Der Speckgürtel rund um die Hauptstadt boomt
Von der engen Großstadt ins grüne Umland: Immer mehr Familien ziehen von Berlin nach Brandenburg. Die Kommunen im Speckgürtel blühen auf - und stehen angesichts des Bevölkerungszuwachs vor neuen Herausforderungen.
Eine schmucklose Halle in einem kleinen Gewerbegebiet in Dahlewitz, Landkreis-Teltow-Fläming, 30 Kilometer südlich vom Berliner Alexanderplatz: "Jouis Nour" hat der umtriebige Gründer Bernhard Klapproth seine Bio-Lebensmittelproduktion genannt. Heute wird das funkelnagelneue Werk eingeweiht - in Anwesenheit des Brandenburger Finanzministers. Auch Vertreter des Landkreises und der Gemeinde sind gekommen. Bernhard Klapproth trägt zu diesem feierlichen Anlass einen Trachten-Janker seiner bayerischen Heimat. Warum er mit seinem Betrieb nach Dahlewitz gegangen ist?
Bernhard Klapproth: "Brandenburg hat sich aus meiner Sicht unheimlich gemausert. Als wir einen neuen Standort gesucht haben, haben wir angefragt in Berlin, wir haben angefragt in Brandenburg. In Berlin hat's lang gedauert, in Brandenburg ging’s einfach schnell. Die Genehmigung ging innerhalb von vier, sechs Wochen durch. Die Leute waren innovativ, die hatten Interesse an uns, an dem, was wir tun und natürlich auch an den Arbeitsplätzen, das ist klar, aber so sind wir hier gelandet und sind ganz glücklich damit."
Finanzminister Christian Görke von der Linken freut sich: Das ist mal ein Termin nach seinem Geschmack. Ein Unternehmer aus der Trendbranche Bio-Food, der jetzt auch noch vor versammelter Mannschaft die rot-rote Landesregierung lobt.
Bernhard Klapproth: "Jedes Mal, wenn ich was brauche hier in Brandenburg, kriege ich es schnell und effizient. Von Genehmigungen über auch natürlich Unterstützung durchs Land Brandenburg. Wir sind zum Beispiel GRW gefördert worden und Ähnliches. Alles ging reibungslos und sehr gut. Da möchte ich mich auch mal für bedanken."
GRW - das ist ein Wachstumsprogramm für kleine Unternehmen der Investitionsbank des Landes. Klapproths "Jouis Nour" produziert hier in Dahlewitz Tiefkühl-Snacks in Bio-Qualität und Salate zum Mitnehmen. "To go": auch so ein Trend.
Bernhard Klapproth: "Da ist ein Riesenmarkt zu machen und deswegen haben wir hier auch kräftig investiert, wie Sie hier gleich sehen werden. Wir werden einen kleinen Rundgang machen im Anschluss. Klar ist unser Werk mit 1400 Quadratmeter reine Netto-Produktionsfläche noch kein gigantisches Werk, aber für die Bio-Branche ist es groß und leistungsfähig, so muss man es sehen."
Unter den zur Werkseinweihung Geladenen ist auch Björn Fromm, Präsident des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Damit auch der Speckgürtel immer größer und leistungsfähiger werden kann, müssten Brandenburg und Berlin eng zusammen arbeiten, schlägt er vor. Schließlich gäbe es klare gemeinsame Interessen.
Björn Fromm: "Da ist noch einiges zu tun für die nächsten Jahre und das ist die Chance auch für Berlin, dass sie sozusagen diese Vororte haben, aber auch für Brandenburg als Metropolregion da heranzuwachsen. Das ist die Chance für Brandenburg, und die strahlt natürlich auch auf die Gemeinden sicherlich ein wenig sternförmig aus, weil nun mal in der Mitte Berlin liegt, aber auch für alle Landkreise ist das eine Chance, daran teilzuhaben, zu gucken: Wo entstehen Wohnräume, wo entstehen Handelsstrukturen? Ich denke, Brandenburg hat da noch vieles vor sich und kann mit Berlin zusammen als eine Metropolregion gut punkten in den kommenden Jahren."
Mit Berlin zusammen? So mancher hört das nicht gern: 1996 widersetzten sich die Brandenburger in einer Volksabstimmung dem Versuch, die beiden Länder zu fusionieren.
