Beißende Satire auf die Werbewelt
Frédéric Beigbeders Enthüllungsroman "99 Francs" - in Deutschland unter dem Titel "39,90" bekannt - stellte vor acht Jahren die Werbebranche bloß und führte dazu, dass der Werbefachmann Beigbeder von seiner Firma gefeuert wurde. Der Autor hingegen stieg schnell zu einem neuen Star der Literaturszene auf. Über sieben Jahre hat es nun gedauert, bis das Buch von Jan Kounen verfilmt wurde.
O-Ton aus dem Film:
"Man kann alles kaufen. Die Kunst, die Liebe, den Planeten Erde, Sie und mich. Vor allem mich. Der Mensch ist ein Produkt wie jedes andere mit einem Verfallsdatum. Ich bin Werbefachmann, einer von denen, die Sie von Dingen träumen lassen, die es für Sie niemals geben wird: ein ständig blauer Himmel, makellose Mädchen, perfektes Glück retuschiert mit Photoshop. Sie glauben, ich würde die Welt verschönern? Falsch. Ich mache sie kaputt. Alles ist nur provisorisch. Die Liebe, die Kunst, der Planet Erde , Sie und Ich ..."
Willkommen in der Welt von Octave Parango, dem 33-jährigen Werbeguru einer großen Pariser Werbefirma, der im strömenden Regen auf dem Dach eines Wolkenkratzers steht, um sich in die Tiefe zu stürzen.
In einer langen Rückblende und mit einem doppelten Ende wird der Film "39,90" nun auch zur filmischen Abrechnung mit der Werbebranche. Dabei war es die Idee von Frédéric Beigbeder und dem Regisseur Jan Kounen, die Werbung mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen. So wird ständig echte und falsche Werbung eingeblendet, zitiert und persifliert.
Jan Kounen, der bisher so unterschiedliche Filme wie den gewalttätigen "Doberman" und den psychedelischen Western "Blueberry" drehte, stammt wie Beigbeder selber aus der Werbebranche. Das ist in den Augen des Romanautoren ein großes Plus:
Beigbeder: "Wenn der Roman überhaupt interessant ist, und daran zweifel ich, dann verfügt er doch über eine Qualität. Er wurde von jemandem geschrieben, der dieses System kannte. Und Jan Kounen war Werbefilmer und dreht immer noch Werbung in England. Er ist also ein Werbeprofi und das war für den Film sehr wichtig. Das Buch ist eine autobigrafische Geschichte eines Werbers, der völlig durchdreht. Jan Kounen kannte das alles, diese Meetings, auf denen man sich tödlich langweilt und mit diesen Idioten zu tun hat. Er kannte all diese Ängste und Frustrationen, die man empfindet, wenn man in der Werbung arbeitet. So war er als Regisseur besonders kompetent, was die Ästhetik des Films, die Schönheit des Looks und die Spezialeffekte und Gimmicks wie die ironische Verwendung der Gimmicks angeht."
Auch wenn Frédéric Beigbeder gerne den unangepassten Rebellen mimt, so ist der 43-jährige Franzose mit dem halblangen, welligen Haar durchaus ein Mann, der das Rampenlicht sucht und seinen Auftritt vor dem Publikum genießt. Zur Premiere der französischen Filmwoche gab er eine launige, aber unterhaltsame Performance auf Englisch und las einen Trailer-Text für seinen Film vor, den er angeblich gerade spontan im Flugzeug geschrieben hatte.
Erst wenn man etwas länger mit ihm spricht, fallen die leicht divenhaften Starallüren ab und er ist ein durchaus ernsthafter Gesprächspartner. Auf den Film "99 Francs" ist er vor allem stolz, weil er in keine Schubladen passt.
"Es ist ein Film, der die populäre französische Komödie anders dekodiert und der in Wirklichkeit ein ziemlich engagierter und schockierender politischer Film ist. Es gibt dort Sex, Drogen, Gewalt, Blut und Kotze ... Es ist kompliziert, diesen Film zu definieren. Es ist eben keine Komödie, mehr eine Tragikomödie oder eine Dramödie. Wir zeigen jemanden, der sich das Leben nimmt, seine Frau ist schwanger und er verlässt die. Das ist alles ziemlich hart, glaube ich."
Das große Plus des Films ist seine Ästhetik. Zum Stilmittel des Films gehört es auch, reale Werbung und Marken zu ironiseren. So stellt er den mächtigen Marketing Chef von "Madone" Alfred Duler als einen Mann vor, der sich von Hugo Boss einkleiden lässt, Hugo Boss Parfüm benutzt und dessen Lieblingsdichter ebenfalls Hugo Boss ist.
