"Bei Loriot hat mir nichts missfallen"
Er war ein Meister seines Faches, sagt der Kabarettist Dieter Hildebrandt über den verstorbenen Komiker Loriot. Seine Arbeit habe eine enorme Beharrlichkeit und Perfektion ausgezeichnet. Manche Szene in seinen Filmen habe er 37-mal wiederholen lassen. Doch öffentliches Lob sei ihm peinlich gewesen.
Ulrike Timm: Ein Leben ohne Möpse ist möglich, aber sinnlos. Dieser Satz von Loriot über seine lebenslange Lieblingshundesorte wird bleiben, ebenso wie die Steinlaus, die Herren Müller-Lüdenscheid und Dr. Kloebner, das Jodeldiplom oder die Nudel, die dem bedauernswerten Mann bei der Liebeserklärung aus dem Mund hing. Am Montag ist Vicco von Bülow alias Loriot gestorben, er wurde 87 Jahre alt. Wir würdigen den großen Humoristen gleich im Gespräch mit dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt.
Er war Zeichner, Texter, Schauspieler, Musikkenner und ganz weit weg von reinem Blödelcomedyhumor. Heute ist der Humorist Loriot gestorben. Begonnen hat er als Zeichner – Sie erinnern sich, die Männchen mit den Knollennasen –, das Fernsehen dann machte seine Sketche bekannt. Wir haben Loriot mit Dieter Hildebrandt gewürdigt, den wir kurz vor der Sendung erreichten. Hören Sie ihn aber erst Loriot noch einmal selbst: "Die Nudelkrise."
Ulrike Timm: Heute ist der große Homorist im Alter von 87 Jahren gestorben. Und kurz nachdem das bekannt wurde, haben wir den Kabarettisten Dieter Hildebrandt erreicht, und ich habe ihn erst einmal gefragt, wie er denn diese Nachricht aufgenommen hat.
Dieter Hildebrandt: Na ja, der plötzlich und unerwartet Verstorbene im Alter von 90 Jahren, so einfach ist das nicht. Ich meine, ich wusste schon, dass er krank ist, und er hat nichts mehr von sich hören lassen. Natürlich ist das traurig, klar. Aber ich meine, ich bin nicht sehr überrascht.
Timm: Herr Hildebrandt, wann haben Sie Loriot kennengelernt?
Hildebrandt: Oh, das ist schon lange her, ich glaube vor 35 Jahren, da hat er mir zugenickt.
Timm: Mehr nicht?
Hildebrandt: Nein. Wir haben uns hier und da getroffen, auf Bahnhöfen, Flughäfen, in Wartezimmern oder so, haben uns begrüßt, haben ein paar Worte gewechselt, aber mehr haben wir nicht miteinander zu tun gehabt.
Timm: Und wie haben Sie ihn kennengelernt, wie haben Sie ihn dann erlebt, auf diesen spärlichen Begegnungen?
Hildebrandt: Loriot ist ja auf mich zugekommen als der, der große Dinge vollzogen hat, der eine Sendung hatte, die man angestellt hatte, Pflichtsendung, über den man gelacht hat und der immerhin, sagen wir mal für alle, die davon redeten immer, die Deutschen hätten keinen Humor, die Ausrede war beziehungsweise das einzige leuchtende Beispiel für den Humor, den wir angeblich nicht haben.
Timm: Was leuchtet an Loriots Humor für Sie weiter?
Hildebrandt: Es ist eine Mischung, eine geniale Mischung zwischen Humor, der aus dem Bauch kommt und aus dem Kopf kommt, und der Kopf kontrolliert alles, was aus dem Bauch kommt.
Timm: Er hielt ja auch enorm auf Stil. Schon das Wort Loriot, der Künstlername für Vicco von Bülow, heißt Pirol, das französische Wappentier der adligen Familie von Bülow. Er hielt in jedem Fall auf Stil, oder?
Hildebrandt: Natürlich. Es war natürlich auch eine gewisse Selbstironie. Er hat sich ja selbst am besten getroffen auch. Er hat ja seinen Stil zum Thema gemacht. Er hat den Stil seines Lebens, seines Denkens, seiner Bildung hat er zum Programm gemacht, und das machte vieles sehr komisch, weil es in einer Welt war, die keineswegs seinen Stil gepflegt hat.