Während sich die Besucher für die Werksbesichtigung weiße Kittel anziehen, wenig kleidsame Zellophan-Häubchen aufsetzen und hellblaue Gummifüßlinge über die Schuhe streifen, hat Finanzminister Görke Zeit für ein Interview in einem Hinterzimmer der Firma. Mehr als 20 Jahre nach der missglückten Fusion kämen Berlin und Brandenburg gut nebeneinander klar, meint der Linken-Politiker.
Bernhard Klapproth: "Brandenburg hat sich aus meiner Sicht unheimlich gemausert. Als wir einen neuen Standort gesucht haben, haben wir angefragt in Berlin, wir haben angefragt in Brandenburg. In Berlin hat's lang gedauert, in Brandenburg ging’s einfach schnell. Die Genehmigung ging innerhalb von vier, sechs Wochen durch. Die Leute waren innovativ, die hatten Interesse an uns, an dem, was wir tun und natürlich auch an den Arbeitsplätzen, das ist klar, aber so sind wir hier gelandet und sind ganz glücklich damit."
Finanzminister Christian Görke von der Linken freut sich: Das ist mal ein Termin nach seinem Geschmack. Ein Unternehmer aus der Trendbranche Bio-Food, der jetzt auch noch vor versammelter Mannschaft die rot-rote Landesregierung lobt.
Bernhard Klapproth: "Jedes Mal, wenn ich was brauche hier in Brandenburg, kriege ich es schnell und effizient. Von Genehmigungen über auch natürlich Unterstützung durchs Land Brandenburg. Wir sind zum Beispiel GRW gefördert worden und Ähnliches. Alles ging reibungslos und sehr gut. Da möchte ich mich auch mal für bedanken."
GRW - das ist ein Wachstumsprogramm für kleine Unternehmen der Investitionsbank des Landes. Klapproths "Jouis Nour" produziert hier in Dahlewitz Tiefkühl-Snacks in Bio-Qualität und Salate zum Mitnehmen. "To go": auch so ein Trend.
Bernhard Klapproth: "Da ist ein Riesenmarkt zu machen und deswegen haben wir hier auch kräftig investiert, wie Sie hier gleich sehen werden. Wir werden einen kleinen Rundgang machen im Anschluss. Klar ist unser Werk mit 1400 Quadratmeter reine Netto-Produktionsfläche noch kein gigantisches Werk, aber für die Bio-Branche ist es groß und leistungsfähig, so muss man es sehen."
Unter den zur Werkseinweihung Geladenen ist auch Björn Fromm, Präsident des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Damit auch der Speckgürtel immer größer und leistungsfähiger werden kann, müssten Brandenburg und Berlin eng zusammen arbeiten, schlägt er vor. Schließlich gäbe es klare gemeinsame Interessen.
Björn Fromm: "Da ist noch einiges zu tun für die nächsten Jahre und das ist die Chance auch für Berlin, dass sie sozusagen diese Vororte haben, aber auch für Brandenburg als Metropolregion da heranzuwachsen. Das ist die Chance für Brandenburg, und die strahlt natürlich auch auf die Gemeinden sicherlich ein wenig sternförmig aus, weil nun mal in der Mitte Berlin liegt, aber auch für alle Landkreise ist das eine Chance, daran teilzuhaben, zu gucken: Wo entstehen Wohnräume, wo entstehen Handelsstrukturen? Ich denke, Brandenburg hat da noch vieles vor sich und kann mit Berlin zusammen als eine Metropolregion gut punkten in den kommenden Jahren."
Mit Berlin zusammen? So mancher hört das nicht gern: 1996 widersetzten sich die Brandenburger in einer Volksabstimmung dem Versuch, die beiden Länder zu fusionieren.
Während sich die Besucher für die Werksbesichtigung weiße Kittel anziehen, wenig kleidsame Zellophan-Häubchen aufsetzen und hellblaue Gummifüßlinge über die Schuhe streifen, hat Finanzminister Görke Zeit für ein Interview in einem Hinterzimmer der Firma. Mehr als 20 Jahre nach der missglückten Fusion kämen Berlin und Brandenburg gut nebeneinander klar, meint der Linken-Politiker.
"Eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit Berlin"
Christian Görke: "Wir sind keine Konkurrenten. Wir sind Partner, und ich brauche keine Ehe. Ich brauche keine Ehe, aber eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit Berlin - das wäre doch schon mal etwas. Und ich habe auch Zeiten erlebt, wo ich mit einer Regierung aus SPD und CDU zusammengearbeitet habe, die haben sich eher abgegrenzt."
