Zeigen, was man kann
Das Internationale Paralympische Komitee setzt sich seit 25 Jahren für den Behindertensport ein. Der Pfarrer und Kabarettist Rainer Schmidt hat davon profitiert: Durch den Sport fand er Mut, ganz groß durchzustarten.
Wer Rainer Schmidt begegnet, der merkt schnell, eigentlich haben die anderen die Probleme. Dass er ohne Unterarme und mit einem verkürzten Oberschenkel geboren wurde, damit hat er sich längst arrangiert:
"Meine Eltern haben sich übrigens wahnsinnig auf mich gefreut. Das lag daran, ich habe eine viereinhalb Jahre ältere Schwester. Vermutlich lag das auch daran: Meine Schwester ist nicht behindert. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Kennen Sie meine Schwester? Könnte ja sein. Ich sag Ihnen direkt, was die Behinderung meiner Schwester ist: Sie kann nicht singen. Jetzt sagen Sie, das ist doch keine Behinderung. Sie wissen nicht, wie schlecht sie singt. 'Alle meine Entchen' ohne Text von meiner Schwester gesungen, da hast Du keine Chance, das Lied zu erkennen."
Rainer Schmidt selbst singt in einem Gospel-Chor:
"Da singe ich im Tenor und da musste ich sogar vorsingen, weil man dort nicht jeden nimmt."
"Warum sind Einschränkungen so peinlich?"
Was bedeutet ihm das Kabarett? Was will er durch Geschichten wie der eben mit seiner Schwester auf der Bühne erreichen?
"Da lachen die Leute drüber und dann frage ich die Leute am Ende: Warum haben Sie eigentlich darüber gelacht? Weil ich das Thema Behinderung im Laufe des Programms soweit verändert habe, dass ich sage, Behinderungen, Einschränkungen hat natürlich jeder Mensch. Die Frage ist, warum ist das peinlich? Ich lasse auch das komplette Publikum irgendwann mal sagen, ich kann nicht Klavier spielen, ich bin behindert. Und frage sie, ob es weh tut. Sobald man das im Kollektiv spricht, tut es nicht mehr weh."
Eigentlich ist Rainer Schmidt Pfarrer, Dozent am Pädagogisch-Theologischen Institut in Bonn. Demnächst aber will er nur noch als Buchautor und Kabarettist arbeiten. Warum hängt er den Talar an den Nagel?
"Ich finde tatsächlich, dass Kabarett und Kanzel sehr nahe beieinander sind, es gibt ja auch viele Kollegen, die das machen. Als Pfarrer werde ich klassischerweise in die Kirche eingeladen, als Mensch, der im Arbeitsbereich Integration beziehungsweise Inklusion arbeitet, oft in so Behinderteneinrichtungen, und ich habe gemerkt: Humor öffnet mit ganz andere Welten. Und dass ich hin und wieder mal predige, ist nicht ausgeschlossen. Das wird weiter meine Profession bleiben."
"Humor öffnet einem ganz andere Welten"
Rainer Schmidt ist durch den Sport um die Welt gekommen. Drei Mal gewann der heute 49-Jährige Gold im Tischtennis bei den Paralympics, mehrfach wurde er Weltmeister. Was haben ihm die Erfolge gebracht?
"Ich unterscheide immer zwei Arten von Erfolg. Das eine ist das anscheinend Objektivierbare, ich gewinne eine Medaille und bin messbar besser als der andere. Vermutlich war das Wichtigere die ersten fünf Jahre meines Sporttreibens, als ich als 12-Jähriger angefangen habe, Tischtennis zu spielen und das gar nicht konnte. Dann hat mir ein Mann einen Schläger an den Arm gebunden und das war ein unglaubliches Glücksgefühl, plötzlich links und rechts dran zu kommen. Ich werde immer besser, dass war ein Glücksgefühl, das mich immer angetrieben hat."
Bis er ganz oben stand. Kein Wunder, dass Rainer Schmidt auch dem Internationalen Paralympischen Komitee gegenüber dankbar ist. Gäbe es die Organisation nicht, sagt er, sie müsste erfunden werden. Trotzdem wünscht er den Funktionären:
"Dass sie nicht in die Falle reintappen, dass Wettbewerb immer alles ist. Ich glaube, dass Sporttreiben wichtiger ist als im Sport zu gewinnen."