Kindl-Brauerei wird Zentrum für zeitgenössische Kunst
Die seit vielen Jahren stillgelegte Kindl-Brauerei in Neukölln wird endlich umgebaut zum Zentrum für zeitgenössische Kunst - mitten in einem der Berliner Problemquartiere. Der künstlerische Direktor des neuen Kunstzentrums verrät uns die konkreten Pläne.
"Hier sind wir jetzt im Maschinenhaus. Diese Kanzel, da saß der Maschinenführer und hat die Maschinen überwacht und den Brauereibetrieb. Auch dieses Glashaus wird man so stehen lassen. Der ideale Arbeitsplatz für einen Kurator. Oder für einen DJ!"
Zuzutrauen wäre es Andreas Fiedler. Er ist künstlerischer Direktor, aber das sieht man dem Schweizer Museumskurator nicht an, wenn er über "seine" Baustelle läuft: Die seit vielen Jahren stillgelegte Kindl-Brauerei wird endlich renoviert, umgebaut zum Zentrum für zeitgenössische Kunst. Mitten in Neukölln, im Rollbergviertel, einem der Berliner Problemquartiere. Da wäre es verantwortungslos, die backsteinrote Industriekathedrale allein für durchreisende Kunsttouristen aufzuhübschen. Fiedler hat andere Prioritäten:
"Dass es auch Konzerte gibt. Wir wollen auch mit der Museumspädagogik eine Brücke schaffen zum Kiez, zu den Schulen. Ja, ich hoffe sehr, dass sich das Publikum mischen wird."
"Die Räume sichtbar machen"
Deshalb hat Fiedler sofort losgelegt, noch während der Bauarbeiten. Konzert-Installation im Sudhaus, Diskussion über Bedeutung von "Nachbarschaft" für die Stadt in der Trafozentrale, Filmvorführungen im "T1", dem ersten Turmgeschoss.
"Wir wollten die Räume sichtbar machen, im Zustand wie sie vorher waren, während des Bauprozesses. Jede Veranstaltung hat in einem anderen Raum stattgefunden – und im Herbst 2016 wird man dann Einblick bekommen ins Zentrum für zeitgenössische Kunst."
Das ist später als geplant. Aber im Laufe der Renovierung traten gravierende Schäden in der Substanz des monumentalen Backsteinbaus zutage. Etwa im Maschinenhaus, wo der jahrzehntelange Betrieb seine Spuren hinterlassen hat. Andreas Fiedler steigt in das zweite Stockwerk:
"Das hat neu ein Sheddach bekommen, das war vorher ein Flachdach. Das ist Nordlicht, was da hereinkommt. Für mich also ganz optimale Bedingungen um hier Kunst zeigen zu können. Aber man hat hier auch einen fantastischen Blick auf Berlin. Da muss ich natürlich kuratorisch überlegen, wie ich mit so etwas umgehe."
Eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten
Eine reizvolle, für Berlin ungewöhnliche Aufgabe. Zwar präsentieren hier viele Sammler ihre Kollektionen, aber meist an pittoresken Orten wie einem Bunker oder dem verlassenen Gebäude-Komplex der einstigen DDR-Fahrbereitschaft. Doch wo darf die Kunst in Konkurrenz treten zum Panoramablick auf die Stadt?
Außerdem legen die Eigentümer, das deutsch-schweizerische Ehepaar Burkhard Varnholt und Salome Grisard, gar keinen Wert darauf, stolz die eigene Sammlung auszustellen. Im Gegenteil: sie wollen mit dem behutsamen Umbau des denkmalgeschützten Ensembles eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten erreichen, auch für thematische Wechselausstellungen:
"Hier sind wir im M1, also Maschinenhaus erstes Geschoss. Da sieht man jetzt schon, dass es eine ganz andere Idee ist, wie man mit dem Raum umgegangen ist. Das sind so drei kabinettartige Räume, die hier entstehen."
Also ganz auf die Kunst konzentriert, schlichte white cubes mit weißen Wänden. Da erinnert nichts mehr an die Kathedrale, in die ein Architekturkritiker Ende der 20er-Jahre einzutreten glaubte: graublauer Marmor, Bronze und farbiges Überfangglas für die Fenster, Glasmosaik auf dem Fußboden. Das war 1928 der prunkvolle Rahmen für massige, glänzende Kupfergefäße – und die haben ihren angestammten Platz behalten:
"Wir stehen hier im Sudhaus mit seinen sechs Sudpfannen. Nach den Plänen der Architekten Hans Claus und Richard Schepke. Die hatten den Anspruch, das schönste Brauhaus Europas zu bauen. Und ich würde mal behaupten: wir sind nahe daran."
Kunstinteressierte, Architekturtouristen und Nachbarn
Im Sudhaus ist alles weitgehend erhalten, bis auf Details, die früheren Umbauten zum Opfer fielen. Hier wird ein Café eingerichtet, ein wenig nostalgisch, mit dem Flair der Dampfmaschinen-Ära. Aber solche Kontrapunkte sind Andreas Fiedler wichtig:
"Ich glaube, dass dieser industrieromantische Blick schon Grenzen haben muss. Ich bin froh, dass das in diesem Gebäude Bereiche gibt, die das abdecken – im Sudhaus und im Kesselhaus. Und dass es aber auch Bereiche gibt, die explizit als Räume für die Kunst entwickelt werden."
Also geht’s ins Allerheiligste, das Kesselhaus. Mit ganz gewöhnlichen Spuren der Arbeit an den teilweise gekachelten Wänden, weitgehend im Rohzustand belassen. Hier hat im Herbst 2014 Roman Signer ein veritables Flugzeug unter die Decke gehängt. Als Vorgeschmack auf regelmäßige Kunst-Interventionen, von denen Andreas Fiedler sich erhofft:
"Dass die Kraft des Gebäudes ein Anziehungspunkt sein wird. Hier im Kesselhaus, das ist ein Raum wie man ihn ganz, ganz selten findet. Es ist ein Würfel, zwanzig mal zwanzig mal zwanzig Meter. Und diese Höhe ist schon großartig."
Eine Attraktion nicht nur für Kunstinteressierte. Sondern auch für Architekturtouristen, Café-Besucher, langjährige Nachbarn und jüngst Zugereiste. Ihnen allen den Raum zu bereiten – das dauert eben ein bisschen länger als gewöhnlich.