Mit der derzeitigen Berliner Koalition aus SPD, Linken und Grünen klappe die Zusammenarbeit viel besser.
Christian Görke: "Wir haben die Entwicklung, dass wir zahlreiche Unternehmen haben, denen Berlin zu eng, zu laut, zu kompliziert ist. Das ist jetzt keine Anti-Kampagne, sondern das ist einfach so. Insofern haben wir zu beobachten, dass viele Unternehmen sich jetzt aus der Stadt in das Umland bewegen, so wie hier in Dahlewitz - und das ist kein Einzelfall."
Die Landesregierung betreibe keine Rosinenpickerei, meint Görke, wer sich ansiedeln will, sei willkommen. Ein Angebot, auf das immer mehr Firmen eingehen. Allein das westliche Brandenburg zählte im vergangenen Jahr 2000 neue Ansiedelungen.
Christian Görke: "Wir haben keinen Schrumpfungsschmerz, wir haben Wachstumsschmerzen, und zwar erhebliche, nicht nur im Berlin nahen Gebiet, sondern auch in unseren Regionen. Ich komme ja selber aus einer Region, dem Westhavelland, wo wir das merken. Es geht richtig aufwärts. Und wir müssen aufpassen, dass wir die Achillesfersen beachten. Das ist einmal die Mobilität, das ist das Thema Fachkräfte und es sind die Investitionen in nachhaltige Strukturen. Das müssen wir sowohl in den Berlin nahen als auch in den ferneren Regionen machen."
Das sagt der Minister, weil nicht wenige Kritiker der Landesregierung vorwerfen, sich nur auf den Speckgürtel zu konzentrieren und die Peripherie darüber zu vergessen. Finanzminister Görke weist das zurück.
Unternehmer Bernhard Klapproth zeigt den Besuchern stolz sein Werk: 50 Mitarbeiter verpacken von Hand Salate und wickeln an Förderbändern Knusperstangen auf. Klapproth sucht händeringend mehr Leute. Seine gesamte Mannschaft hat er aus Berlin mitgebracht.
Bernhard Klapproth: "Was sehr wichtig ist, dass man hier Ansiedelungspolitik treibt, wenn man hier den Speckgürtel stärken will. Weil, das Hauptproblem aller Unternehmer - oder fast aller Unternehmer - ist ja wirklich, dass sie keine Kollegen mehr finden. Da sehe ich die Herausforderung hier in der Region: Qualifikation und Mitarbeiter und Kollegen. Das sind so die Schlüsselthemen der Zukunft für mich."
Klapproths Angestellte pendeln aus Berlin nach Dahlewitz. Zukunftsthema Nummer zwei für den Speckgürtel: bessere Bildung. Nummer drei: Infrastruktur. Straßen, Busse, S-Bahnen und Regionalzüge.
Bernhard Klapproth: "Wenn Leute aus Berlin kommen, die müssen tausendmal umsteigen. Da ist noch Handlungsbedarf. Da kann man noch was verbessern, vor allem wenn man die Region hier so wachsen lassen will."
Brandenburg ist schon lange ein Pendlerland, und je mehr Menschen ins Umland ziehen, aber weiter in Berlin arbeiten, desto größer der Druck auf das Verkehrssystem. Die Landesregierung habe diese Entwicklung lange verschlafen, meint die oppositionelle CDU. Nun seien Sitzplätze in Regionalzügen auf vielen Strecken Mangelware. Zumindest in den Stoßzeiten. Infrastrukturministerin Kathrin Schneider will mit einem neuen Nahverkehrsplan reagieren.
Kathrin Schneider: "Wir haben Korridoruntersuchungen gemacht, da gehen die Steigerungen teilweise bis auf 60, 80 Prozent. Das ist natürlich enorm, und darauf muss man sich vorbereiten und reagieren. Das tun wir mit neuen Linien, mit zusätzlichen Zügen, mit längeren Zügen und mit besserer Qualität."
Sternförmig strebt der öffentliche Nahverkehr aus Berlin hinaus ins grüne Brandenburger Umland. Nach Teltow im Landkreis Potsdam-Mittelmark zum Beispiel kommt man vom Potsdamer Platz in 24 Minuten, ohne Umsteigen.
