Beherzte Grenzgänger mit Stimme

Von Daniela Mayer · 25.05.2012
1982 gründeten sich die "Triviatas" als erster schwuler Männerchor Kölns. Sie setzten damit nicht nur gesanglich, sondern auch politisch ein Zeichen. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Die "Triviatas" werben für mehr Vielfalt mit einem Programm voller Tiefgang und Humor.
(Gesang: "Kein schwuler Land"): "Kein schwuler Land in dieser Zeit, Kneipen sterben weit und breit, in Mumu-Lädchen nur dicke Mädchen im knappen Kleid."

14 gestandene Männer besingen den drohenden Untergang der schwulen Kneipenkultur. Es ist ihre Umdichtung des deutschen Volksliedes "kein schöner Land" zu einer mehrstimmigen Beschwerde über die zunehmende Heterosexualisierung der Kölner Partyszene. Nicht ganz ernst gemeint, versteht sich.

(Gesang: "Kein schwuler Land") "Denn schwule Feten gibt’s auch mit Heten, nur dass ihr’s wisst."'

Selbstironie verpackt in der Parodie bekannter Lieder und Texte, das ist das Markenzeichen der Triviatas.

"Es gibt ein Krea-Team, das sind die Menschen, die sich zusammen setzen und unser Programm gestalten, und die sich dabei dann auch immer sehr nette und pointierte Texte aus den Fingern saugen","

sagt Florian Casper Seibel, seit kurzem Chorleiter und der einzige nicht schwule Mann im Probenraum. Seit einem halben Jahr arbeitet er mit den Triviatas und studiert mit ihnen Lieder ein wie "Küss ihn doch", nach "Kiss a girl" aus dem Film "Arielle die Meerjungfrau"

Während der Probe schürzen einige Chormitglieder entzückt die Lippen, andere werfen in schierer Verzweiflung über den dauernd nicht küssenden Mann die Hände über den Kopf zusammen. Stillstehen ist die Sache der Triviatas nicht.

Zu den Tönen des alten, quietschenden Klaviers und den kontrollierten Bewegungen von Florian Casper Seibel wird gelacht, gehüpft, geschäkert und wild gestikuliert, so dass im spröden, nach Kreide riechenden Proberaum einer alten Kölner Schule bald irgendwie doch pinke Partystimmung herrscht.

""Von der Oper bis zum Schlager mischen wir es notfalls bunt durcheinander in einem Lied, und wir machen ja Musik, Theater und Kabarett und Tanz gleichzeitig auf der Bühne, immer mit ein bisschen Botschaft, sehr viel Humor und Selbstironie auch."

Thomas Weinen, klein, quirlig, und voll bei der Sache, ist bei den Proben und Auftritten immer ganz vorne mit dabei. Er sucht Blickkontakt zu seinem Publikum, lacht, strahlt und zeigt sein Showtalent. Seit über 20 Jahre ist er bei den Triviatas und folgt mit ihnen dem…

"…was Keith Haring mal gesagt hat: 'Nichts ist erfrischender als ein beherzter Schritt über die Grenzen.' Das ist bei uns Inhalt und das taucht praktisch überall auf."

Sogar im Namen des Chors. Michael Echternach, das Gegenstück zu Thomas Weinen - groß, schwarz gerahmte Brille, zurückhaltend - ist auch seit 20 Jahren Chormitglied und sorgt im Vorstand des Chors fürs Organisatorische. Er verrät, dass Triviatas eine Mischung ist…

"…aus trivial und La Traviata. Also auch das schon ein spielerischer Umgang mit Worten und Humor und Parodie, was man hier ja von Anfang an so ein bisschen praktizieren wollte."

Der Anfang, das war vor 1982. Eine Zeit, in der selbst in Köln die Schwulenszene noch auf starke gesellschaftliche Ablehnung stieß.

Mit der Gründung des ersten schwulen Männerchors Köln setzten die Gründungsmitglieder auch politisch ein Zeichen und kämpften mit und in ihren Liedern für mehr Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Liebe. Gerade mal zu sechst waren die Triviatas vor 30 Jahren, doch ihre Mitgliederzahl stieg schnell an und ist laut Thomas Weinen, bis heute ein Spiegelbild der homosexuellen Emanzipationsbewegung:

"In den Gründungsjahren natürlich gab's ein sehr kleines Trüppchen nur, sehr kämpferisch natürlich da noch. Es gab in den 90ern die doppelte Anzahl Sänger, also da waren wir noch etwas sehr besonderes, jetzt ist die Anzahl wieder zurück gegangen, sprich, wir sind eben ein kleiner Teil der Kleinkunstszene, aber immer noch ein interessanter, ein gewinnbringender und auch noch notwendiger sag ich mal, denn ich glaube, dass es gut ist, wenn ein schwuler Chor sehr selbstbewusst und mit viel Vergnügen auf der Bühne dafür wirbt, Vielfalt als Gewinn zu sehen in der Gesellschaft."

In Köln haben die Triviatas einen wichtigen Beitrag zu dieser Vielfalt geleistet. Inzwischen gibt es sogar eine eigene schwul-lesbische Chorvereinigung namens Stimmfusion. Grund genug mit einem Jubiläumskonzert zurück zu blicken auf 30 Jahre bewegte und bewegende Chorgeschichte.



Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.


Links auf dradio.de:
Nach dem Stimmbruch vierstimmig - Chor der Woche: Junger Männerchor Magdeburg
Klassischer Chorgesang für die Synagoge
Mehr zum Thema