Mit Herz, Faust und Victory-Zeichen
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Die Kunst- und Kulturszene spielt bei den Protesten in Belarus eine wichtige Rolle. Die Kulturschaffenden versorgen die Bewegung mit Symbolen des Widerstands und sind zudem gut vernetzt.
Die Regierung in Belarus ist offenbar von den landesweiten Protesten beeindruckt - seit Donnerstagabend lässt sie Demonstranten frei, die in den vergangenen Tagen festgenommen worden waren. Der Machtapparat unter dem autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko lenkt erstmals ein - möglicherweise auch, um Sanktionen der Europäischen Union zu verhindern.
Heute beraten die Außenminister der EU-Staaten über Reaktionen auf die von Fälschungsvorwürfen begleitete Präsidentenwahl in Belarus. In den letzten Tagen war die Polizei mit großer Härte gegen Demonstranten vorgegangen. Die Menschen, die im Gefängnis waren, berichten unterdessen von teils schweren Misshandlungen.
Frauen sind bei den Protesten vorn dabei
Die Bewegung für Demokratie in Belarus wird auch von Kulturschaffenden getragen. Regierungskritische Künstler seien bereits seit Monaten sehr aktiv, sagt Olga Shparaga, Philosophin am European College of Liberal Arts in Belarus. Aus ihren Reihen kämen viele Symbole, die von den Protestierenden momentan genutzt würden.
Dazu gehört unter anderem auch das Gemälde "Eva" des Malers Chaim Soutine. Das Bild gehört zur Sammlung des Oppositionellen Viktor Babariko, der derzeit im Gefängnis sitzt. Seine Sammlung wurde konfisziert. Dem ursprünglichen Frauenporträt wurde von Künstlern nun ein Stinkefinger hinzugefügt, bevor es auf T-Shirts gedruckt wurde: "Dieses Bild zeigt, welch große Rolle die Frauen bei den Protesten spielen, es ist zuerst von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen während der Proteste benutzt worden", sagt Shparaga.
Ein weiteres wichtiges Symbol bestehe aus den drei Zeichen für Herz, Faust und "Victory", das auch die Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja gezeigt hat. Eine Künstlerin habe diese Gesten dann gezeichnet - und nun seien sie überall bei den Protesten zu sehen.
Eine seit langer Zeit vernetzte Künstlerszene
Das Internet spiele bei der Organisation der Proteste eine wichtige Rolle, berichtet Shparaga. Doch es ging auch ohne: In den ersten drei Tagen nach der Wahl, als das Regime das Netz blockiert hatte, habe man miteinander telefoniert und Kurznachrichten verschickt, berichtet die Philosophin.
Die Kulturschaffenden in Belarus seien gut vernetzt: "Wir kennen einander, erreichen einander und kümmern uns umeinander." Auf Facebook gibt es inzwischen eine Bewegung, die "Kulturprotest" heißt und für noch mehr Kontakt untereinander sorgen soll.
"Ich weiß nicht, was morgen kommt. Es entstehen neue Formen als Reaktion auf die Gewalt und ich denke, dass es weitergeht, weil die Gesellschaft jetzt richtig aktiv ist. Und das nicht nur in Minsk, sondern überall in Belarus, auch in kleinen Dörfern. Die Menschen wollen für ihre Zukunft kämpfen", sagt Shparaga.
(rja/ahe)