Krisha Kops ist Philosoph und Publizist. Er studierte Philosophie und internationalen Journalismus in London, bevor er in interkultureller Philosophie promovierte. Neben seiner theoretischen Arbeit verantwortet er im Rahmen seiner praktischen philosophischen Tätigkeit die Geschäftsführung von wirhelfen.eu.
Begrüßungsrituale
Der Begrüßungshandschlag ist keine Banalität, sondern ein Symbol von kultureller und zwischenmenschlicher Bedeutung, meint Krisha Kops. © Unsplash / Austin Kehmeier
Plädoyer für den Handschlag
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Der Philosoph Krisha Kops hofft, dass wir uns nach der Pandemie zur Begrüßung wieder die Hand geben. Denn das Berühren der Hände symbolisiere freundliche Offenheit. Der Ellbogen- oder Faustcheck dagegen impliziere eine gewisse Aggressivität.
Man ist verabredet, hat sich lange nicht gesehen. Die eine Person scheint zum Handschlag anzusetzen, die andere zum Ellenbogencheck. Oder doch der Faustgruß? Unsicher zuckt man hin und her, kann sich nicht so richtig auf eine gemeinsame Begrüßungsart einigen und sucht den Kompromiss dann in einem unangenehmen "Hi, wie geht es dir?" Eine Szene, wie sie sich hundert-, nein, tausendfach jeden Tag in Deutschland abspielt.
Selbst für hochrangige Politikertreffen ist das diplomatische Protokoll noch nicht aktualisiert, und so kann der Zuschauer ungelenke Begrüßungsversuche zwischen Angela Merkel und Ursula von der Leyen beobachten.
Aus Vorsicht vor Krankheitsübertragung suchen viele alternative Begrüßungsformen oder verzichten ganz auf körperlichen Kontakt. Manche freuen sich gar über das Verschwinden solch eines – wie sie meinen – "unhygienischen" Gestus. Nach der Pandemie könnte der Handschlag also ganz verloren sein.
Der Handschlag steht für freundliche Offenheit
Dabei handelt es sich nicht um eine Banalität, sondern um den Verlust eines Symbols von kultureller und zwischenmenschlicher Signifikanz. Denn ein Handschlag ist niemals nur ein Handschlag. Er steht zunächst für die ursprüngliche Bedeutung: Das Gegenüber kommt mit friedlichen Absichten und trägt keine Waffen. Er symbolisiert Offenheit gegenüber dem oder der Anderen. Wer einem AfD-Politiker das Händeschütteln verweigert – wie mehrmals geschehen – macht also eine klare politische Aussage.
Durch das Berühren der Hände entsteht eine Art erste Verbindung zwischen zwei Menschen. Das Umgreifen der fremden Hand ermöglicht kurzzeitig einen gegenseitigen Halt. Der Händedruck, die Temperatur und Hauttextur sprechen zu uns, wenn auch eher unbewusst.
Rituale unterstreichen gemeinschaftliche Verbundenheit
Zudem ist das Händeschütteln ein Ritual, das einen kulturellen Raum kennzeichnet. Wie das Namaste in Indien – also das Zusammenführen der Handflächen auf Brusthöhe mit leichter Kopfsenkung – oder die Verbeugung, genannt Ojigi, in Japan. In der westlichen Welt hat der Händedruck eine lange Tradition, die zumindest literarisch bis zurück in homerische Zeiten reicht und zuletzt im Dritten Reich durch den Hitlergruß durchbrochen wurde.
Die derzeitige Abkehr vom Händeschütteln ist zwar der Pandemie geschuldet, aber sie fügt sich in die generelle Tendenz der verschwindenden Rituale. Den damit einhergehenden Verlust der gemeinschaftlichen Verbundenheit bemängelt der Philosoph Byung-Chul Han zu Recht. Er schreibt über die Riten: "Sie tradieren und repräsentieren jene Werte und Ordnungen, die eine Gemeinschaft tragen. Sie bringen eine Gemeinschaft ohne Kommunikation hervor, während heute eine Kommunikation ohne Gemeinschaft vorherrscht."
Alternativen zum Handschlag sollten freundlicher sein
Selbstverständlich können durch kulturelle Umwälzungen Begrüßungsformen verändert werden. Doch die Frage ist, zu was? Meines Erachtens sind die derzeitigen Ersatzbegrüßungen, keine gute Alternative, denn Ellbogen- und Faustcheck implizieren statt Offenheit eher eine gewisse Aggressivität. Aber gerade in Zeiten gesellschaftlicher Angst, Unsicherheit und Entzweiung wäre eine Begrüßung, die freundliche Neugier und Zugewandtheit symbolisiert, besonders passend. Während hoher Covid-Infektionsraten könnte es beispielsweise eine ähnliche Geste wie das indische Namaste sein: Man berührt sich nicht, blickt dem Gegenüber in die Augen und verbeugt sich ein wenig. Den traditionellen Handschlag heben wir uns dann für die Zeit nach der Pandemie auf.