Bekenntnisse eines Präsidenten
Acht Monate nach seinem triumphalen Wahlsieg weist das Image des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy erste Kratzer auf. Da erscheint auf Deutsch zur rechten Zeit ein aufschlussreiches Buch aus seiner Feder. Doch in den "Bekenntnissen" des Sarkozy bleiben konkrete Aussagen - trotz markiger Sprüche - eher selten.
Der Staatsgast aus der Wüste hatte seine Kamelstute zu Hause gelassen, aber das Beduinenzelt mitgebracht. Die Franzosen durften es bestaunen - und sich über ihren neuen Präsidenten wundern. Im Park des Marigny-Palastes, unmittelbar neben dem Elysée, wo Nicolas Sarkozy logiert und regiert, hatte ein exotischer Diktator sein Zelt aufschlagen dürfen: Muammar al Ghadafi aus Libyen. Auch wenn dessen Lieblingsmilch diesmal in gekühlten Behältern mitgeführt wurde statt in einer leibhaftigen Kamelstute, war dieser Staatsbesuch doch bizarr genug - peinlich für den Gastgeber und für die Franzosen unvergesslich.
Am Ende nämlich stand nicht - wie geplant - Nicolas Sarkozy als schneidiger Sieger da, sondern Ghadafi war es, der eindeutig die Szene beherrscht hatte. Frankreichs wortmächtige Intellektuelle, von denen sich viele zuletzt für Sarkozy engagiert hatten, rückten nun von ihm ab: "Im Land der Menschenrechte geht das nicht", rief der Philosoph Bernard Henry Levy: "Man empfängt keinen Terroristen und Geiselnehmer zur Staatsvisite!" Die Rechtfertigung des Präsidenten, Milliarden-Aufträge aus Libyen würden in Frankreich bald Tausende von Arbeitsplätzen schaffen, wirkte darauf kleinlaut und unwürdig.
In den acht Monaten nach seinem triumphalen Wahlsieg über die Sozialistin Segolene Royal sind Nicolas Sarkozy die ersten Fehler unterlaufen, persönliche Schwächen stärker hervorgetreten; sein Image weist erste Kratzer auf. Da erscheint auf Deutsch zur rechten Zeit ein aufschlussreiches Buch aus seiner Feder. "Bekenntnisse" heißt es schlicht, doch wer sich davon an die gleichnamige Schrift des Heiligen Augustinus erinnert fühlen sollte, ginge fehl: Das Bekennertum von Sarkozy ist nicht philosophisch, auch nicht autobiographisch, sondern eine Art politisches Trommelrühren, mit dem er als ewiger Wahlkämpfer in Buchform auf sich aufmerksam gemacht hat.
"Seit jeher ist es mir wichtig, Dinge zu verändern. Worte sind für mich nur interessant, wenn sie zum Handeln führen. Schon immer brach ich leidenschaftlich gern mit alten Gewohnheiten, um das Unmögliche möglich zu machen. Deshalb begann ich bereits in jungen Jahren, Verantwortung zu übernehmen und das auszuüben, was wir gemeinhin 'Macht' nennen. Ich habe nie bewusst die Entscheidung getroffen, Politiker zu werden. Es ist einfach geschehen - natürlich und unausweichlich."
Sarkozys "Bekenntnisse" sind flüssig ins Deutsche übersetzt worden - aber, merkwürdigerweise, nicht aus dem Französischen. Verblüfft nimmt man zur Kenntnis: "Herausgegeben von Philip H. Gordon, aus dem amerikanischen Englisch übertragen von Stephanie Singh". Dieser Sarkozy-Verschnitt ist also primär für ein amerikanisches Publikum zusammengestellt worden - aus zwei Schriften und mehreren Reden Sarkozys. Der Name des Herausgebers erklärt den Grund: Gordon gehört zu den außenpolitischen Intellektuellen, die in Washington zwischen akademischer und regierungsamtlicher Tätigkeit hin und her wechseln. Besorgt über die Entfremdung, die sich wegen des Irak-Kriegs zwischen der Weltmacht Amerika und ihren europäischen Partnern entwickelt hatte, wollte Gordon sowohl Republikanern wie Demokraten klar machen: in Paris herrscht von nun an ein Politiker, der in seinem Dynamismus, seinem Reformeifer und seinen Grundwerten den Amerikanern verwandt ist.
