"Beratung ist ein Verkaufsgespräch"

Wieslaw Jurczenko im Gespräch mit Frank Meyer |
"Ein sehr düsteres Bild" nennt der Rechtsanwalt Wieslaw Jurczenko das Ergebnis einer Studie der Stiftung Warentest. Sie hat die Anlageberatung verschiedener Banken negativ bewertet. Jurczenko fordert mehr Honorarberatung, bei der der Berater nicht nur durch den Verkauf verdient.
Frank Meyer: In unserem Studio in Frankfurt am Main ist jetzt Wieslaw Jurczenko. Er ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Wertpapierrecht und bis vor Kurzem war er Leiter der Abteilung Risikomanagement einer internationalen Großbank. Herr Jurczenko, eine große Blamage war das für die Banken, diese Untersuchung der Stiftung Warentest. Hätten Sie denn nach all der Kritik an den Banken und nach all den Besserungsversprechen der letzten Jahre mit einem besseren Ergebnis gerechnet?

Wieslaw Jurczenko: Ich hätte zumindest in Teilen mit einem besseren Ergebnis gerechnet, und das betrifft zumindest den Teil, der mich am meisten überrascht hat, nämlich die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Hier geht es um den Teil, wo eben die Anlageziele des Kunden ermittelt werden sollen, die Kenntnisse und Erfahrungen und Ähnliches. Hier zeigt sich ein sehr, sehr düsteres Bild, das hat mich wirklich ein bisschen irritiert, denn diese gesetzlichen Vorgaben existieren schon sehr lange und werden anscheinend in den Banken in der Ausbildung nicht hinreichend an den Mann gebracht, also da scheint ein Ausbildungsproblem in der Fläche zu bestehen. Des Weiteren sehe ich auch hier ein Problem in der Prüfung. Banken werden jährlich überprüft im Rahmen der sogenannten WPHG-Prüfung, das ist die Einhaltung des Wertpapierhandelsgesetzes, die hier überprüft wird. Und das scheint nicht effektiv genug zu sein offensichtlich, denn hier hätten Prüfer schon länger mal durchgreifen können, wenn sie wollten.

Meyer: Ein Kernproblem, so hört man das immer, sei bei unseren Bankberatungen, dass es bei uns so organisiert ist, der Berater verdient ja an dem Produkt, das er mir verkauft, also an der Provision, die er dafür einstreichen kann, er verdient eigentlich nicht an der Beratung, die er für mich macht. Ist das auch aus Ihrer Sicht das Kernproblem?

Jurczenko: Das ist ganz sicher ein Teil des Problems, dem man sich etwas stärker widmen sollte, das ist der weniger überraschende Teil an dem Testergebnis für mich. Wie Sie richtig sagen, ist Anlageberatung ja eigentlich kostenlos. Traditionell ist es eine ganz kostenlose Geschichte – ich kann zu jeder Bank hin, mich beraten lassen und gehe wieder raus. Natürlich muss die Bank irgendein Geld verdienen, sie muss von irgendetwas leben, also lebt sie von den Produkten, die sie mir vertreibt. Und damit kommt es zu der Situation, dass der Kunde im Grunde genommen, da er nicht für die Anlageberatung bezahlt, vom Produkt der Anbieter bezahlt wird. Und damit ist irgendwo die Richtung immer etwas klarer vorgegeben. Der Berater wird letzten Endes dann auch in seinem Erfolg an den Provisionen gemessen, die er generiert, aber nicht vielleicht Beratungshonorare, wie man es zum Beispiel machen könnte. Es gibt ja in gewissen Nischen mittlerweile die Honorarberatung, wo der Kunde den Berater dafür bezahlt, dass er eine Beratung bekommt.

Meyer: Meinen Sie, das sollte man flächendeckend einführen, die Honorarberatung?

Jurczenko: Also ich würde sagen, dass Banken gut beraten wären, das als alternatives Angebot neben die herkömmliche Beratung zu stellen, denn die herkömmliche Beratung ist nichts anderes als ein Verkaufsgespräch, das müssen wir ganz klar konstatieren. Und der Grund liegt eben in der kostenlosen Beratung. Es gibt in bestimmten Kundensegmenten mittlerweile doch einiges an Honorarberatung. Und es gibt sie in verschiedenen Nischen schon, da ist sie auch relativ erfolgreich und orientiert sich von daher schon mal ein bisschen stärker am Kunden, weil der Kunde für die Beratung bezahlt.

Meyer: Jetzt ist aber auch ein Teil des Problems, dass der Kunde diese Honorarberatung offenbar sehr wenig nachfragt, weil er, weiß nicht, da nicht interessiert ist oder an das alte kostenlose Beratungsgespräch gewöhnt ist. Also ist der Kunde, sind wir alle auch selber Schuld, weil wir da nicht auf die Durchsetzung unserer Interessen achten?