Timm: Haben Sie einen Lieblingssketch, eine Lieblingsszene, die das noch mal verdeutlicht, was Sie meinen?
Hildebrandt: Na ja, wissen Sie, das ist immer die Frage: Können Sie einen Lieblingsfilm, besten Film, besten Witz … - kann ich nicht. Ich kann nicht sagen, ich hab' … ich kann sagen, 30 Filme, 40 Filme, die mir sehr gut gefallen. Ich muss dazu sagen, bei Loriot hat mir nichts missfallen.
Timm: Das ist viel. Für eine Kabarettisten.
Hildebrandt: Er war ein Meister, und als Meister habe ich ihn halt gesehen. Und selbst wenn ein Meister mal zwei kleine fahrlässige oder Fehler oder so was hat, das spielt überhaupt keine Rolle.
Timm: Wen haben Sie denn, der ja auf einem ganz anderen Gebiet erfolgreich ackert, am meisten bewundert, den Zeichner, den Texter, den Schauspieler?
Hildebrandt: Den Denker. Den Mann, der das, was da in seinem Kopf vorgeht, zu einer Form gebracht hat. Ein Mann, der es präzise gefasst hat. Ein Mann, der den Edelstein geschliffen hat. Und der Edelstein ist er selber natürlich.
Timm: Auf Form hat er ja enorm gehalten, er war ja ein unglaublicher Perfektionist. Ich glaube, der berühmte Sketch mit der Nudel, wo dem Mann da die Nudel aus dem Mund hängt und er versucht, eine Liebeserklärung zu machen, und er kommt einfach nicht rüber, weil die Nudel da hängt, der ist, glaube ich, zig-mal gedreht worden.
Hildebrandt: Es sind viele Nudeln verbraucht worden, ich weiß noch. Aber es ist sicherlich so, dass er auch seine Mitspieler damit sagen wir nicht immer erheitert hat.
Timm: Meinen Sie, außer Evelyn Hamann hat es neben ihm auf dem Sofa niemand ausgehalten?
Hildebrandt: Ja, offensichtlich, aber ich kann das gut verstehen. Aus seinem Denken heraus ist es nicht möglich, etwas einfach so zu lassen, wie es geht, nicht so, wie er es will. Und da ist er beharrlich. Aber das hat auch seine Meisterschaft ausgemacht. Und da muss man halt die Künstler leiten, das ist halt so. Ich hab' auch schon Szenen bei Filmen gesehen, die das 37-mal wiederholt haben, und man kannte als Zuhörer schon den Text auswendig.
Timm: Aber das ist ja auch eine Qualität, die mittlerweile sehr verloren gegangen ist, dass jemand so darauf dringt, dass jeder Sketch in jeder Szene, in jeder Kameraeinstellung, in jeder Textbetonung, in jeder Stimmlage wirklich perfekt ist und sonst nicht auf die Menschheit losgelassen wird. Ist er für Sie in dieser Beziehung Vorbild?
Hildebrandt: Ja, selbstverständlich, aber es hat auch noch einen Grund, und der Grund liegt darin, dass er die Zeit, die er gebraucht hatte, sich genommen hatte, und nicht nur das, er hatte sie auch. Das heißt, man hat ihm diese Zeit auch gegeben, weil man wusste, wie er arbeitet. Ich weiß nicht, wer das heute versuchen würde, ob ihm das gegeben und bezahlt werden würde. Und das hat aber diese Meisterschaft ausgelöst.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt über den heute verstorbenen, ja, Zeichner, Texter, Schauspieler, Musikversteher, Fernsehliebling, Loriot. Herr Hildebrandt, er hat uns ja ein paar göttliche Sätze hinterlassen, ich zitier' mal einen: "Ein Leben ohne Möpse ist möglich, aber sinnlos". Warum meinen Sie gerade die Liebe zu diesen Hundeviechern?
Hildebrandt: Weil es Möpse sind und weil sie sich im Angesicht der Tierliebe der Deutschen so ein bisschen selber als Komiker gebärden. Sie sehen eben aus wie Komiker. Und vermutlich hat er auch die Tatsache, dass die Deutschen sich schrecken vor Möpsen, mit Absicht benutzt.
Timm: Und die Visage eines Mopses kann man nicht erfinden.
Hildebrandt: Nein. Die hat er nun mal und dafür liebt man ihn auch.
