Ostsee-Tragödie auf der Bühne
1999 sank der Fischkutter Beluga in der Ostsee. Die Besatzungsmitglieder starben - offiziell wegen "menschlichen Versagens". Nun bekommt der Fall, in dem Geheimdienste verwickelt sind, neue Aufmerksamkeit - durch das Stück "Beluga schweigt" am Rostocker Volkstheater.
Unterwegs vom Rostocker Stadthafen in die Ostsee: der 1957 gebaute und nun vom "Verein Technische Flotte" in Schuss gehaltene Ex-Schlepper "Petersdorf". Es ist ein kalter Januartag, und in den folgenden drei Stunden sollen einige Schauspieler vom Volkstheater Rostock ein Gefühl für den ähnlich großen und ähnlich gebauten Fischkutter SAS 104 "Beluga" bekommen. Der Grund: Sie werden das Stück "Beluga schweigt" auf die Bühne bringen.
Es basiert auf den Recherchen von Michael Schmidt und Lutz Riemann, Autoren des Buches "Der Fall Beluga - Ein Unglück auf der Ostsee und wie es vertuscht wurde".
"Wir vertreiben uns die Freizeit seit vielen Jahren damit, indem wir an dem Thema arbeiten. Ich hab die einfach noch mal mitgebracht, damit ihr wisst, dass es nicht abstrakt ist."
... sagt Michael Schmidt zu den Schauspielern und zieht drei alte Fotos aus einer Plastehülle.
"Das ist der Maschinist Hartmut Gleixner, der war damals Anfang 40. Das ist der Kapitän Frank Schneider, Anfang 30. Und als Letzter Martin Senfft, der Lehrling. Der war damals 17 Jahr alt. Seine Mutter ist heute noch - ich sag mal - psychisch krank, weil sie nicht über den Tod ihres Sohnes hinwegkommt. Und das sind Schicksale, die uns immer wieder anspornen, nicht lockerzulassen."
Denn die Seeämter Rostock und Hamburg sowie die Stralsunder Staatsanwaltschaft hatten seinerzeit "technische Unzulänglichkeiten" und "menschliches Versagen" festgestellt. Doch Michael Schmidt und Lutz Riemann entdeckten jede Menge Ungereimtheiten - etwa bei den Gutachten und bei der Interpretation der Wrackspuren. Auch der Vereinschef "Technische Flotte", Kapitän a.D. Michael Egelkraut, meint, dass der unbestritten rasche Untergang der 'Beluga' innerhalb von nur 60 Sekunden einige Varianten ausschließe:
"Wenn ein Schiff Leck schlägt, geht es nicht innerhalb weniger Minuten unter. Sind Ladungsverrutschungen die Ursache, deuten die sich auch an und nicht so schnell, dass das Schiff umschlägt. Und ich denke mal, die Kenterung des Schiffes innerhalb kurzer Zeit dürfte ein Fremdverschulden nicht ausgeschlossen sein."
Das Manöver "Jaguar" von Deutschland und Frankreich
Insider-Hinweise wiesen mit der Zeit Richtung Marine. Sicher ist inzwischen: In jener Märznacht 1999 führten die NATO-Partner Deutschland und Frankreich in einigen Gebieten von Ost- und Nordsee das Manöver "Jaguar" durch. Sechs Tage später sollten die Verbände zum Einsatz im damaligen Jugoslawien-Krieg auslaufen, dem ersten Krieg, an dem sich die Bundesrepublik Deutschland aktiv beteiligte und das ohne UNO-Mandat.
Mittlerweile spricht vieles dafür, dass der Sassnitzer Fischkutter in jenes Manöver geraten ist. Vermutlich wurde er durch ein 500 Meter langes Stahlseil in die Tiefe gerissen, das zwei parallel fahrende französische Schiffe zwischen sich gespannt hatten, um das Aufspüren und Entschärfen schwimmender Minen zu üben.
Ein tragisches Unglück, dessen Ursache noch immer vertuscht wird, meint Michael Schmidt. Das Militär habe dieses Gebiet nicht - wie vorgeschrieben – für die zivile Schifffahrt gesperrt und vermutlich zugleich sämtliche elektronische Kommunikation einschließlich Radaranlagen über diesem Gebiet lahmgelegt. Auch dies im Geheimen. Warum?
"Der Fall 'Beluga' sagt zumindest den Leuten an der Küste allen etwas in groben Zügen."
... sagt Yvonne Groneberg. Sie schrieb und inszenierte das Stück "BELUGA schweigt" für das Rostocker Volkstheater. Eine fiktive Geschichte rund um den Tod von Kapitän Schneider, Maschinist Dreixler und Lehrling Martin Senfft vor 17 Jahren in der Ostsee.
"Der Erik ist unser Hauptheld. Der ist 17, hat bei der Marine seinen lukrativen Ausbildungsvertrag erhalten. Kommt zu seiner Mutter, die die Freundin des Auszubildenden ist, der auf der BELUGA untergegangen ist. Das ist schon ´ne fiktive Behauptung. Die verbietet ihrem Sohn dann, zur Marine zu gehen, weil sie sagt: Die Marine hat deinen Vater umgebracht. Er wusste es nicht, weil sie all die Jahre geschwiegen hat. Und so beginnt nun die Ermittlung, eine Recherchereise des 17-jährigen Erik auf der Suche nach seinem Vater. Ganz konkret will er beweisen, dass die Marine nicht Schuld hatte."
Heute Abend hat "Beluga schweigt" von Yvonne Groneberg Premiere. Zudem will der Petitionsausschuss des Bundestages den Untergang der 'Beluga' neu aufrollen. Gut so, meint der Journalist und Buchautor Michael Schmidt.
"So ein Thema muss am Leben erhalten werden, denn es geht um drei tote Menschen."