Michael Sontheimer, Peter Wensierski: Berlin. Stadt der Revolte, Christoph Links Verlag, 25 Euro
Der Aufstand liegt in den Genen
Der Aufstand hat das Leben in Berlin immer begleitet, ist die These der Autoren Michael Sontheimer und Peter Wensierski. In ihrem Buch "Berlin – Stadt der Revolte" erzählen die Journalisten die Geschichte der Stadt anhand ihres Rebellenpotentials - und das sei immer noch vorhanden.
"Berlin – Stadt der Revolte", ein solches Portrait der heutigen Hauptstadt haben die beiden Journalisten Michael Sontheimer und Peter Wensierski geschrieben. Sie haben dafür Geschichten aus Ost und West zusammengetragen und zeichnen ein Bild, bei dem die Revolte sich wie ein roter Faden durch die Geschichte von Berlin zieht, von den 1960er-Jahren bis in die 1990er.
Ost und West zusammendenken
"Man kann heute 25 Jahre nach dem Fall der Mauer das nicht mehr sortieren nach West-Berlin und ein Buch über West-Berlin schreiben", sagte Sontheimer im Deutschlandfunk Kultur. "Man muss die Bewohner beider Stadthälften denken und versuchen, Dinge zusammen zu führen." Die Autoren hätten in dem Buch sehr bewusst nicht chronologisch erzählt, sondern seien von der Topographie der Stadt ausgegangen.
Geschichte von unten
Die Stadt habe ständige Veränderungen von unten erlebt, daher rühre ihr Rebellenpotential, sagte Wensierski. Schon 1880 habe es Wohnungsspekulation in Berlin gegeben, als die Mietskasernen gebaut wurden. "Das zieht sich durch die Geschichte der Stadt hin", sagte Wensierski und verwies auf die Lage heute, wie auch die Hausbesetzungen früherer Zeiten. "Es ist ganz nützlich diese Geschichte der Stadt zu verstehen." Inzwischen lebten in der Hauptstadt viele Bewohner, die neu hergezogen seien und die Geschichte nicht kennen. Sie gingen durch die Stadt und wüssten nicht, was in bestimmten Häusern und bei bestimmten Adressen geschehen sei.
Zeit der jungen Männer
Soziologisch betrachtet seien vor allem junge Männer, am Anfang ihrer 20er-Jahre, diejenigen, die auf der Straße Randale gemacht hätten und auf die Barrikaden gegangen seien, sagte Sontheimer. Sie seien etwas arrogant, wenig risikobewusst und idealistisch gewesen. In West-Berlin hätte es viele von ihnen gegeben, weil Bundeswehrverweigerer, junge Anarchisten und Freigeister aus Westdeutschland nach West-Berlin gezogen seien. Da es keine Sperrstunde gab, habe man bis zum Umfallen feiern können. "Dieses Potential, die Human Resources, die haben sich in West-Berlin gesammelt." Wem es zu DDR-Zeiten in Sachsen der Provinz zu langweilig geworden sei, sei auch auf den Prenzlauer Berg in Ost-Berlin gezogen.
Die Revolte bleibt
Angesichts des schwierigen Zustandes im sozialen Miteinander in Berlin heute könne man sich fragen, wo die nächste Revolte bleibe, sagte Wensierski. "Was Jahrzehnte lang stattgefunden hat, das hört nicht einfach auf", zeigte er sich optimistisch. Die Geschichte lehre, dass das weitergehe. Heute gebe es andere Formen der Revolte, ob nun in den sozialen Medien oder beim Erhalt des Tempelhofer Feldes mitten in Berlin.