Demonstration gegen Antisemitismus
In Sommer gab es einen überraschenden Ausbruch an Judenfeindlichkeit in Deutschland, der sich mit Kritik an Israels Politik im Gaza-Konflikt mischte. Die Polizei tat nichts, auch als Worte wie "Judenschwein" gerufen wurden. Eine Demo in Berlin will jetzt ein Zeichen dagegen setzen.
Viele Jüdinnen und Juden hat es in diesem Sommer kalt erwischt. Angst machte sich unter ihnen breit. In Deutschland gab es wieder einen offenen Judenhass. Auf Demonstrationen gegen Israels Politik, gegen die Waffengewalt im Gaza-Streifen, gingen Tausende auf die Straße. Einige von ihnen vermischten aber die Kritik an der Regierung Benjamin Netanjahus mit antijüdischen Parolen.
"Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“
Doch es waren nicht nur ein paar vereinzelte Demonstranten, die offen gegen Juden anschrien. Auf U-Bahnhöfen jubelte die Menge "Adolf Hitler, Adolf Hitler“ und auch körperliche Gewalt gegen Juden und Anschläge auf jüdische Gemeinden und Institutionen gehörten zu diesem Sommer.
Viele in schierer Angst
Viele schauten zu, klatschten oder waren schlichtweg von den Ausbrüchen des Hasses überrascht, wie anfänglich die Berliner Polizei, welche die Ausrufe tolerierte.
"Wir wollen das nicht hinnehmen, weder unsere Strafverfolgungsbehörden, noch die Polizei, noch wir Bürgerinnen und Bürger und der Präsident schon gar nicht!“
Dieses Bekenntnis des Bundespräsidenten Joachim Gauck kam jedoch für viele Juden zu spät. Sie hätten sich einen rascheren Schulterschluss von Offiziellen und Zivilgesellschaft gewünscht. Es war ja nicht nur die ausbleibende moralische Unterstützung, die ein flaues Gefühl hinterließ, nein, es war auch die schiere Angst Vieler, vom meist männlichen Mob als Jude erkannt zu werden. Ein entschiedenes Gegenlenken von Politik und Gesellschaft hätte vielen Juden Sicherheit verschafft. Nun – mittlerweile zwei Monate nach den hasserfüllten Auswüchsen – wird am Brandenburger Tor in Berlin ein Zeichen gesetzt. Bundespräsident Joachim Gauck appelliert:
"Wir rufen allen Menschen, die in jüdischen Gemeinden leben zu: Dies ist ein Land des Rechtes und hier könnt ihr sicher wohnen und wir rufen den Einwanderermilieus, die dies nicht begriffen haben, zu: Dies ist ein Land der Toleranz. Antisemitismus, auch wenn er neu ist, wenn er aus ausländischen Gesellschaften hier importiert wird, der wird genau so wenig geduldet, wie ein alter autochthoner Antisemitismus, den es in einigen rechtsradikalen oder linksradikalen Milieus gibt.“
Am Sonntag laden jüdische Vertreter selbst zur Kundgebung am Brandenburger Tor ein. Der Zentralrat der Juden erwartet die Bundeskanzlerin Angela Merkel als Hauptrednerin. Daneben werden noch die Vertreter der Kirchen und der scheidende Oberbürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, zu Wort kommen.
Ein ersehnter Schritt in die richtige Richtung
Es ist zu wünschen, dass neben dem Ehrengast, Bundespräsident Joachim Gauck, auch viele Bürgerinnen und Bürger den Weg auf die sogenannte Bundesfanmeile im Berliner Tiergarten finden werden.
Denn mit der Angst, auf der Straße ein Opfer von Gewalt und Beleidigung zu werden, haben sich Juden irgendwie arrangiert – sich zu Hause einzusperren wäre ja keine Lösung. Doch zu wissen, dass dieser Judenhass nun von der Bevölkerung geächtet wird, ist ein ersehnter Schritt in die richtige Richtung.
Hoffentlich bleiben die antisemitischen Auswüchse des Sommers 2014 eine Ausnahme. Es liegt nun an den Organisationen, Stiftungen, Institutionen, Interessenvertretungen und NGOs den steifen Absichtsbekundungen den Geist des Lebens einzuhauchen. Sich gegen Judenhass auszusprechen ist mehr als ein demokratisches Selbstverständnis. Für Juden ist es die Daseinsberechtigung, denn so zerbrechlich wie sich die Integration von Juden in diesem Sommer gezeigt hat, so zart erwies sich auch der Widerstand gegen den Judenhass. Der Protest gegen Hass im Allgemeinen stärkt sich am Sonntag vor dem Brandenburger Tor mit jedem einzelnen Gesicht.