Berit Glanz: "Automaton"
Berlin Verlag, Berlin
288 Seiten, 22 Euro
Berit Glanz: "Automaton"
Mit "Automaton" wollte Berit Glanz herausfinden, was passiert, wenn man die Erwartungen der Leserinnen und Leser nicht erfüllt. © María Rúnarsdóttir / Piper Verlag
"Es ist sehr leicht, Technik irgendwie dystopisch zu erzählen"
10:42 Minuten
Wenn es um die digitale Zukunft geht, werden gerne Dystopien im bedrohlichen Überwachungskapitalismus geschaffen. In "Automaton" zeigt Berit Glanz, dass es auch anders geht. Für die Recherche hat sie selbst als Clickworkerin gearbeitet.
Tiff ist die Heldin von "Automaton", dem neuen Roman der "Pixeltänzer"-Autorin Berit Glanz. Sie ist eine sogenannte Clickworkerin - eine Person, die unter prekären Arbeitsbedingungen für Digitalunternehmen arbeitet. Zum Beispiel als Content-Cleanerin für ein Soziales Netzwerk, bei dem sie Bildmaterial sichten und moderieren musste, was bei ihr Angststörungen ausgelöst hat.
Dass Tiff sich dabei ihren Namen mit einem populären Format für Bilddateien teilt, ist kein Zufall. Doch neben der inhaltlichen Verbindung, ist es auch eine Referenz zu einem Filmklassiker, erklärt Glanz: "Es gibt ja diesen Film 'Das Fenster zum Hof' (von Alfed Hitchcock, Anm.d.Red.), in dem jemand in der analogen Welt aus dem Hinterhoffenster einen Mord beobachtet, weil er nicht aus seinem Bett raus kann. Und das ist ja in meinem Roman so ein bisschen versetzt in die digitale Sphäre. Dort heißt der Protagonist Jeff. Da dachte ich: Das ist eigentlich auch eine schöne Anspielung."
Nicht die Erwartungen erfüllen
In ihrem aktuellen Job muss die Protagonistin mit anderen über die Welt verteilten Clickworkerinnen Überwachungsvideos auswerten. Dabei beobachtet sie, wie ein Mensch verschwindet. Was klingt, wie der Start eines techno-dystopischen Thrillers, entwickelt sich allerdings in eine ganz andere Richtung.
Berit Glanz sagt, dass es ihr darum ging, die typischen Erwartungen an eine solche Geschichte nicht zu erfüllen. Dass eine Situation zwar schlimm sei, aber durch soziale Beziehungen, sowohl virtuelle als auch reale, zu einem erträglichen Ende kommen kann: "Es ist sehr leicht, Technik irgendwie dystopisch zu erzählen. Das ist ja auch unglaublich etabliert. Technik ambivalent zu erzählen, also zu sagen, es gibt sehr negative Seiten, aber es gibt eben auch positive Seiten, das war der Versuch."
Eigenerfahrung als Clickworkerin
Um die Geschichte zu erzählen, hat Glanz selbst für die Recherche als Clickworkerin gearbeitet und unter anderem Bilder klassifiziert, mit denen künstliche Intelligenzen trainiert werden sollen. In "Automaton" geht es auch darum, wie eine Firma ihre prekär beschäftigten Angestellten nach außen hin als KI verkauft. Etwas, das so auch in der Realität passiere, erzählt Glanz.
Die Autorin und studierte Skandinavistikerin lebt mittlerweile selbst mit ihrem isländischen Mann in Reykjavik – was zu angenehmen Schreibsituationen führe: "Es gibt ja eine große Literaturtradition in Island. An die kann man natürlich anknüpfen. Es ist ganz angenehm, weil mein Alltag überwiegend in einer anderen Sprache stattfindet. Dann ist Schreiben in meiner Sprache so ein bisschen mein Bereich. Das ist eigentlich ganz schön für mich gerade."
(hte)