Berlin

AfD-Beschwerde gegen eine Ausstellung zu rechter Gewalt

04:57 Minuten
Raumansicht der Ausstellung "Immer wieder - extreme Rechte und Gegenwehr in Berlin seit 1945", aufgenommen 2019
Der Text unter der Schautafel "Straßenproteste" in der Ausstellung "Immer wieder - extreme Rechte und Gegenwehr in Berlin seit 1945" sorgt seit Wochen für Beschwerden von der AfD. © Maja Wypychowska
Von Manfred Götzke |
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Die Ausstellung "Immer wieder - extreme Rechte und Gegenwehr in Berlin seit 1945" tourt derzeit durch Berlin. Im Rathaus Neukölln sorgte sie für Proteste der AfD. Weil die Partei selbst Gegenstand ist, wollte sie Teile der Ausstellung verhindern.
"Genau, das ist jetzt die Tafel zum Thema Rechtsterrorismus."
Kilian Behrens bleibt an der Schautafel "Rechtsterrorismus" stehen. Sie erzählt vom Anschlag auf den Berliner Buchhändler Klaus Baltruschat. 1997 in Marzahn niedergeschossen vom Neonazi Karl Diesner.
"Das erinnert stark an den Fall Lübcke, das sind dann immer wieder die aktuellen Bezüge, die man in einer Ausstellung hat, die man natürlich nicht einplant…"
Die Schautafel ist Teil der Ausstellung "Immer wieder - extreme Rechte und Gegenwehr in Berlin seit 1945". Mit Fotos, Zeitungsausschnitten und Audios stellen die Ausstellungsmacher auf weißen Holz-Aufstellern Aspekte rechtsextremer Politik und rechtsextremer Gewalt in 70 Jahrzehnten nebeneinander. Ziehen Parallelen von 1945 bis heute.
"Zehn Stationen, die sich unterschiedlichen Themenfeldern der extremen Rechten widmen, die wir hier vorstellen und dabei auch versucht haben einen Gang durch die Jahrzehnte möglich zu machen und gleichzeitig auch versucht haben darzustellen, wie Widerstand gegen die extreme Rechte ausgesehen hat."

Eine Schautafel sorgte für Kritik seitens der AfD

Historiker Behrens kommt zur letzten Schautafel der Ausstellung. "Straßenproteste" haben sie sie genannt. Zu sehen sind Bilder von Neonazi-Aufmärschen aus den 00er-Jahren, eine "Nein zum Heim"-Demo der NPD - daneben ein Bild einer "Merkel Muss Weg"-Demo. Der Text unter dem Bild sorgt seit Wochen für Gegenwehr – von der AfD.
"Der Text lautet: ‚Seit März 2016* organisiert die Gruppe ‚Wir für Deutschland‘ Demonstrationen in Mitte. Unter dem Motto ‚Merkel muss weg‘ richten sie sich gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Die Proteste radikalisieren sich zunehmend und sind infolge überwiegend neonazistisch geprägt. Weiterhin nehmen aber auch AfD-Mitglieder und bürgerliche Rassistinnen und Rassisten teil.‘"
Neben den Bildern der "Merkel muss weg Demo" wird eine Rede des Berliner AfD-Abgeordneten Thorsten Weiß auf einer Parteikundgebung von 2015 abgespielt.
"Wir sehen mit wachen Augen, dass diese, unsere Heimat von einer realitätsfremden, volksfeindlichen und überheblichen Politikerkaste mit Vollgas gegen die Wand gefahren wird…"
Behrens und seine Ko-Kuratoren dokumentieren, sie werten und interpretieren in der Ausstellung nicht.
"Wir erheben hier keine Vorwürfe, die wir nicht belegen können, teilweise sind wir sehr vorsichtig, wie wir die AfD hier darstellen. Doch offenbar reicht das immer noch aus, dafür dass sich die Afd provoziert fühlt."

AfD-Beschwerde vom Verwaltungsgericht abgewiesen

Als die Tafeln im Foyer des Bezirksrathauses in Neukölln zu sehen waren, legte die AfD Beschwerde beim Berliner Verwaltungsgericht ein. AfD-Vizefraktionschef Ronald Gläser sah und sieht das Neutralitätsgebot verletzt.
"In dieser Ausstellung wird eine Assoziationskette NSDAP, NPD, AfD aufgemacht. Zweitens: dieser Verein wird aus Steuermitteln finanziert, da kann er nicht so hetzen wie es hier geschieht. Für ihn gilt ein Neutralitätsgebot. Damit darf keine Parteipolitik betrieben werden. Drittens: ein Rathaus ist ein öffentlicher Ort, da hat linke Propaganda nichts zu suchen, schon gar nicht, wenn das Rathaus zeitgleich als Wahllokal dient. Da darf dann nichts hängen, was gegen die AfD gerichtet ist, da darf aber auch kein ‚Merkel muss weg‘-Plakat hängen."
Detailansicht von Schautafeln in der Ausstellung "Immer wieder - extreme Rechte und Gegenwehr in Berlin seit 1945", aufgenommen 2019
Das Vorgehen gegen die Ausstellung sei nur eine von vielen Versuchen der AfD, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema extreme Rechte zu verhindern, sagt der Kurator.© Maja Wypychowska
Die AfD hatte mit ihrer Kritik zunächst Erfolg: Vor der Europawahl wurden die Tafeln, die sich mit der AfD befassen, vorsorglich abgenommen. Am Tag nach der Wahl war die Ausstellung allerdings wieder komplett zu sehen. Die Beschwerde der AfD wies das Gericht zurück.
Zitat: "Allein die Tatsache, dass die Ausstellung in Räumen des Rathauses Neukölln stattfindet, rechtfertigt es nicht, Inhalte der Ausstellung als amtliche Äußerungen von Mitgliedern des Bezirksamtes anzusehen."
Inzwischen hat die Partei Berufung eingelegt.

Kurator: AfD mit Strategie durchaus erfolgreich

Die Verwaltungsbeschwerde ist nicht der erste Versuch der AfD, eine kritische Auseinandersetzung zu verhindern, erzählt Behrens.
"Was wir hier in Berlin erleben, ist, dass die AfD gegen Projekte, die zum Thema extreme Rechte arbeiten, die auch vom Senat vom Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus gefördert werden, immer wieder angegriffen werden von der AfD – indem man zum Beispiel die Expertise infrage stellt. Wir wurden zum Beispiel schon mal als stalinistisch bezeichnet."
Selbst wenn die Gerichte, Klagen und Beschwerden der Partei oft abweisen, sei die AfD mit dieser Strategie durchaus erfolgreich. Manche Institutionen würden sich künftig zweimal überlegen, ob sie AfD-kritische Inhalte zeigen.
"Dass Leute teilweise schon Angst haben, ihre Arbeit richtig zu machen. Wenn man die extreme Rechte und Rassismus und Antisemitismus in Berlin benennen will, muss man auch über die AfD reden: Das ist dann Teil der Arbeit. Wenn man aber ständig damit rechnen muss, dass man dafür öffentlich diffamiert wird, überlegt man sich das natürlich."
* An dieser Stelle haben wir eine inhaltliche Korrektur vorgenommen.
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