Ein Spiel mit Geschlecht und Körper
Eine Tänzerin im Körper eines Jungen ist die Hauptfigur in dem Transgender-Drama "Girl". Das Skript beruht auf einer wahren Begebenheit. Hauptdarsteller ist der 14-jährige Victor Polster. Nach erfolglosen Castings hat er uns "umgehauen", so Regisseur Lukas Dhont.
Susanne Burg: Ich habe Lukas Dhont im Auto erwischt, auf dem Weg von einem Interview nach Hause, wo er schnell packen und dann zum Flughafen fahren musste, um nach New York zu fliegen. Dort finden nämlich zwei Filmpräsentationen für die Oscar Academy statt, denn "Girl" ist der belgische Oscar-Kandidat. Der Film hat es also schon jetzt einen wahnsinnigen Weg hinter sich.
Es ist ein Debütfilm. Er erzählt von einem 17-jährigen Mädchen, das im Körper eines Jungen zur Welt gekommen ist und Balletttänzerin werden möchte. Wir begleiten sie auf diesem Weg zur professionellen Tänzerin und zur Frau. Ein innerer und äußerer Kampf. Und als ich Lukas Dhont gesprochen habe, hat er zunächst von der Motivation für den Film erzählt.
Lukas Dhont: Die Idee für den Film entstand 2009. Da war ich gerade 18 Jahre alt und ich las einen Zeitungsartikel über Nora, die eine Ballerina werden wollte, aber als Junge geboren wurde. Was mich dabei berührt hat, war, dass jemand mit gerade Mal 15 Jahren selbst wählt, wer er - beziehungsweise wer sie - sein möchte. Ich war dazu in dem Alter nicht in der Lage. Als Kind und Jugendlicher habe ich immer versucht dazu zu gehören, meine Homosexualität zu verstecken, um so zu sein wie die anderen. Und dieses Mädchen war jemand, die das nicht tat. Ich habe sie bewundert dafür. Ich wollte einen Dokumentarfilm über Nora machen, aber das wollte sie nicht. Sie wollte nicht so im Rampenlicht stehen, und wir haben beschlossen ein Drehbuch für einen Spielfilm zu schreiben.
Burg: Sie mussten dann für den Dreh einen Schauspieler finden, der nicht nur spielen, sondern auch noch tanzen kann. Wie haben Sie Victor Polster gefunden?
Dhont: Es war schwierig, weil ich beim Suchen immer Noras Gesicht im Kopf hatte. Wir haben eineinhalb Jahre gecastet. Und wie Sie sagten: Die Person musste gut spielen, auf einem hohen Niveau tanzen und auch eine komplexe Person darstellen können. Wir dachten irgendwann, dass wir niemanden mehr finden. Und dann kam dieser 14-jährige Victor Polster zur Tür herein und hat uns umgehauen.
Lukas Dhont: Die Idee für den Film entstand 2009. Da war ich gerade 18 Jahre alt und ich las einen Zeitungsartikel über Nora, die eine Ballerina werden wollte, aber als Junge geboren wurde. Was mich dabei berührt hat, war, dass jemand mit gerade Mal 15 Jahren selbst wählt, wer er - beziehungsweise wer sie - sein möchte. Ich war dazu in dem Alter nicht in der Lage. Als Kind und Jugendlicher habe ich immer versucht dazu zu gehören, meine Homosexualität zu verstecken, um so zu sein wie die anderen. Und dieses Mädchen war jemand, die das nicht tat. Ich habe sie bewundert dafür. Ich wollte einen Dokumentarfilm über Nora machen, aber das wollte sie nicht. Sie wollte nicht so im Rampenlicht stehen, und wir haben beschlossen ein Drehbuch für einen Spielfilm zu schreiben.
Burg: Sie mussten dann für den Dreh einen Schauspieler finden, der nicht nur spielen, sondern auch noch tanzen kann. Wie haben Sie Victor Polster gefunden?
Dhont: Es war schwierig, weil ich beim Suchen immer Noras Gesicht im Kopf hatte. Wir haben eineinhalb Jahre gecastet. Und wie Sie sagten: Die Person musste gut spielen, auf einem hohen Niveau tanzen und auch eine komplexe Person darstellen können. Wir dachten irgendwann, dass wir niemanden mehr finden. Und dann kam dieser 14-jährige Victor Polster zur Tür herein und hat uns umgehauen.
