Ja, ich bin dann eingetreten und ich hab mich von Anfang an wohlgefühlt, ich habe nie Heimweh gehabt."
Die heute 73-Jährige wirkt 15 Jahre jünger. Ihre graublonden Haare sind kurz geschnitten, sie trägt Jeans, praktische Schuhe und ein schickes hellgrünes Leinenhemd. Darüber an einer Kette das Tau, das Symbol der Franziskaner. Die wachen Augen blitzen unter der Brille, sie lacht viel. Wenn sie von bewegenden Momenten und Begegnungen erzählt, merkt man ihr die Rührung an, auch beim Morgenlob, das ihre beiden Mitschwestern zu ihrem Jubiläum für sie gestalteten.
Schwester Hannelore: "Segne Schwester Juvenalis, die heute vor 50 Jahren in unsere Gemeinschaft eingetreten ist. Lass sie durchlässig werden für Deine Liebe und so selbst zum Segen für andere werden und bleiben."
Die beiden Schwestern leben mit einer dritten Franziskanerin in einer Nonnen-WG in Berlin-Pankow. Die 4-Zimmer-Altbauwohnung, direkt über den Büroräumen des Hospizdienstes, ist ihr Kloster. In der Küche betreibt Schwester Juvenalis eine Marmeladenmassenproduktion. Die Gläser verkauft sie zugunsten von Tauwerk auf Basaren. Schwester Hannelore gibt neben der konkreten Hospizarbeit viele Seminare über HIV und Aids, vor Fachpublikum oder vor Kirchengemeinden. Die Münsterländerin trat mit 27 in den Orden ein.
Schwester Hannelore: "Ja, das ist jetzt 23 Jahre her und es geht immer noch und ich hab’s nicht bereut."
Mit ihren warmen Augen, der offenen Art und ihrem freundlichen Lachen strahlt die Fünfzigjährige große Herzlichkeit aus. Man merkt ihr und Schwester Juvenalis an: Die beiden haben ihre Bestimmung gefunden.
Schwester Juvenalis: "Ich hab selten in meinem Leben so viel bekommen wie in diesen Jahren hier. Weil wir können gar nicht so viel geben wie wir wiederbekommen. Und das ist wunderbar."
Schwester Juvenalis: "Damals waren so große Verlautbarungen wie 'Aids ist Geißel Gottes' und so, da war es für uns sehr wichtig, da hin zu gehen, damit Menschen ein bisschen von der Liebe Gottes erfahren."
Schwester Hannelore: "Das haben wir der Ordensleitung mitgeteilt und zu unserer großen Überraschung hatten wir innerhalb von sechs Wochen grünes Licht für Berlin."
Schwester Juvenalis und Schwester Hannelore sind Franziskanerinnen. Ende 1992 verließen sie ihr Mutterhaus im konservativen Münsterland, um in Berlin Aids-Kranke beim Sterben zu begleiten. Vier Jahre lang lernten die ausgebildeten Krankenschwestern auf Aids-Stationen alles über die Krankheit. 97 gründeten sie dann den ambulanten Hospizdienst Tauwerk. Seitdem betreuen sie und ihre 31 ehrenamtlichen Mitarbeiter Jahr für Jahr rund ein Drittel der Menschen, die in Berlin an Aids sterben.
Schwester Hannelore: "Wenn wir Nachfolge in den Fußspuren des Franziskus ernst nehmen, dann ist das ein Bereich, wo wir hingehören. Zu Franziskus Zeiten war es völlig normal, Menschen, die Lepra hatten, vor die Stadttore zu schicken und sich selbst zu überlassen. Die waren kirchlich und gesellschaftlich out."
HIV-Positive und Aids-Kranke waren die Aussätzigen der späten 80er und frühen 90er-Jahre. Angeheizt von Bildzeitungs-Schlagzeilen wie "Homo-Seuche bedroht jetzt Alle!" geriet die Bevölkerung in Panik. Die Angst, sich anzustecken, beförderte die Ausgrenzung von so genannten Risikogruppen wie schwulen Männern. Schwester Hannelore und Schwester Juvenalis wollten hier ein Zeichen setzen.
Schwester Hannelore: "Wie schön, dass so viele aus der Familie da sind, in dem Sinne würde ich Sie gerne begrüßen, Liebe Brüder und Schwestern."
Die beiden Schwestern sind gern gesehene Gäste in der schwul-lesbischen Szene der Hauptstadt. Das Berliner homophilharmonische Kammerorchester Concentus Alius spielt öfters Benefizkonzerte für Tauwerk, vor einem größtenteils homosexuellen Publikum. Dass die beiden Nonnen als selbstverständlicher Teil der so genannten Familie angenommen sind, mussten sie sich erarbeiten. Haben viele Homosexuelle doch schlechte Erfahrungen mit der katholischen Kirche gemacht.