In Teltows kleiner, hübsch sanierter Altstadt verkauft Buchhändlerin Vanessa Arendt-Martin gerade einen Regional-Krimi. Die zierliche Frau mit dem Lockenkopf hat aus einer ehemaligen Fleischerei eine gemütliche Oase für Lesehungrige gemacht: Die bunten Fliesen an den Wänden gelassen, Bücherkisten auf die Treppe und einen Klapptisch mit Stuhl zum Schmökern auf den Bürgersteig gestellt. Vanessa Arendt-Martin und ihr Mann waren Pioniere, als sie 2001 von Berlin Mitte nach Teltow zogen. Sie wäre lieber in der Stadt geblieben, er wollte ins Grüne.
Vanessa Arendt-Martin: "Mittlerweile möchte ich nirgendwo anders mehr wohnen. Ich kann mir auch nicht mehr vorstellen, wenn ich jetzt so zum Prenzlauer Berg oder nach Mitte mal komme, wenn wir Besuch haben, dann denke ich: 'Nee, ich bin hier selber nur noch Tourist'. Und es ist nur toll: Wir wohnen direkt in der Nähe der S-Bahn, sind in fünf Minuten mit dem Fahrrad an der S-Bahn, setzen uns in die S-Bahn und fahren zum Brandenburger Tor, wie halt die Touristen. Das ist halt gang und gäbe."
Mit der derzeitigen Berliner Koalition aus SPD, Linken und Grünen klappe die Zusammenarbeit viel besser.
Christian Görke: "Wir haben die Entwicklung, dass wir zahlreiche Unternehmen haben, denen Berlin zu eng, zu laut, zu kompliziert ist. Das ist jetzt keine Anti-Kampagne, sondern das ist einfach so. Insofern haben wir zu beobachten, dass viele Unternehmen sich jetzt aus der Stadt in das Umland bewegen, so wie hier in Dahlewitz - und das ist kein Einzelfall."
Die Landesregierung betreibe keine Rosinenpickerei, meint Görke, wer sich ansiedeln will, sei willkommen. Ein Angebot, auf das immer mehr Firmen eingehen. Allein das westliche Brandenburg zählte im vergangenen Jahr 2000 neue Ansiedelungen.
Christian Görke: "Wir haben keinen Schrumpfungsschmerz, wir haben Wachstumsschmerzen, und zwar erhebliche, nicht nur im Berlin nahen Gebiet, sondern auch in unseren Regionen. Ich komme ja selber aus einer Region, dem Westhavelland, wo wir das merken. Es geht richtig aufwärts. Und wir müssen aufpassen, dass wir die Achillesfersen beachten. Das ist einmal die Mobilität, das ist das Thema Fachkräfte und es sind die Investitionen in nachhaltige Strukturen. Das müssen wir sowohl in den Berlin nahen als auch in den ferneren Regionen machen."
Das sagt der Minister, weil nicht wenige Kritiker der Landesregierung vorwerfen, sich nur auf den Speckgürtel zu konzentrieren und die Peripherie darüber zu vergessen. Finanzminister Görke weist das zurück.
Unternehmer Bernhard Klapproth zeigt den Besuchern stolz sein Werk: 50 Mitarbeiter verpacken von Hand Salate und wickeln an Förderbändern Knusperstangen auf. Klapproth sucht händeringend mehr Leute. Seine gesamte Mannschaft hat er aus Berlin mitgebracht.
Bernhard Klapproth: "Was sehr wichtig ist, dass man hier Ansiedelungspolitik treibt, wenn man hier den Speckgürtel stärken will. Weil, das Hauptproblem aller Unternehmer - oder fast aller Unternehmer - ist ja wirklich, dass sie keine Kollegen mehr finden. Da sehe ich die Herausforderung hier in der Region: Qualifikation und Mitarbeiter und Kollegen. Das sind so die Schlüsselthemen der Zukunft für mich."
Klapproths Angestellte pendeln aus Berlin nach Dahlewitz. Zukunftsthema Nummer zwei für den Speckgürtel: bessere Bildung. Nummer drei: Infrastruktur. Straßen, Busse, S-Bahnen und Regionalzüge.
Bernhard Klapproth: "Wenn Leute aus Berlin kommen, die müssen tausendmal umsteigen. Da ist noch Handlungsbedarf. Da kann man noch was verbessern, vor allem wenn man die Region hier so wachsen lassen will."