"Sie ist eine Tänzerin, sie ist eine Tochter und eine Schwester"
Burg: Es gab allerdings auch einige Kritik von Transgender-Menschen, dass der Schauspieler selbst nicht transgender ist – so wie bei vielen anderen Filmen über Transmenschen der letzten Zeit, wie zum Beispiel "The Danish Girl" mit Eddie Redmayne. Sie haben geantwortet, dass Sie offen gecastet hätten. Verstehen Sie dennoch die Kritik und die Forderung nach Teilhabe?
Dhont: Ich verstehe das natürlich und es stimmt, dass wir Transschauspieler auf der Leinwand sehen sollten. Bei uns war es so, dass Trans-Menschen am Film beteiligt waren. Aber eine Transfrau, die wir uns als Schauspielerin vorstellen konnten, wollte nicht vor der Kamera stehen. Und wir suchten jemanden, der unsere Hauptfigur in einer respektvollen, eleganten und komplexen Art und Weise darstellen konnte. Das war einfach schwierig. Victor hat uns dann überzeugt. Er konnte so gut tanzen. Und dazu kommt ja: Lara ist nicht nur ein Transmädchen. Sie ist eine Tänzerin, sie ist eine Tochter und eine Schwester. Sie ist so viel. Und ich verstehe die Forderung nach Sichtbarkeit, aber wenn man sich das große Ganze ansieht, sollten wir uns dafür einsetzen, dass Transmenschen für alle Rollen berücksichtigt werden und nicht nur für Transrollen.
Burg: Wenn wir über Darstellung sprechen: Ich fand es interessant, wie Sie visuell arbeiten. Sie benutzen viele Spiegel und zeigen Lara in Reflexionen im Spiegel. Dadurch denken wir als Zuschauer auch darüber nach, wie wir auf Lara gucken und ihre körperliche Umwandlung. War das auch eine Art, mit dem potentiellen Voyeurismus auf Seiten der Zuschauer umzugehen?
Dhont: Für mich persönlich habe ich auch versucht, Voyeurismus dadurch zu vermeiden, dass wir eine entsprechende Distanz mit der Kamera eingehalten haben. Aber natürlich sind Spiegel und Spiegelungen sehr präsent im Ballett. Und sie sind auch wichtig in Laras Leben, da sie auf diese Weise mit der Wahrnehmung von außen und ihrem Bild von sich selbst konfrontiert wird. Das hat uns interessiert. Beim Ballett ist der Körper ja ganz zentral und wird Lara ständig zurückgespiegelt.
Wir wollten Lara dabei nicht von außen untersuchen wie ein Forschungsobjekt, wir wollten das Gefühl bei den Zuschauern schaffen, dass sie die Welt durch Laras Augen sehen. Wir wollten ihr ganz nahe sein. Wenn wir das als Feedback bekommen haben, war das das größte Kompliment.
Dhont: Ich verstehe das natürlich und es stimmt, dass wir Transschauspieler auf der Leinwand sehen sollten. Bei uns war es so, dass Trans-Menschen am Film beteiligt waren. Aber eine Transfrau, die wir uns als Schauspielerin vorstellen konnten, wollte nicht vor der Kamera stehen. Und wir suchten jemanden, der unsere Hauptfigur in einer respektvollen, eleganten und komplexen Art und Weise darstellen konnte. Das war einfach schwierig. Victor hat uns dann überzeugt. Er konnte so gut tanzen. Und dazu kommt ja: Lara ist nicht nur ein Transmädchen. Sie ist eine Tänzerin, sie ist eine Tochter und eine Schwester. Sie ist so viel. Und ich verstehe die Forderung nach Sichtbarkeit, aber wenn man sich das große Ganze ansieht, sollten wir uns dafür einsetzen, dass Transmenschen für alle Rollen berücksichtigt werden und nicht nur für Transrollen.
Burg: Wenn wir über Darstellung sprechen: Ich fand es interessant, wie Sie visuell arbeiten. Sie benutzen viele Spiegel und zeigen Lara in Reflexionen im Spiegel. Dadurch denken wir als Zuschauer auch darüber nach, wie wir auf Lara gucken und ihre körperliche Umwandlung. War das auch eine Art, mit dem potentiellen Voyeurismus auf Seiten der Zuschauer umzugehen?