Paul starb vor einem Jahr an Aids. Er war 28 Jahre mit Marc zusammen, vor 13 Jahren brach die Krankheit aus. Seitdem pflegte Marc seinen Mann mit Unterstützung der Schwestern.
Marc: "Von dem, was seine Kirche immer wieder in unterschiedlichen Zusammenhängen so verlauten ließ, fühlte er sich schon allein gelassen. Als unerwünscht, vielleicht auch so ein Fehlgriff der Natur. Also schwule Männer, das ist ein Unglück. So."
Schwester Juvenalis: "Gleich zu Anfang hat er gesagt 'Ich trete aus der Kirche aus.' Vielleicht anderthalb Jahre später sagt er zu mir 'Du weißt ja, ich wollte aus der Kirche austreten.' Ich sag 'Das sind ja ganz neue Töne.' Ja, sagt er, 'wenn es Menschen in dieser Kirche gibt wie Euch, muss ich nicht mehr austreten.' Das war für mich absolut das, wo ich gesagt habe, ja, wir sind auf dem richtigen Dampfer."
Marc: "Sie haben Paul ermöglicht, sich auf das Sterben so vorzubereiten, dass das nicht so ein Sterben ins Bodenlose war, sondern in eine Geborgenheit Gottes, also die Rückkehr zu seinem himmlischen Vater."
"Dazu passt ja auch der franziskanische Sonnengesang, in dem ja in der letzten Strophe der Tod als Bruder angesprochen wird. Dieser Aspekt, dass der Tod als Bruder angenommen werden kann, vor dem man keine Angst haben muss, ich glaube, das hat Paul schon ne Menge geholfen, das hat aber auch mir geholfen, mich damit auszusöhnen, dass das Leben mit Paul begrenzt sein wird. Dann zu sagen, Paul, ich übergebe Dich jetzt aus meinen Armen in die Arme eines Gottes, der kann Dich länger tragen als ich, das habe ich durch die franziskanische Spiritualität dieser beiden Frauen lernen dürfen."
Mit dem Sonnengesang des heiligen Franziskus feiern die Schwestern das 50-jährige Ordensjubiläum von Schwester Juvenalis. Die Entscheidung für das Kloster machte sich die damals 23-Jährige aus dem Emsland nicht leicht.
Schwester Juvenalis: "Ich hatte dann eine feste Beziehung, er wollte dann auch Weihnachten Verlobung feiern. Und dann musste ich mich entscheiden. Und ich hab genau gewusst, wenn ich das nicht mach mit dieser inneren Anfrage immer an mich, Kloster oder nicht, dann verpass ich was. Dann hab ich die Beziehung beendet unter Tränen bei beiden. Das war schon nicht so einfach, ne? Ja, ich bin dann eingetreten und ich hab mich von Anfang an wohlgefühlt, ich habe nie Heimweh gehabt."
Die heute 73-Jährige wirkt 15 Jahre jünger. Ihre graublonden Haare sind kurz geschnitten, sie trägt Jeans, praktische Schuhe und ein schickes hellgrünes Leinenhemd. Darüber an einer Kette das Tau, das Symbol der Franziskaner. Die wachen Augen blitzen unter der Brille, sie lacht viel. Wenn sie von bewegenden Momenten und Begegnungen erzählt, merkt man ihr die Rührung an, auch beim Morgenlob, das ihre beiden Mitschwestern zu ihrem Jubiläum für sie gestalteten.
Schwester Hannelore: "Segne Schwester Juvenalis, die heute vor 50 Jahren in unsere Gemeinschaft eingetreten ist. Lass sie durchlässig werden für Deine Liebe und so selbst zum Segen für andere werden und bleiben."
Die beiden Schwestern leben mit einer dritten Franziskanerin in einer Nonnen-WG in Berlin-Pankow. Die 4-Zimmer-Altbauwohnung, direkt über den Büroräumen des Hospizdienstes, ist ihr Kloster. In der Küche betreibt Schwester Juvenalis eine Marmeladenmassenproduktion. Die Gläser verkauft sie zugunsten von Tauwerk auf Basaren. Schwester Hannelore gibt neben der konkreten Hospizarbeit viele Seminare über HIV und Aids, vor Fachpublikum oder vor Kirchengemeinden. Die Münsterländerin trat mit 27 in den Orden ein.
Schwester Hannelore: "Ja, das ist jetzt 23 Jahre her und es geht immer noch und ich hab’s nicht bereut."
Mit ihren warmen Augen, der offenen Art und ihrem freundlichen Lachen strahlt die Fünfzigjährige große Herzlichkeit aus. Man merkt ihr und Schwester Juvenalis an: Die beiden haben ihre Bestimmung gefunden.
Schwester Juvenalis: "Ich hab selten in meinem Leben so viel bekommen wie in diesen Jahren hier. Weil wir können gar nicht so viel geben wie wir wiederbekommen. Und das ist wunderbar."