Brandenburg ist schon lange ein Pendlerland, und je mehr Menschen ins Umland ziehen, aber weiter in Berlin arbeiten, desto größer der Druck auf das Verkehrssystem. Die Landesregierung habe diese Entwicklung lange verschlafen, meint die oppositionelle CDU. Nun seien Sitzplätze in Regionalzügen auf vielen Strecken Mangelware. Zumindest in den Stoßzeiten. Infrastrukturministerin Kathrin Schneider will mit einem neuen Nahverkehrsplan reagieren.
Kathrin Schneider: "Wir haben Korridoruntersuchungen gemacht, da gehen die Steigerungen teilweise bis auf 60, 80 Prozent. Das ist natürlich enorm, und darauf muss man sich vorbereiten und reagieren. Das tun wir mit neuen Linien, mit zusätzlichen Zügen, mit längeren Zügen und mit besserer Qualität."
Sternförmig strebt der öffentliche Nahverkehr aus Berlin hinaus ins grüne Brandenburger Umland. Nach Teltow im Landkreis Potsdam-Mittelmark zum Beispiel kommt man vom Potsdamer Platz in 24 Minuten, ohne Umsteigen.
In Teltows kleiner, hübsch sanierter Altstadt verkauft Buchhändlerin Vanessa Arendt-Martin gerade einen Regional-Krimi. Die zierliche Frau mit dem Lockenkopf hat aus einer ehemaligen Fleischerei eine gemütliche Oase für Lesehungrige gemacht: Die bunten Fliesen an den Wänden gelassen, Bücherkisten auf die Treppe und einen Klapptisch mit Stuhl zum Schmökern auf den Bürgersteig gestellt. Vanessa Arendt-Martin und ihr Mann waren Pioniere, als sie 2001 von Berlin Mitte nach Teltow zogen. Sie wäre lieber in der Stadt geblieben, er wollte ins Grüne.
Vanessa Arendt-Martin: "Mittlerweile möchte ich nirgendwo anders mehr wohnen. Ich kann mir auch nicht mehr vorstellen, wenn ich jetzt so zum Prenzlauer Berg oder nach Mitte mal komme, wenn wir Besuch haben, dann denke ich: 'Nee, ich bin hier selber nur noch Tourist'. Und es ist nur toll: Wir wohnen direkt in der Nähe der S-Bahn, sind in fünf Minuten mit dem Fahrrad an der S-Bahn, setzen uns in die S-Bahn und fahren zum Brandenburger Tor, wie halt die Touristen. Das ist halt gang und gäbe."
Abends schnell ins Kino oder ins Theater, aber wohnen im eigenen Haus mit Garten. Diesen Traum wollen sich Tausende erfüllen. In Teltow wird jedes noch so handtuchschmale Grundstück …
Vanessa Arendt-Martin: "… bebaut, genau. Auch Grundstücke, wo ich manchmal denke: Da würde ich jetzt nicht unbedingt hinbauen, was ist an diesem Grundstück jetzt so attraktiv? Nur um hier zu wohnen. Ja, man merkt es da schon. Auch die Verkehrsströme: Meine Kinder gehen in Zehlendorf zur Schule, nicht in Teltow. Und es gibt manchmal Tage, wenn schlechtes Wetter ist und die beiden nicht mit dem Fahrrad losradeln, dass ich sie nach Berlin fahre und habe dann schon arge Probleme, nach links in Richtung Berlin abzubiegen. Also von den Verkehrsströmen her ist es unglaublich."
Dass Teltow großen Zuzug erlebt, merkt die Buchhändlerin und Verlegerin auch an ihren Kunden: Die sind zunehmend jünger, städtischer und suchen "das Besondere", wie sie sagt.
Vanessa Arendt-Martin: "Denn die Buchhandlung ist ja schon durch die Fliesen allein besonders, viele ziehen aus Kreuzberg oder Prenzlauer Berg hierher und sagen: 'Ja, wir suchen hier auch so kleine Läden. Die gibt es hier aber nicht, nur Sie und jetzt eben auch eine Kaffeerösterei am Ruhlsdorfer Platz'."
