Benjamin von Stuckrad-Barre: "Ich glaub mir geht´s nicht so gut…"

Protokolle eines hyperaktiven Romantikers

Buchcover "Ich glaub mir geht´s nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen" von Benjamin von Stuckrad-Barre, im Hintergrund eine Schallplatte auf einem Plattenspieler
Popkultur neu zusammengesetzt wie bei einem DJ-Set: Die dritte Folge von Stuckrad-Barres Remix-Reihe ist jetzt zu haben. © Verlag Kiepenheuer & Witsch / unsplash.com / Luke Chesser
Von Gesa Ufer |
Von Boris Becker bis TV-Pfarrer Fliege: In seinem dritten Remix-Band berichtet Benjamin von Stuckrad-Barre über Begegnungen mit Personen des öffentlichen Lebens. Dabei hätte dem ungekrönten König des Popjournalismus etwas mehr Abstand gut getan, urteilt unsere Rezensentin.
Popkultur gründlich beobachtet und analysiert, geschüttelt, gerührt und neu zusammengesetzt wie bei einem guten DJ-Set. Dieses Verfahren wendet Benjamin von Stuckrad-Barre nach Remix 1 und 2 nun also auch im neuen Remix 3-Band unter dem schönen Titel: "Ich glaub mir geht´s nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen" an.

Begegnungen mit Personen des öffentlichen Lebens

Inzwischen wissen wir: Die Texte aus den ersten beiden Bänden entstanden in Zeiten, in denen der nach eigenen Angaben größte Udo-Lindenberg-Fan aller Zeiten mehr durchs Leben stolperte als dass er ging, nachbereitet in seinem grandiosen Sucht- und Absturzprotokoll "Panikherz", das vor zwei Jahren erschien. Nun also 27 Protokolle nüchterner Begegnungen mit Personen des öffentlichen Lebens, die mal mehr, mal weniger im Gedächtnis geblieben sind.
Fernsehpfarrer Fliege zum Beispiel hatte man schon fast wieder vergessen, liest aber hoch amüsiert von der Begegnung mit dem dubiosen Gottes- und Geschäftsmann, nach der Benjamin von Stuckrad-Barre reflexhaft prüft, ob sein Portemonnaie noch in der Hosentasche sitzt.
Grandios auch die Hommage an einen Text von Jörg Fauser. "Rohstoff", der - wie Stuckrad-Barre schwärmt - "wohl beste in deutscher Sprache verfasste Drogen-Roman" hat ihn bereits als 20-Jährigen fasziniert und in seiner Radikalität sicher entscheidend mitgeprägt.
Autor Benjamin von Stuckrad-Barre bei der Präsentation seines Buches "Panikherz" im PBHF Club im Postbahnhof am Ostbahnhof in Berlin Mitte. 
Benjamin von Stuckrad-Barre liest aus seinem Buch "Panikherz"© picture alliance / dpa / XAMAX

Wenig Abstand, viel Bewunderung

Mit dem Popjournalismus allerdings ist und bleibt das so eine Sache. Sich in teilnehmender Beobachtung an Promis heranzuwanzen, um sich dann über sie herzumachen, das birgt die Gefahr, sich eben doch vom Ruhm und Klang der "big names" korrumpieren zu lassen. Und obwohl Stuckrad-Barre in all diesen Protokollen seine Rolle stets mitreflektiert, möchte man ihm oft mehr Abstand und weniger Bewunderung für seinen Forschungsgegenstand wünschen.
Boris Becker etwa bleibt für ihn - trotz aller dubiosen Steuermachenschaften - "ein Held", oder ein Konzert von Madonna wird mit einer Akribie auseinandergenommen, die dieser Künstlerin so schon lange nicht mehr gebührt.
Als sich Benjamin von Stuckrad-Barre an einer Stelle über den Autor Rainald Goetz erhebt, und ihn einen "überdrehten, immer aufgeregt fotografierenden, notierenden 60-Jährigen", nennt, den "jegliche Art von Prominenz ausrasten" ließe, wie "den letzten Bunte-Abonnenten", da ertappt sich der Leser dabei, nur graduelle Unterschiede zu Stuckrad-Barre selbst zu erkennen.

Selbstinszenierung auf allen Kanälen

Zwar versucht dieser so talentierte wie hyperaktive Romantiker, die Popkultur wo er nur kann als notcool und ironieverseucht zu enttarnen. Gleichzeitig wird er aber immer wieder selbst in ihren Bann gezogen.
Und so passt nur zu gut ins Bild, dass Benjamin von Stuckrad-Barre sein neues Buch bereits seit Wochen bei Instagram von lauter hippen, ungemein prominenten Buddys bewerben lässt, während er selbst - so können wir uns dank seiner grandiosen Selbstinszenierung auf allen sozialen Kanälen zusammenreimen, offenbar außer Landes weilt: Der ungekrönte König des Popjournalismus residiert derzeit im legendären Chateau Marmont in Hollywood. Warum, möchte man fragen, hat er das nötig?

Benjamin von Stuckrad-Barre: "Ich glaub mir geht´s nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen. Remix 3"
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018
320 Seiten, 20 Euro

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