Octaves innerem Monolog "Einer musste sich opfern" folgt eine halluzinierte Vision. Er sieht sich plötzlich an dem riesigen Konferenztisch als Jesus beim letzten Abendmahl. Genau dann wird klar warum "99 Francs" mehr ist als nur eine Kritik an der Werbung und ihren Mechanismen.
Jan Kounen, der auch Dokumentarfilme in Südamerika drehte und sich gegen die Zerstörung der Umwelt engagiert, hat mit seinem neuen, bisher komplexesten Film ein echtes Anliegen. Er verpackt in eine Hochglanzästhetik, die mit schnellen Schnitten und Split-Screen arbeitet, auch "unästhetische", dokumentarische und schockierende Aufnahmen. So bricht er formal mit der hippen MTV Ästhetik und zwingt den Zuschauer, generell Bilder und ihre hypnotische Wirkung zu hinterfragen. Der Film "99 Francs" war in seiner französischen Heimat durchaus erfolgreich und lockte über 1,3 Millionen Zuschauer in die Kinos. Beigbeder gibt sich bescheiden und etwas überrascht.
"Der Erfolg des Romans kam auch sehr überraschend. Der Roman umfasst pornografische Szenen, es geht dort viel um Drogen und das Ganze ist einem Marketing-Jargon geschrieben, den man nur schwer verstehen kann, wenn man nicht in dieser Branche gearbeitet hat. Und doch fand das Buch ein großes Publikum, ebenso wie der Film. Das ist schon bizarr. Manchmal gibt es Filme, bei denen es nicht nur etwas zu lachen gibt, sondern sie funktionieren wie ein Spiegel der Gesellschaft. In den USA ist "Fight Club" ein typisches Beispiel dieses Genres. Der Film ist nicht wirklich komisch. Es geht eher um eine Zustandsbeschreibung in einem gewissen historischen Moment. Es ist eine Beschreibung unserer Schizophrenie und Widersprüche. Und manchmal sind die Leute dazu bereit, sich in diesem Spiegel anzschauen."
Anders als der Roman verursachte der Film jedoch keinen Aufschrei mehr in der hippen, bunten Werbewelt. "Diesmal waren sie vorbereitet", sagt Beigbeder und meint, ein gewisses Maß an Selbstkritik habe sich durchaus in den letzten sieben Jahren entwickelt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Werber wissen, je größer der Skandal, umso höher ist auch der Werbeffekt.
Und wenn es einen Film gibt, für den sie nicht werben möchten, dann "99 Francs" oder "39,90", wie er bei uns in Deutschland heißt. Kommerzielle Sender in Frankreich wie "TF 1" oder "M6" wollten keinen Euro in die Satire investieren und so sprang paradoxerweise der Kulturkanal ARTE als Koproduzent ein.
"Man kann alles kaufen. Die Kunst, die Liebe, den Planeten Erde, Sie und mich. Vor allem mich. Der Mensch ist ein Produkt wie jedes andere mit einem Verfallsdatum. Ich bin Werbefachmann, einer von denen, die Sie von Dingen träumen lassen, die es für Sie niemals geben wird: ein ständig blauer Himmel, makellose Mädchen, perfektes Glück retuschiert mit Photoshop. Sie glauben, ich würde die Welt verschönern? Falsch. Ich mache sie kaputt. Alles ist nur provisorisch. Die Liebe, die Kunst, der Planet Erde , Sie und Ich ..."
Willkommen in der Welt von Octave Parango, dem 33-jährigen Werbeguru einer großen Pariser Werbefirma, der im strömenden Regen auf dem Dach eines Wolkenkratzers steht, um sich in die Tiefe zu stürzen.
In einer langen Rückblende und mit einem doppelten Ende wird der Film "39,90" nun auch zur filmischen Abrechnung mit der Werbebranche. Dabei war es die Idee von Frédéric Beigbeder und dem Regisseur Jan Kounen, die Werbung mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen. So wird ständig echte und falsche Werbung eingeblendet, zitiert und persifliert.
Jan Kounen, der bisher so unterschiedliche Filme wie den gewalttätigen "Doberman" und den psychedelischen Western "Blueberry" drehte, stammt wie Beigbeder selber aus der Werbebranche. Das ist in den Augen des Romanautoren ein großes Plus:
Beigbeder: "Wenn der Roman überhaupt interessant ist, und daran zweifel ich, dann verfügt er doch über eine Qualität. Er wurde von jemandem geschrieben, der dieses System kannte. Und Jan Kounen war Werbefilmer und dreht immer noch Werbung in England. Er ist also ein Werbeprofi und das war für den Film sehr wichtig. Das Buch ist eine autobigrafische Geschichte eines Werbers, der völlig durchdreht. Jan Kounen kannte das alles, diese Meetings, auf denen man sich tödlich langweilt und mit diesen Idioten zu tun hat. Er kannte all diese Ängste und Frustrationen, die man empfindet, wenn man in der Werbung arbeitet. So war er als Regisseur besonders kompetent, was die Ästhetik des Films, die Schönheit des Looks und die Spezialeffekte und Gimmicks wie die ironische Verwendung der Gimmicks angeht."