Zu schnell gewachsen? Wie definiert man prosperierende Entwicklung? Infrastrukturministerin Kathrin Schneider:
"Nur mit Zuzug oder mit guter Stadtentwicklung? Es hat was mit der Frage zu tun, wie ich Siedlungsentwicklung mache. Wann ist eine Stadt, wann ist eine Siedlung attraktiv? Wann möchte ich dort leben? Diese Fragen sich zu stellen finde ich dabei ganz wichtig. Natürlich könnte man auch einfacher rangehen und sagen: Jeder Kopf, der zusätzlich in Brandenburg lebt, bringt Brandenburg auch zusätzliche Steuereinnahmen. Ja, das stimmt. Aber unser Interesse ist doch, dass die Menschen, die zu uns kommen, sich auch als Brandenburger fühlen und nicht nur hier ihre Schlafstatt haben, sondern in Brandenburg leben."
Und dazu brauche es attraktive Städte und Gemeinden mit Ortszentren, meint die SPD-Politikerin, mit Einkaufsmöglichkeiten, ohne Verkehrsprobleme.
Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt von der SPD ist im Oktober zum zweiten Mal wiedergewählt worden. Wir sind auf dem Weg zur Baustelle des künftigen Stadthafens am Teltow-Kanal.
Vanessa Arendt-Martin: "… bebaut, genau. Auch Grundstücke, wo ich manchmal denke: Da würde ich jetzt nicht unbedingt hinbauen, was ist an diesem Grundstück jetzt so attraktiv? Nur um hier zu wohnen. Ja, man merkt es da schon. Auch die Verkehrsströme: Meine Kinder gehen in Zehlendorf zur Schule, nicht in Teltow. Und es gibt manchmal Tage, wenn schlechtes Wetter ist und die beiden nicht mit dem Fahrrad losradeln, dass ich sie nach Berlin fahre und habe dann schon arge Probleme, nach links in Richtung Berlin abzubiegen. Also von den Verkehrsströmen her ist es unglaublich."
Dass Teltow großen Zuzug erlebt, merkt die Buchhändlerin und Verlegerin auch an ihren Kunden: Die sind zunehmend jünger, städtischer und suchen "das Besondere", wie sie sagt.
Vanessa Arendt-Martin: "Denn die Buchhandlung ist ja schon durch die Fliesen allein besonders, viele ziehen aus Kreuzberg oder Prenzlauer Berg hierher und sagen: 'Ja, wir suchen hier auch so kleine Läden. Die gibt es hier aber nicht, nur Sie und jetzt eben auch eine Kaffeerösterei am Ruhlsdorfer Platz'."
Zu schnell gewachsen? Wie definiert man prosperierende Entwicklung? Infrastrukturministerin Kathrin Schneider:
"Nur mit Zuzug oder mit guter Stadtentwicklung? Es hat was mit der Frage zu tun, wie ich Siedlungsentwicklung mache. Wann ist eine Stadt, wann ist eine Siedlung attraktiv? Wann möchte ich dort leben? Diese Fragen sich zu stellen finde ich dabei ganz wichtig. Natürlich könnte man auch einfacher rangehen und sagen: Jeder Kopf, der zusätzlich in Brandenburg lebt, bringt Brandenburg auch zusätzliche Steuereinnahmen. Ja, das stimmt. Aber unser Interesse ist doch, dass die Menschen, die zu uns kommen, sich auch als Brandenburger fühlen und nicht nur hier ihre Schlafstatt haben, sondern in Brandenburg leben."
Und dazu brauche es attraktive Städte und Gemeinden mit Ortszentren, meint die SPD-Politikerin, mit Einkaufsmöglichkeiten, ohne Verkehrsprobleme.
Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt von der SPD ist im Oktober zum zweiten Mal wiedergewählt worden. Wir sind auf dem Weg zur Baustelle des künftigen Stadthafens am Teltow-Kanal.
"Hier wird auch noch eine große Schule gebaut"
Thomas Schmidt: "Also wir haben nach der Wende angefangen mit 17.000 Einwohnern und sind jetzt bei knapp 28.000. Das macht mal so ein bisschen deutlich, wie die Steigerungsrate aussieht. Wir haben vor zwei Jahren die Information bekommen, das haben wir nicht etwa in Auftrag gegeben, sondern wir bekamen die Information, dass wir die schnellstwachsende Mittelstadt Deutschlands sind."
Die Infrastruktur der einstigen Industriestadt muss entsprechend schnell ausgebaut werden. Das Verkehrsentwicklungskonzept sieht vor, einen weiteren Umkreis um die Altstadt vom Durchgangsverkehr zu befreien. Drei neue Schulen gibt es schon, zwei weitere sind geplant.