Das mag erklären, warum in der deutschen Ausgabe von Sarkozys "Bekenntnissen" nur die USA und Großbritannien als Verbündete gerühmt werden, Deutschland aber kaum Erwähnung findet. Es ist immerhin amüsant, nachzulesen, wie Nicolas Sarkozy mit seinen Landsleuten ins Gericht geht wegen ihrer negativen Einschätzung der USA:
"Ein Teil unserer Eliten behauptet, die Vereinigten Staaten zu verabscheuen, andere kritisieren sie regelmäßig. Das ist zumindest seltsam, handelt es sich doch um ein Land, gegen das wir nie Krieg geführt haben - und davon gibt es nicht so viele. Frankreich und Amerika sind einander durch unerschütterliche historische Beziehungen verbunden. Ich denke nicht daran, mich für meine Affinität zur größten Demokratie der Welt zu entschuldigen!"
Der Sarkozy, der aus diesen Bekenntnissen hervortritt, ist ein faszinierendes Chamäleon. Konkrete Aussagen, an denen es nichts zu deuteln gibt und die nicht an anderer Stelle relativiert würden, sind bei ihm - trotz markiger Aussprüche - eher selten. Einerseits tragen die wirtschaftlichen Reformen, die er durchsetzen will, den Stempel des "Neoliberalismus". Andererseits ist seine Bewunderung für General De Gaulle und dessen vom Staatsinteresse gelenkte Wirtschaftspolitik unüberhörbar. Gerne attackiert Sarkozy die Alt-Achtundsechziger, denen nichts als eine Umverteilung des Mangels gelingen könne - doch er propagiert auch, dass den Massen etwas vom Überfluss der Reichen zukommen müsse. Und der selbe Mann, der die gewalttätigen Einwandererkinder in den Vorstädten als "racaille" - Abschaum - beschimpft hat, setzt sich für eine Bevorzugung von Muslimen und Schwarzafrikanern bei der Vergabe von Arbeitsplätzen ein.
Von seinem ganz eindeutigen Bekenntnis über die Zukunft der EU freilich dürfte es Sarkozy schwer fallen, wieder abzurücken:
"Unsere Völker wollen ein Europa mit Persönlichkeit, Identität und Grenzen, in dem sie sich wiedererkennen können. Die EU-Erweiterung hat diesen Willen geschwächt und die Integration vor ein unüberwindliches Hindernis gestellt. Ein Beitritt der Türkei aber würde den Gedanken der europäischen Integration endgültig zerstören. Er wäre der Todesstoss für die europäische Identität."
Dieser stets hyperaktiv wirkende und widersprüchliche Mann dürfte während der nächsten Monate und Jahre also nicht nur die Franzosen in Atem halten. Wer einen Vorgeschmack kommender Entwicklungen erhalten will, sollte in den Bekenntnissen des Nicolas Sarkozy mindestens schmökern.
Nicolas Sarkozy: "Bekenntnisse. Frankreich, Europa und die Welt im 21. Jahrhundert"
Verlag C. Bertelsmann, München
Am Ende nämlich stand nicht - wie geplant - Nicolas Sarkozy als schneidiger Sieger da, sondern Ghadafi war es, der eindeutig die Szene beherrscht hatte. Frankreichs wortmächtige Intellektuelle, von denen sich viele zuletzt für Sarkozy engagiert hatten, rückten nun von ihm ab: "Im Land der Menschenrechte geht das nicht", rief der Philosoph Bernard Henry Levy: "Man empfängt keinen Terroristen und Geiselnehmer zur Staatsvisite!" Die Rechtfertigung des Präsidenten, Milliarden-Aufträge aus Libyen würden in Frankreich bald Tausende von Arbeitsplätzen schaffen, wirkte darauf kleinlaut und unwürdig.
In den acht Monaten nach seinem triumphalen Wahlsieg über die Sozialistin Segolene Royal sind Nicolas Sarkozy die ersten Fehler unterlaufen, persönliche Schwächen stärker hervorgetreten; sein Image weist erste Kratzer auf. Da erscheint auf Deutsch zur rechten Zeit ein aufschlussreiches Buch aus seiner Feder. "Bekenntnisse" heißt es schlicht, doch wer sich davon an die gleichnamige Schrift des Heiligen Augustinus erinnert fühlen sollte, ginge fehl: Das Bekennertum von Sarkozy ist nicht philosophisch, auch nicht autobiographisch, sondern eine Art politisches Trommelrühren, mit dem er als ewiger Wahlkämpfer in Buchform auf sich aufmerksam gemacht hat.