Auch wenn Frédéric Beigbeder gerne den unangepassten Rebellen mimt, so ist der 43-jährige Franzose mit dem halblangen, welligen Haar durchaus ein Mann, der das Rampenlicht sucht und seinen Auftritt vor dem Publikum genießt. Zur Premiere der französischen Filmwoche gab er eine launige, aber unterhaltsame Performance auf Englisch und las einen Trailer-Text für seinen Film vor, den er angeblich gerade spontan im Flugzeug geschrieben hatte.
Erst wenn man etwas länger mit ihm spricht, fallen die leicht divenhaften Starallüren ab und er ist ein durchaus ernsthafter Gesprächspartner. Auf den Film "99 Francs" ist er vor allem stolz, weil er in keine Schubladen passt.
"Es ist ein Film, der die populäre französische Komödie anders dekodiert und der in Wirklichkeit ein ziemlich engagierter und schockierender politischer Film ist. Es gibt dort Sex, Drogen, Gewalt, Blut und Kotze ... Es ist kompliziert, diesen Film zu definieren. Es ist eben keine Komödie, mehr eine Tragikomödie oder eine Dramödie. Wir zeigen jemanden, der sich das Leben nimmt, seine Frau ist schwanger und er verlässt die. Das ist alles ziemlich hart, glaube ich."
Das große Plus des Films ist seine Ästhetik. Zum Stilmittel des Films gehört es auch, reale Werbung und Marken zu ironiseren. So stellt er den mächtigen Marketing Chef von "Madone" Alfred Duler als einen Mann vor, der sich von Hugo Boss einkleiden lässt, Hugo Boss Parfüm benutzt und dessen Lieblingsdichter ebenfalls Hugo Boss ist.
Octaves innerem Monolog "Einer musste sich opfern" folgt eine halluzinierte Vision. Er sieht sich plötzlich an dem riesigen Konferenztisch als Jesus beim letzten Abendmahl. Genau dann wird klar warum "99 Francs" mehr ist als nur eine Kritik an der Werbung und ihren Mechanismen.
Jan Kounen, der auch Dokumentarfilme in Südamerika drehte und sich gegen die Zerstörung der Umwelt engagiert, hat mit seinem neuen, bisher komplexesten Film ein echtes Anliegen. Er verpackt in eine Hochglanzästhetik, die mit schnellen Schnitten und Split-Screen arbeitet, auch "unästhetische", dokumentarische und schockierende Aufnahmen. So bricht er formal mit der hippen MTV Ästhetik und zwingt den Zuschauer, generell Bilder und ihre hypnotische Wirkung zu hinterfragen. Der Film "99 Francs" war in seiner französischen Heimat durchaus erfolgreich und lockte über 1,3 Millionen Zuschauer in die Kinos. Beigbeder gibt sich bescheiden und etwas überrascht.
"Der Erfolg des Romans kam auch sehr überraschend. Der Roman umfasst pornografische Szenen, es geht dort viel um Drogen und das Ganze ist einem Marketing-Jargon geschrieben, den man nur schwer verstehen kann, wenn man nicht in dieser Branche gearbeitet hat. Und doch fand das Buch ein großes Publikum, ebenso wie der Film. Das ist schon bizarr. Manchmal gibt es Filme, bei denen es nicht nur etwas zu lachen gibt, sondern sie funktionieren wie ein Spiegel der Gesellschaft. In den USA ist "Fight Club" ein typisches Beispiel dieses Genres. Der Film ist nicht wirklich komisch. Es geht eher um eine Zustandsbeschreibung in einem gewissen historischen Moment. Es ist eine Beschreibung unserer Schizophrenie und Widersprüche. Und manchmal sind die Leute dazu bereit, sich in diesem Spiegel anzschauen."
Anders als der Roman verursachte der Film jedoch keinen Aufschrei mehr in der hippen, bunten Werbewelt. "Diesmal waren sie vorbereitet", sagt Beigbeder und meint, ein gewisses Maß an Selbstkritik habe sich durchaus in den letzten sieben Jahren entwickelt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Werber wissen, je größer der Skandal, umso höher ist auch der Werbeffekt.
Und wenn es einen Film gibt, für den sie nicht werben möchten, dann "99 Francs" oder "39,90", wie er bei uns in Deutschland heißt. Kommerzielle Sender in Frankreich wie "TF 1" oder "M6" wollten keinen Euro in die Satire investieren und so sprang paradoxerweise der Kulturkanal ARTE als Koproduzent ein.