Verpachten nach ökologischen Standards
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Pestizidverzicht, Insektenschutz oder Ökoanbau: Solche Maßnahmen können die Verpächter landwirtschaftlicher Flächen in Pachtverträgen festschreiben - ökologisches Know-how liefert dabei "Fairpachten". Doch manche Bauern müssen noch überzeugt werden.
Christine Jantzen kocht in der Küche ihres alten Backsteinhauses Kaffee und Tee. Trägt die Becher hinaus auf die Terrasse. Sie holt noch einen Krug Wasser und setzt sich zu Karoline Brandt an den alten Holztisch. Beide Frauen verbindet eine Idee: die naturfreundliche Bewirtschaftung des Bodens.
"Das ist insektenfeindlich, habe ich mir hier hingeschrieben", sagt Christine Jantzen und wendet sich dabei Karoline Brandt zu. "Musst du mir also gesagt haben."
Christine Jantzen ist Kirchenälteste in Kieve-Wredenhagen, südlich der Müritz, in Mecklenburg-Vorpommern. Der Kirchengemeinde gehören 180 Hektar Land. Es so zu verpachten, dass auch die Umwelt profitiert, das ist das Ziel. Dabei unterstützt Karoline Brandt, Leiterin des Projekts "Fairpachten" bei der NABU-Stiftung:
"In Bezug auf die Insekten, dass dann die Insekten alle geschreddert werden und wenn wir eine bestimmte Höhe haben, dann lassen sich die Insekten auch fallen und finden noch Schutz oder auch viele andere Arten."
"Fairpachten" ist ein kostenloses Beratungsangebot für alle, die landwirtschaftliche Flächen verpachten. Und in neu auszuhandelnde Pachtverträge ökologische Kriterien einfließen lassen möchten. Karoline Brandt erklärt:
"Wir gehen genau da auf die Flächen individuell ein, ob da Biotope in der Nähe sind, sind da Gewässer, lohnt sich da z.B. ein Schutz der Gewässer mit einem entsprechenden Randstreifen, der nicht gespritzt oder gedüngt wird. Sind da Hecken, wo sich vielleicht auch ein Randstreifen zum Schutz der Hecken lohnen würde? Wie groß sind die Schläge, kann man vielleicht auch daran denken, mit Hilfe eines Blühstreifens innerhalb des Schlages den Schlag zu teilen?"
Ist der Acker auch klein, jeder wird beraten
Blühstreifen, Kiebitzinseln, Heckenpflanzen, mehrgliedrige Fruchtfolge, Pestizid-Verzicht – 30 unterschiedliche Maßnahmen umfasst das Beratungsangebot. Je nachdem, welche Naturschutzziele der Verpächterin wichtig sind: Bienenschutz etwa, Tierwohl oder gar Umstellung auf Öko-Anbau. Beraten wird jeder.
"Auch, wenn ich einen Hektar oder vielleicht nur einen halben Hektar habe, kann man sich bei uns melden, da würde ich betonen wollen, da ist jeder kleine Schritt wichtig."
Ob Privateigentümer, Kommunen oder Kirchengemeinden, Stiftungen oder Unternehmen – bundesweit sind fünf RegionalberaterInnen im Einsatz. Sie sollen die Eigentümer so informieren, dass diese gut vorbereitet in die Verhandlungen mit den Landwirten gehen. Täglich erreichten die Beraterinnen Anfragen, so Projektmanagerin Brandt. Wie erfolgreich die Gespräche am Ende sind, bleibt offen.
"Grundsätzlich halten wir uns da aus diesen Vertragsverhandlungen heraus, d.h. wir werden da nicht automatisch informiert, ob am Ende Maßnahmen in den Pachtvertrag übernommen werden oder nicht. Das ist auch komplett freigestellt, es gibt aber viele, die wir beraten haben, die sich dann auch melden und das zurückspiegeln, weil sie das gerne wollen. Und auch sagen: So, das gab jetzt einen Erfolg."