Thomas Schmidt: "Wir sind in diesem sogenannten demografischen Wandel völlig anders unterwegs: Wir schließen keine Schulen, sondern hier wird jetzt auch noch eine große Schule neu gebaut. Wir müssen Kitas bauen, weil wir sagen: 'Wir wollen eben auch für die nächste Generation ein Zuhause sein'. Und insofern ist das mit den damit zusammenhängenden Kosten eine echte Aufgabe."
Eine größere Kita koste schnell vier Millionen Euro, rechnet Bürgermeister Schmidt vor. Gottseidank ist Teltow kaum verschuldet, und die vielen neuen Einwohner spülen ja auch mehr Steuereinnahmen in die Kassen. Dennoch:
"Das kostet Geld und ja, bringt natürlich auch den einen oder anderen Diskussionspunkt in der Stadt mit sich, weil, wo fängt man an und wo hört man auf, wenn es um Infrastruktur geht?"
Auch Wohnraum ist längst knapp: Noch sind die Mieten in Teltow mit 5,80 Euro im kommunalen Wohnungsbau bezahlbar. Aber es gibt auch Neubauprojekte von Privatinvestoren, die mehr als zehn Euro verlangen. Kalt.
Thomas Schmidt: "Der Wohnungsmarkt ist extrem angespannt, soll heißen: ‚Ich fahr jetzt mal nach Teltow und miete mir eine Wohnung‘ sieht eher schlecht aus. Man sollte dann in seiner bisherigen Heimat nicht den Wohnraum kündigen. Sie werden hier eine Weile suchen."
Gleichzeitig steigen die Grundstückspreise. Statt Einfamilienhäusern müssten darum Mehrgeschosser her, sagt Schmidt. Sonst wird man des Andrangs nicht Herr. Seit der Wende hat die Stadtverwaltung 56 Bebauungsplanverfahren abgewickelt. Vor allem, als 2005 die S-Bahn-Anbindung kam, ging es so richtig los mit dem Ansturm auf Teltow.
Thomas Schmidt: "Zum Beispiel ein Baugebiet, das sogenannte Mühlendorf bei uns, das seinerzeit von einem kanadischen Investor initiiert wurde. Die ersten großen Bauplakate, die dort dranhingen, waren: 'Ihr neues Zuhause mit S-Bahn-Anschluss'. Das ist ein Vermarktungspotenzial."
Mittlerweile fährt die S-Bahn von und nach Berlin im Zehnminutentakt. Reicht nicht, sagt Bürgermeister Thomas Schmidt. Die Stadt investiert mehr als 100.000 Euro im Jahr in zusätzliche Busse. Doch Teltows teuerste Baustelle ist der neue Stadthafen.
Der Hafen ist neben Hallenbad und Mehrzweckhalle Teltows wichtigstes Projekt. Mit 39 Liegeplätzen soll der Stadthafen Paddler und Bootsfahrer anlocken , so den Teltow-Kanal und die nahe Altstadt touristisch erschließen. Seine zweite wichtige Aufgabe: Ein Treffpunkt für die alteingesessenen und neuen Bürger zu werden.
Thomas Schmidt: "Nicht für Gutbetuchte, die hier ihr Bötchen abstellen – die dürfen das natürlich auch, das ist ganz klar – aber es wird eben dann mit Gastronomie, mit Freiflächen, natürlich mit dem Wasser, was dann erlebbar wird, auch im wahrsten Sinne des Wortes eine Erlebnisfläche für alle."
Davon ist hinter einem Maschendrahtzaun noch nicht viel zu sehen. Derzeit ruht die Baustelle, wegen technischer Probleme. Der Hafenbau ist unter den Stadtverordneten durchaus umstritten: Ähnlich wie beim nahen neuen Hauptstadtflughafen BER, nur in viel kleinerem Maßstab, haben sich die Kosten in den vergangenen drei Jahren auf 15 Millionen Euro verdreifacht.
Doch Bürgermeister Thomas Schmidt gibt sich optimistisch: Im nächsten Jahr soll die neue Flaniermeile eröffnet werden. Damit Teltow mehr wird als eine Schlafstadt für Pendler nach Berlin.