Timm: Und die Knollennasen, die göttlichen, von Loriot, sind ja eigentlich ein ganz einfaches Element. Wie kommt das, dass er mit so ganz einfachen Grundstrukturen so erfolgreich geworden ist?
Hildebrandt: Weil das das Geheimnis des Humors überhaupt ist. Der Humor, der ganz einfach, mit ganz einfachen Mitteln lakonisch, trocken erarbeitet wird, und ich muss sagen erarbeitet wird, ist immer das Beste, was einem passieren kann. Und Loriot war für die Knappheit, für die Kürze, für die Lakonie. Und das brachte ihn auch dem so berühmten jüdischen Humor so nahe.
Timm: Er war ein preußischer Perfektionist, ein unglaublich gebildeter Mensch, Loriot konnte einem auf seine Weise eine ganze Wagner-Oper so erklären, dass ein Musiker das bewundert hat und ein Publikum sich amüsiert und interessiert hat. Eine ganz große Bescheidenheit hat ihn auch ausgezeichnet. Ist eigentlich erstaunlich, dass jemand, der so bescheiden ist, trotzdem so viel Berühmtheit erlangt hat.
Hildebrandt: Ja, das ist der Grund, weil seine Beliebtheit vergrößert sich natürlich dadurch, dass er aus sich nicht viel gemacht hat. Es hat ihn geniert, gelobt zu werden.
Timm: Wirklich?
Hildebrandt: Ja.
Timm: Haben Sie das erlebt?
Hildebrandt: Ich habe es schon mal gesehen. Wenn er öffentlich gelobt wird und zwar schamlos gelobt wird, hat sich seine Miene etwas verzogen.
Timm: Weil er nicht wusste, was er sagen sollte?
Hildebrandt: Weil es ihm peinlich war. Das passiert sehr viel großen Leuten.
Timm: Was werden Sie von Loriot in Erinnerung behalten, für immer?
Hildebrandt: Alles, was er geschrieben hat und was er gezeichnet hat, und die Art, wie er bei uns zum Beispiel das Niveau des Fernsehens allein mit seiner Person gehoben hat.
Timm: Was sollte denn die versammelte deutsche Komikermannschaft von Comic bis Fernsehen von ihm vielleicht nachträglich doch versuchen mitzunehmen?
Hildebrandt: Mitnehmen kann man nichts, aber man kann den Hut ziehen. Das sollten wir alle tun.
Timm: Herr Hildebrandt, ich danke Ihnen ganz herzlich!
Hildebrandt: Danke, ciao!
Timm: Dieter Hildebrandt war das zum Tode von Vicco von Bülow alias Loriot.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Er war Zeichner, Texter, Schauspieler, Musikkenner und ganz weit weg von reinem Blödelcomedyhumor. Heute ist der Humorist Loriot gestorben. Begonnen hat er als Zeichner – Sie erinnern sich, die Männchen mit den Knollennasen –, das Fernsehen dann machte seine Sketche bekannt. Wir haben Loriot mit Dieter Hildebrandt gewürdigt, den wir kurz vor der Sendung erreichten. Hören Sie ihn aber erst Loriot noch einmal selbst: "Die Nudelkrise."
Ulrike Timm: Heute ist der große Homorist im Alter von 87 Jahren gestorben. Und kurz nachdem das bekannt wurde, haben wir den Kabarettisten Dieter Hildebrandt erreicht, und ich habe ihn erst einmal gefragt, wie er denn diese Nachricht aufgenommen hat.
Dieter Hildebrandt: Na ja, der plötzlich und unerwartet Verstorbene im Alter von 90 Jahren, so einfach ist das nicht. Ich meine, ich wusste schon, dass er krank ist, und er hat nichts mehr von sich hören lassen. Natürlich ist das traurig, klar. Aber ich meine, ich bin nicht sehr überrascht.
Timm: Herr Hildebrandt, wann haben Sie Loriot kennengelernt?
Hildebrandt: Oh, das ist schon lange her, ich glaube vor 35 Jahren, da hat er mir zugenickt.
Timm: Mehr nicht?
Hildebrandt: Nein. Wir haben uns hier und da getroffen, auf Bahnhöfen, Flughäfen, in Wartezimmern oder so, haben uns begrüßt, haben ein paar Worte gewechselt, aber mehr haben wir nicht miteinander zu tun gehabt.