Landwirte: Aus Angst vor weiteren Einbußen misstrauisch
Seit 2018 gibt es das Projekt "Fairpachten", das bis zum Ende der Laufzeit 2023 mit 1,1 Millionen Euro aus dem Bundesumweltministerium unterstützt wird. Von Anfang an stieß das Beratungsangebot auf Misstrauen bei Landwirten, schließlich seien die Grundeigentümer doch "fähig und mündig" genug, um mit ihren Pächtern zu verhandeln, lautete eine Kritik. Viele Bauern stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand, fürchten Umsatzeinbußen durch zusätzliche Maßnahmen. Doch immer wieder gebe es auch positive Reaktionen, sagt Karoline Brandt.
"Das habe ich schon öfter gehört – dass der Landwirt gesagt hat: Mensch, ich wollte da sowieso schon immer mal was machen. Gut, dass du mir den Anstoß gibt’s, jetzt können wir ja mal darüber reden, gerne auch im Pachtvertrag, und wir handeln da was aus."
Christine Jantzen sitzt daneben und nickt. Das sind auch ihre Erfahrungen. 180 Hektar gehören der Kirchengemeinde. Bewirtschaftet werden sie von zehn Landwirten, die meisten im Haupterwerb. Immer wenn ein Pachtvertrag ausläuft, wird ein neuer, ökologisch optimierter angeboten:
"Wir machen immer zwölf Jahre, damit die Landwirte auch ein bisschen Planungssicherheit haben. Und die zwei, die noch kommen, da sehe ich das auch nicht als Problem. Also wir hatten zwei, drei Flächen, wo wir es als sehr heikel erachtet haben – war aber auch kein Problem."
Mehr Wissen durch Beratung
Vor gut zehn Jahren begann die Kirchengemeinde, die ersten Pachtverträge umzustellen. Zunächst ergänzt um fünf ökologische Kriterien, die man selbst entwickelt hatte. In den letzten Jahren aber auch mit Hilfe von "Fairpachten". Und die Verpächterinnen lernen dazu - zum Beispiel, wie häufig eine Wiese gemäht werden darf:
"Wir hatten damals nur gesagt, 20. Mai, weil uns die Ornithologen gesagt haben: dann ist die erste Brut durch. Aber dass eben maximal zwei Mal gemäht wurde, war uns als Laien auch gar nicht so bewusst, dass es manchmal drei und vier Mal sind und dass man im Grunde auf den Flächen nichts groß kriegt."
Künftige Pachtverträge werden nun entsprechend nachgebessert. Christine Jantzen, die auch Bürgermeisterin von Kieve ist, betont, wie wichtig es sei, das Gespräch mit den Landwirten zu suchen. Sie lacht und denkt an einen ganz bestimmten Bauern im Dorf:
"Ich kriege immer die Bauernzeitung reingesteckt, darin angestrichen, wie toll Glyphosat ist und er kriegt dann die Geo, wo mal wieder nachgewiesen ist, dass die Insekten alle sterben – bisschen übertrieben, aber man muss die Meinung des anderen kennen, aber dann darf man auch, wenn man das dann ausgereizt hat, sagen: Ich will es trotzdem nicht mehr – das ist das Ziel."
Folgen der öko-optimierten Verträge sind sichtbar
Bislang sind so gut wie alle Pächter auf die neuen Verträge eingestiegen, sagt Christine Jantzen. Vermutlich hilft, dass die Kirchengemeinde eine vergleichsweise moderate Pacht verlangt. Mittlerweile kann sie auf den Feldern auch eine Folge der öko-optimierten Pachtverträge erkennen. Auf ihrer täglichen Hunde-Runde. Rechts ist Kirchenland und links wirtschaftet ein ortsansässiger Bauer. Und zwar ohne die Untersaat, die fürs Kiever Kirchenland vorgeschrieben ist.
"Und wenn der Sturm kommt, dann sehe ich auf dem linken Feld wunderbar den Humus in den Wald abdriften, weil es wirklich unglaublich wegfliegt. Und der rechte hat seine Untersaat und es liegt. Und das erzähl ich gerne den Leuten, dann sagt ich: Geht einmal dahinten lang, guckt es euch an, das ist der Unterschied."