Die Infrastruktur der einstigen Industriestadt muss entsprechend schnell ausgebaut werden. Das Verkehrsentwicklungskonzept sieht vor, einen weiteren Umkreis um die Altstadt vom Durchgangsverkehr zu befreien. Drei neue Schulen gibt es schon, zwei weitere sind geplant.
Thomas Schmidt: "Wir sind in diesem sogenannten demografischen Wandel völlig anders unterwegs: Wir schließen keine Schulen, sondern hier wird jetzt auch noch eine große Schule neu gebaut. Wir müssen Kitas bauen, weil wir sagen: 'Wir wollen eben auch für die nächste Generation ein Zuhause sein'. Und insofern ist das mit den damit zusammenhängenden Kosten eine echte Aufgabe."
Eine größere Kita koste schnell vier Millionen Euro, rechnet Bürgermeister Schmidt vor. Gottseidank ist Teltow kaum verschuldet, und die vielen neuen Einwohner spülen ja auch mehr Steuereinnahmen in die Kassen. Dennoch:
"Das kostet Geld und ja, bringt natürlich auch den einen oder anderen Diskussionspunkt in der Stadt mit sich, weil, wo fängt man an und wo hört man auf, wenn es um Infrastruktur geht?"
Auch Wohnraum ist längst knapp: Noch sind die Mieten in Teltow mit 5,80 Euro im kommunalen Wohnungsbau bezahlbar. Aber es gibt auch Neubauprojekte von Privatinvestoren, die mehr als zehn Euro verlangen. Kalt.
Thomas Schmidt: "Der Wohnungsmarkt ist extrem angespannt, soll heißen: ‚Ich fahr jetzt mal nach Teltow und miete mir eine Wohnung‘ sieht eher schlecht aus. Man sollte dann in seiner bisherigen Heimat nicht den Wohnraum kündigen. Sie werden hier eine Weile suchen."
Gleichzeitig steigen die Grundstückspreise. Statt Einfamilienhäusern müssten darum Mehrgeschosser her, sagt Schmidt. Sonst wird man des Andrangs nicht Herr. Seit der Wende hat die Stadtverwaltung 56 Bebauungsplanverfahren abgewickelt. Vor allem, als 2005 die S-Bahn-Anbindung kam, ging es so richtig los mit dem Ansturm auf Teltow.
Thomas Schmidt: "Zum Beispiel ein Baugebiet, das sogenannte Mühlendorf bei uns, das seinerzeit von einem kanadischen Investor initiiert wurde. Die ersten großen Bauplakate, die dort dranhingen, waren: 'Ihr neues Zuhause mit S-Bahn-Anschluss'. Das ist ein Vermarktungspotenzial."
Mittlerweile fährt die S-Bahn von und nach Berlin im Zehnminutentakt. Reicht nicht, sagt Bürgermeister Thomas Schmidt. Die Stadt investiert mehr als 100.000 Euro im Jahr in zusätzliche Busse. Doch Teltows teuerste Baustelle ist der neue Stadthafen.
Der Hafen ist neben Hallenbad und Mehrzweckhalle Teltows wichtigstes Projekt. Mit 39 Liegeplätzen soll der Stadthafen Paddler und Bootsfahrer anlocken , so den Teltow-Kanal und die nahe Altstadt touristisch erschließen. Seine zweite wichtige Aufgabe: Ein Treffpunkt für die alteingesessenen und neuen Bürger zu werden.
Thomas Schmidt: "Nicht für Gutbetuchte, die hier ihr Bötchen abstellen – die dürfen das natürlich auch, das ist ganz klar – aber es wird eben dann mit Gastronomie, mit Freiflächen, natürlich mit dem Wasser, was dann erlebbar wird, auch im wahrsten Sinne des Wortes eine Erlebnisfläche für alle."
Davon ist hinter einem Maschendrahtzaun noch nicht viel zu sehen. Derzeit ruht die Baustelle, wegen technischer Probleme. Der Hafenbau ist unter den Stadtverordneten durchaus umstritten: Ähnlich wie beim nahen neuen Hauptstadtflughafen BER, nur in viel kleinerem Maßstab, haben sich die Kosten in den vergangenen drei Jahren auf 15 Millionen Euro verdreifacht.
Doch Bürgermeister Thomas Schmidt gibt sich optimistisch: Im nächsten Jahr soll die neue Flaniermeile eröffnet werden. Damit Teltow mehr wird als eine Schlafstadt für Pendler nach Berlin.