Dhont: Für mich persönlich habe ich auch versucht, Voyeurismus dadurch zu vermeiden, dass wir eine entsprechende Distanz mit der Kamera eingehalten haben. Aber natürlich sind Spiegel und Spiegelungen sehr präsent im Ballett. Und sie sind auch wichtig in Laras Leben, da sie auf diese Weise mit der Wahrnehmung von außen und ihrem Bild von sich selbst konfrontiert wird. Das hat uns interessiert. Beim Ballett ist der Körper ja ganz zentral und wird Lara ständig zurückgespiegelt.
Wir wollten Lara dabei nicht von außen untersuchen wie ein Forschungsobjekt, wir wollten das Gefühl bei den Zuschauern schaffen, dass sie die Welt durch Laras Augen sehen. Wir wollten ihr ganz nahe sein. Wenn wir das als Feedback bekommen haben, war das das größte Kompliment.
"Nicht die gängigen Vorstellungen von Geschlecht und Identität"
Burg: Lara sieht manchmal wie ein Junge aus und manchmal wie ein Mädchen, manchmal wie beides gleichzeitig. Die Übergänge zwischen den Geschlechtern wirken fließend. Inwieweit ging es Ihnen auch darum, visuell mit diesen eindeutigen Genderzuschreibungen zu spielen und diese aufzubrechen?
Dhont: Wir spielen mit der Verbindung zwischen Geschlecht und Körper, die es in unserer Gesellschaft gibt. Der Körper eines Tänzers oder einer Tänzerin ist ja sehr trainiert, sehr sehnig, sehr manipuliert. Und beim Ballett ist die Geschlechterzuordnung sehr klar. Es gibt Männer und Frauen. Lara versucht sich, in dieser binären Welt zu positionieren. Aber ihr Körper erfüllt eben nicht die gängigen Vorstellungen von Geschlecht und Identität. Sie bricht das auf. Und wir haben zum Beispiel auch das Licht im Film ganz bewusst so eingesetzt, dass das noch mal deutlich wird, dass ihre Physiognomie eben auch diesen Konflikt zeigt. Das heißt, wir spielen im Film natürlich mit Zuordnungen.
Burg: Sie sagten, die Idee für den Film gab es bei Ihnen schon im Jahr 2009. Seitdem sind Transmenschen sehr viel präsenter in unserer Gesellschaft geworden. War es jetzt die richtige Zeit für einen Film?
Dhont: Timing ist natürlich sehr wichtig. "Girl" ist das Porträt eines Mädchens. Es ist nicht das Porträt einer Community. Und ich hoffe, es wird andere Geschichten geben. Ich glaube, dass sich etwas bewegt, dass wir Vorbehalte abbauen. Und ich hoffe, dass "Girl" dazu beiträgt. Wir versuchen, Vielfalt auf der Leinwand darzustellen.
Dhont: Wir spielen mit der Verbindung zwischen Geschlecht und Körper, die es in unserer Gesellschaft gibt. Der Körper eines Tänzers oder einer Tänzerin ist ja sehr trainiert, sehr sehnig, sehr manipuliert. Und beim Ballett ist die Geschlechterzuordnung sehr klar. Es gibt Männer und Frauen. Lara versucht sich, in dieser binären Welt zu positionieren. Aber ihr Körper erfüllt eben nicht die gängigen Vorstellungen von Geschlecht und Identität. Sie bricht das auf. Und wir haben zum Beispiel auch das Licht im Film ganz bewusst so eingesetzt, dass das noch mal deutlich wird, dass ihre Physiognomie eben auch diesen Konflikt zeigt. Das heißt, wir spielen im Film natürlich mit Zuordnungen.
Burg: Sie sagten, die Idee für den Film gab es bei Ihnen schon im Jahr 2009. Seitdem sind Transmenschen sehr viel präsenter in unserer Gesellschaft geworden. War es jetzt die richtige Zeit für einen Film?
Dhont: Timing ist natürlich sehr wichtig. "Girl" ist das Porträt eines Mädchens. Es ist nicht das Porträt einer Community. Und ich hoffe, es wird andere Geschichten geben. Ich glaube, dass sich etwas bewegt, dass wir Vorbehalte abbauen. Und ich hoffe, dass "Girl" dazu beiträgt. Wir versuchen, Vielfalt auf der Leinwand darzustellen.