"Seit jeher ist es mir wichtig, Dinge zu verändern. Worte sind für mich nur interessant, wenn sie zum Handeln führen. Schon immer brach ich leidenschaftlich gern mit alten Gewohnheiten, um das Unmögliche möglich zu machen. Deshalb begann ich bereits in jungen Jahren, Verantwortung zu übernehmen und das auszuüben, was wir gemeinhin 'Macht' nennen. Ich habe nie bewusst die Entscheidung getroffen, Politiker zu werden. Es ist einfach geschehen - natürlich und unausweichlich."
Sarkozys "Bekenntnisse" sind flüssig ins Deutsche übersetzt worden - aber, merkwürdigerweise, nicht aus dem Französischen. Verblüfft nimmt man zur Kenntnis: "Herausgegeben von Philip H. Gordon, aus dem amerikanischen Englisch übertragen von Stephanie Singh". Dieser Sarkozy-Verschnitt ist also primär für ein amerikanisches Publikum zusammengestellt worden - aus zwei Schriften und mehreren Reden Sarkozys. Der Name des Herausgebers erklärt den Grund: Gordon gehört zu den außenpolitischen Intellektuellen, die in Washington zwischen akademischer und regierungsamtlicher Tätigkeit hin und her wechseln. Besorgt über die Entfremdung, die sich wegen des Irak-Kriegs zwischen der Weltmacht Amerika und ihren europäischen Partnern entwickelt hatte, wollte Gordon sowohl Republikanern wie Demokraten klar machen: in Paris herrscht von nun an ein Politiker, der in seinem Dynamismus, seinem Reformeifer und seinen Grundwerten den Amerikanern verwandt ist.
Das mag erklären, warum in der deutschen Ausgabe von Sarkozys "Bekenntnissen" nur die USA und Großbritannien als Verbündete gerühmt werden, Deutschland aber kaum Erwähnung findet. Es ist immerhin amüsant, nachzulesen, wie Nicolas Sarkozy mit seinen Landsleuten ins Gericht geht wegen ihrer negativen Einschätzung der USA:
"Ein Teil unserer Eliten behauptet, die Vereinigten Staaten zu verabscheuen, andere kritisieren sie regelmäßig. Das ist zumindest seltsam, handelt es sich doch um ein Land, gegen das wir nie Krieg geführt haben - und davon gibt es nicht so viele. Frankreich und Amerika sind einander durch unerschütterliche historische Beziehungen verbunden. Ich denke nicht daran, mich für meine Affinität zur größten Demokratie der Welt zu entschuldigen!"
Der Sarkozy, der aus diesen Bekenntnissen hervortritt, ist ein faszinierendes Chamäleon. Konkrete Aussagen, an denen es nichts zu deuteln gibt und die nicht an anderer Stelle relativiert würden, sind bei ihm - trotz markiger Aussprüche - eher selten. Einerseits tragen die wirtschaftlichen Reformen, die er durchsetzen will, den Stempel des "Neoliberalismus". Andererseits ist seine Bewunderung für General De Gaulle und dessen vom Staatsinteresse gelenkte Wirtschaftspolitik unüberhörbar. Gerne attackiert Sarkozy die Alt-Achtundsechziger, denen nichts als eine Umverteilung des Mangels gelingen könne - doch er propagiert auch, dass den Massen etwas vom Überfluss der Reichen zukommen müsse. Und der selbe Mann, der die gewalttätigen Einwandererkinder in den Vorstädten als "racaille" - Abschaum - beschimpft hat, setzt sich für eine Bevorzugung von Muslimen und Schwarzafrikanern bei der Vergabe von Arbeitsplätzen ein.
Von seinem ganz eindeutigen Bekenntnis über die Zukunft der EU freilich dürfte es Sarkozy schwer fallen, wieder abzurücken:
"Unsere Völker wollen ein Europa mit Persönlichkeit, Identität und Grenzen, in dem sie sich wiedererkennen können. Die EU-Erweiterung hat diesen Willen geschwächt und die Integration vor ein unüberwindliches Hindernis gestellt. Ein Beitritt der Türkei aber würde den Gedanken der europäischen Integration endgültig zerstören. Er wäre der Todesstoss für die europäische Identität."
Dieser stets hyperaktiv wirkende und widersprüchliche Mann dürfte während der nächsten Monate und Jahre also nicht nur die Franzosen in Atem halten. Wer einen Vorgeschmack kommender Entwicklungen erhalten will, sollte in den Bekenntnissen des Nicolas Sarkozy mindestens schmökern.
Nicolas Sarkozy: "Bekenntnisse. Frankreich, Europa und die Welt im 21. Jahrhundert"
Verlag C. Bertelsmann, München