Timm: Und wie haben Sie ihn kennengelernt, wie haben Sie ihn dann erlebt, auf diesen spärlichen Begegnungen?
Hildebrandt: Loriot ist ja auf mich zugekommen als der, der große Dinge vollzogen hat, der eine Sendung hatte, die man angestellt hatte, Pflichtsendung, über den man gelacht hat und der immerhin, sagen wir mal für alle, die davon redeten immer, die Deutschen hätten keinen Humor, die Ausrede war beziehungsweise das einzige leuchtende Beispiel für den Humor, den wir angeblich nicht haben.
Timm: Was leuchtet an Loriots Humor für Sie weiter?
Hildebrandt: Es ist eine Mischung, eine geniale Mischung zwischen Humor, der aus dem Bauch kommt und aus dem Kopf kommt, und der Kopf kontrolliert alles, was aus dem Bauch kommt.
Timm: Er hielt ja auch enorm auf Stil. Schon das Wort Loriot, der Künstlername für Vicco von Bülow, heißt Pirol, das französische Wappentier der adligen Familie von Bülow. Er hielt in jedem Fall auf Stil, oder?
Hildebrandt: Natürlich. Es war natürlich auch eine gewisse Selbstironie. Er hat sich ja selbst am besten getroffen auch. Er hat ja seinen Stil zum Thema gemacht. Er hat den Stil seines Lebens, seines Denkens, seiner Bildung hat er zum Programm gemacht, und das machte vieles sehr komisch, weil es in einer Welt war, die keineswegs seinen Stil gepflegt hat.
Timm: Haben Sie einen Lieblingssketch, eine Lieblingsszene, die das noch mal verdeutlicht, was Sie meinen?
Hildebrandt: Na ja, wissen Sie, das ist immer die Frage: Können Sie einen Lieblingsfilm, besten Film, besten Witz … - kann ich nicht. Ich kann nicht sagen, ich hab' … ich kann sagen, 30 Filme, 40 Filme, die mir sehr gut gefallen. Ich muss dazu sagen, bei Loriot hat mir nichts missfallen.
Timm: Das ist viel. Für eine Kabarettisten.
Hildebrandt: Er war ein Meister, und als Meister habe ich ihn halt gesehen. Und selbst wenn ein Meister mal zwei kleine fahrlässige oder Fehler oder so was hat, das spielt überhaupt keine Rolle.
Timm: Wen haben Sie denn, der ja auf einem ganz anderen Gebiet erfolgreich ackert, am meisten bewundert, den Zeichner, den Texter, den Schauspieler?
Hildebrandt: Den Denker. Den Mann, der das, was da in seinem Kopf vorgeht, zu einer Form gebracht hat. Ein Mann, der es präzise gefasst hat. Ein Mann, der den Edelstein geschliffen hat. Und der Edelstein ist er selber natürlich.
Timm: Auf Form hat er ja enorm gehalten, er war ja ein unglaublicher Perfektionist. Ich glaube, der berühmte Sketch mit der Nudel, wo dem Mann da die Nudel aus dem Mund hängt und er versucht, eine Liebeserklärung zu machen, und er kommt einfach nicht rüber, weil die Nudel da hängt, der ist, glaube ich, zig-mal gedreht worden.
Hildebrandt: Es sind viele Nudeln verbraucht worden, ich weiß noch. Aber es ist sicherlich so, dass er auch seine Mitspieler damit sagen wir nicht immer erheitert hat.
Timm: Meinen Sie, außer Evelyn Hamann hat es neben ihm auf dem Sofa niemand ausgehalten?
Hildebrandt: Ja, offensichtlich, aber ich kann das gut verstehen. Aus seinem Denken heraus ist es nicht möglich, etwas einfach so zu lassen, wie es geht, nicht so, wie er es will. Und da ist er beharrlich. Aber das hat auch seine Meisterschaft ausgemacht. Und da muss man halt die Künstler leiten, das ist halt so. Ich hab' auch schon Szenen bei Filmen gesehen, die das 37-mal wiederholt haben, und man kannte als Zuhörer schon den Text auswendig.