Jurczenko: Das ist ein bisschen komplizierter zu sehen. Es ist natürlich so, im Grunde genommen wissen sehr viele Kunden nicht unbedingt genau, wie die Ertragsströme da laufen in dem Moment, wo zum Beispiel Anlageempfehlungen ausgesprochen oder Produkte gekauft werden. Aber in der Tat, es ist eine Gewohnheitssache. Man hat sich daran gewöhnt, dass man für den Steuerberater, für den Rechtsanwalt, auch beim Arzt zahlt man natürlich auch immer eine Honorarberatung letzten Endes, aber im Bankbereich hat es sich eben nicht durchgesetzt bislang, und es ist einfach an den Banken, dieses Thema mal in den Markt zu bringen. Es gibt verschiedene Häuser, die das bereits gestartet haben aus verschiedenen Gründen – finde ich gut –, und man sollte mal einfach abwarten, was da passiert. Allerdings muss ich eine Einschränkung machen: Wenn Berater handwerklich nicht gut genug ausgebildet sind, wie wir hier gesehen haben, dass sie wenigstens das Risikoprofil eines Kunden sauber erheben, dann wird auch die Honorarberatung daran nicht viel ändern.

Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sprechen über die neue Untersuchung der Stiftung Warentest. 21 Banken wurden überprüft, das Testergebnis in den Worten der Stiftung Warentest: eine große Blamage für die Banken. Und darüber sprechen wir mit Wieslaw Jurczenko, er ist Rechtsanwalt, spezialisiert auf Wertpapierrecht. Ein großes Problem ist ja die Information der Kunden über die Risiken ihrer Anlagen, die sie da eventuell kaufen. Die Stiftung Warentest sagt, ihre Tester waren schockiert davon, was die Berater in Sachen Anlagesicherheit erzählt haben. Nun haben Sie gearbeitet in einer internationalen Großbank, genau in so einer Abteilung, Risikomanagement. Erklären Sie uns doch mal: Wie funktioniert das mit der Risikobewertung von Geldanlagen, die man an die Kunden weiterverkaufen will?

Jurczenko: Also jedes Haus hat in aller Regel für die Instrumente, die es vertreibt oder die es im Empfehlungsportefeuille hat, sogenannte Risikostufen. Das können drei sein, von konservativ bis spekulativ, da können aber auch sechs sein, das ist relativ frei gegeben. Drei sind so im Minimum, die meisten haben irgendwas zwischen fünf und sechs. Bevor ein Produkt in den Vertrieb geht, in den aktiven Vertrieb muss man sagen – denn der passive Vertrieb, das heißt der Kunde fragt ein Instrument nach, der muss natürlich auch immer möglich sein –, wird es in aller Regel von einer unabhängigen Abteilung, wenn es gut läuft, wird es praktisch bewertet, da wird dem Produkt eine Risikostufe zugeordnet, die auch zu den Risikostufen im Risikoprofil passt. Das heißt, wenn der Berater am Ende den Kunden praktisch sauber befragt hat und ein Risikoprofil erstellt hat, hat er eine gewisse Auswahl an Produkten, die er diesem Kunden anbieten kann.

Meyer: Und wird dieses intern festgestellte Risikoprofil einer Geldanlage, wird das auch aufrichtig dem Endkunden so weitergegeben?

Jurczenko: Nun, es ist natürlich verständlich, dass es da immer wieder Diskussionen gibt, wenn eine unabhängige Abteilung beispielsweise ein Produkt mit einer sehr hohen Risikostufe belegt, weil es eben die Ausfallrisiken für entsprechend hochhält, ist da immer ein bisschen Diskussion mit dem Vertrieb gegeben, weil der das natürlich als Vertriebshindernis sieht. Es gibt nicht so viele risikobereite Kunden, um ein solches Produkt entsprechend abzusetzen. Andererseits, da gibt es auch Rechtsprechungen, und an die muss man sich halten, denn sonst werden die Haftungsrisiken schlicht unendlich.

Meyer: Mehr Transparenz, gerade auch in solchen Bereichen, will nun die Verbraucherministerin Ilse Aigner schaffen, notfalls per Gesetz, hat sie heute in einem Interview angekündigt. Bisher hatte sie sich immer gegen gesetzliche Regelungen in diesem Bereich eher gesträubt. Für wie sinnvoll halten Sie denn weitergehende rechtliche, gesetzliche Regelungen jetzt in diesem Bereich?

Jurczenko: Nun, es wird sehr darauf ankommen, was Frau Aigner hier auf den Tisch legt. Es ist so, wir sehen ja, dass wir heute durchaus Regulierungen haben, die Banken sind einer der am dichtesten regulierten Sektoren. Und wir sehen auch, dass es Berater gibt oder Bankangestellte, die schlicht diese gesetzlichen Vorgaben nicht einhalten. Insoweit wäre es für meine Begriffe erst mal ein wichtiger Schritt, die bestehenden Regelungen effektiv durchzusetzen und dann im Weiteren durchaus mal über Weiterentwicklung nachzudenken. Das ist ein Thema, mit dem man sich vielleicht auch eher mal beschäftigen sollte.

Meyer: 21 deutsche Banken und Sparkassen haben sich blamiert bei der Untersuchung der Stiftung Warentest zur Qualität der Beratungsgespräche in der Bank. Und darüber habe ich gesprochen mit Wieslaw Jurczenko. Er ist Rechtsanwalt, spezialisiert auf Wertpapierrecht. Herr Jurczenko, vielen Dank für das Gespräch!

Jurczenko: Gerne!
Mehr zum Thema