Timm: Aber das ist ja auch eine Qualität, die mittlerweile sehr verloren gegangen ist, dass jemand so darauf dringt, dass jeder Sketch in jeder Szene, in jeder Kameraeinstellung, in jeder Textbetonung, in jeder Stimmlage wirklich perfekt ist und sonst nicht auf die Menschheit losgelassen wird. Ist er für Sie in dieser Beziehung Vorbild?
Hildebrandt: Ja, selbstverständlich, aber es hat auch noch einen Grund, und der Grund liegt darin, dass er die Zeit, die er gebraucht hatte, sich genommen hatte, und nicht nur das, er hatte sie auch. Das heißt, man hat ihm diese Zeit auch gegeben, weil man wusste, wie er arbeitet. Ich weiß nicht, wer das heute versuchen würde, ob ihm das gegeben und bezahlt werden würde. Und das hat aber diese Meisterschaft ausgelöst.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt über den heute verstorbenen, ja, Zeichner, Texter, Schauspieler, Musikversteher, Fernsehliebling, Loriot. Herr Hildebrandt, er hat uns ja ein paar göttliche Sätze hinterlassen, ich zitier' mal einen: "Ein Leben ohne Möpse ist möglich, aber sinnlos". Warum meinen Sie gerade die Liebe zu diesen Hundeviechern?
Hildebrandt: Weil es Möpse sind und weil sie sich im Angesicht der Tierliebe der Deutschen so ein bisschen selber als Komiker gebärden. Sie sehen eben aus wie Komiker. Und vermutlich hat er auch die Tatsache, dass die Deutschen sich schrecken vor Möpsen, mit Absicht benutzt.
Timm: Und die Visage eines Mopses kann man nicht erfinden.
Hildebrandt: Nein. Die hat er nun mal und dafür liebt man ihn auch.
Timm: Und die Knollennasen, die göttlichen, von Loriot, sind ja eigentlich ein ganz einfaches Element. Wie kommt das, dass er mit so ganz einfachen Grundstrukturen so erfolgreich geworden ist?
Hildebrandt: Weil das das Geheimnis des Humors überhaupt ist. Der Humor, der ganz einfach, mit ganz einfachen Mitteln lakonisch, trocken erarbeitet wird, und ich muss sagen erarbeitet wird, ist immer das Beste, was einem passieren kann. Und Loriot war für die Knappheit, für die Kürze, für die Lakonie. Und das brachte ihn auch dem so berühmten jüdischen Humor so nahe.
Timm: Er war ein preußischer Perfektionist, ein unglaublich gebildeter Mensch, Loriot konnte einem auf seine Weise eine ganze Wagner-Oper so erklären, dass ein Musiker das bewundert hat und ein Publikum sich amüsiert und interessiert hat. Eine ganz große Bescheidenheit hat ihn auch ausgezeichnet. Ist eigentlich erstaunlich, dass jemand, der so bescheiden ist, trotzdem so viel Berühmtheit erlangt hat.
Hildebrandt: Ja, das ist der Grund, weil seine Beliebtheit vergrößert sich natürlich dadurch, dass er aus sich nicht viel gemacht hat. Es hat ihn geniert, gelobt zu werden.
Timm: Wirklich?
Hildebrandt: Ja.
Timm: Haben Sie das erlebt?
Hildebrandt: Ich habe es schon mal gesehen. Wenn er öffentlich gelobt wird und zwar schamlos gelobt wird, hat sich seine Miene etwas verzogen.
Timm: Weil er nicht wusste, was er sagen sollte?
Hildebrandt: Weil es ihm peinlich war. Das passiert sehr viel großen Leuten.
Timm: Was werden Sie von Loriot in Erinnerung behalten, für immer?
Hildebrandt: Alles, was er geschrieben hat und was er gezeichnet hat, und die Art, wie er bei uns zum Beispiel das Niveau des Fernsehens allein mit seiner Person gehoben hat.
Timm: Was sollte denn die versammelte deutsche Komikermannschaft von Comic bis Fernsehen von ihm vielleicht nachträglich doch versuchen mitzunehmen?
Hildebrandt: Mitnehmen kann man nichts, aber man kann den Hut ziehen. Das sollten wir alle tun.
Timm: Herr Hildebrandt, ich danke Ihnen ganz herzlich!
Hildebrandt: Danke, ciao!
Timm: Dieter Hildebrandt war das zum Tode von Vicco von Bülow alias Loriot.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.