Clubszene wird geadelt

Berliner Technokultur wird immaterielles Kulturerbe

Die Tür zu einem vergitterten Raum im Berliner Club Tresor ist geöffnet. Man sieht Menschen im bunten Licht tanzen.
Der weltweit bekannte Berliner Techno-Club Tresor wurde 1991 gegründet. © picture alliance / Caro / Waechter
Die Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland hat sechs Neuzugänge. Einer davon: die Berliner Technokultur. Was bedeutet der Eintrag für die Clubs der Hauptstadt?
Tanz, Theater, Handwerkskunst, Brauchtum oder kulturelle Traditionen: All das wird als immaterielles Kulturerbe angesehen. Was dazu gehört, lässt sich im bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes nachlesen. Zu den bisher dort Verzeichneten kommen in diesem Jahr in Deutschland sechs neue Einträge hinzu – darunter die Berliner Technokultur. Die Kulturminister von Bund und Ländern erweiterten das bundesweite Verzeichnis entsprechend.

Berlin als Hotspot des Techno

Techno wurde zwar ursprünglich im Underground von Detroit „erfunden“, fand dann aber schnell in Europa immer mehr Anhänger. In Berlin wurde Techno zu einem Symbol der Wendejahre, wozu auch die jährliche Loveparade und die weltweit bekannten Berliner Techno-Clubs beitrugen.
Einer dieser Clubs war der Tresor, der im ehemaligen Tresorraum des Kaufhauses Wertheim in der Leipziger Straße residierte. Am 13. März 1991 wurde der Club eröffnet. Dass die Berlin Technokultur genau 33 Jahre nach der Eröffnung des Klubs zum Weltkulturerbe ernannt wurde, ist für Tresor-Gründer Dimitri Hegemann Ausdruck von Wertschätzung, „weil wir jetzt Techno-Papst sind“.

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Berliner Techno sei ein Abenteuer und etwas, mit dem niemand gerechnet habe, so der Tresor-Gründer: „Techno war ein Aufbruch einer ganzen Generation in eine neue musikalische Epoche.“
Hegemann glaubt, die Technokultur habe viel dazu beigetragen, dass in Berlin so eine offene Gesellschaft herrsche. Mehr noch: "Die Technokultur hat nicht nur Berlin verändert, sondern die halbe Welt."
Berlin etablierte sich in den Neunzigerjahren als Hotspot für den Techno. Dafür gab es viele Gründe: Die Stadt hatte keine Sperrstunde, und nach dem Mauerfall gab es viel Leerstand, insbesondere im Osten, wo die Eigentumsverhältnisse unklar waren. Die Mieten waren niedrig, es gab viel Platz und wenige politische Restriktionen - der perfekte Nährboden für eine Subkultur, die sich bald zu einem Massenphänomen entwickeln sollte.

Was bedeutet der Eintrag für die Berliner Clubkultur?

Der Status als immaterielles Kulturerbe hat zum einen eine symbolische Bedeutung. Im Fall Berliner Technokultur verbindet sich im damit die Wertschätzung und Anerkennung einer alternativen Kulturform.
Für die Macher des Loveparade-Nachfolgers "Rave the Planet" fördert der Status aber auch das Bewusstsein, "dass Techno längst aus seiner Nische herausgetreten und zu einer eigenständigen Kulturform geworden sei", schreibt die Organisation auf ihrer Website. „Rave the Planet“ hatte sich intensiv für den Eintrag in das immaterielle Kulturerbe eingesetzt.
Der Titel bietet aber nicht nur Prestige, sondern auch rechtliche Vorteile. Zum Beispiel gibt es bei der Neueröffnung von Clubs und Veranstaltungsorten weniger Hürden und Auflagen. Der Status kann aber mitunter auch vor Verdrängung schützen und erleichtert den Zugang zu staatlichen Fördermitteln. Für viele Clubs sind solche Gelder inzwischen überlebenswichtig, insbesondere seit der Corona-Pandemie.

Welche weiteren deutschen Traditionen sind nun Kulturerbe?

Neben dem Berliner Techno wurden noch fünf weitere kulturelle Ausdrucksformen in die Liste immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen: das Bergsteigen in Sachsen, die Finsterwalder Sangestradition, die Schwälmer Weißstickerei, der Perchtenlauf – ein winterlicher Umzugsbrauch – und die traditionelle Viez-Weinbereitung aus Äpfeln, Quitten und Birnen. Mit den Neueinträgen enthält das bundesweite Verzeichnis nun 150 Einträge.
Die Auswahl zeigt laut Kulturstaatsministerin Claudia Roth die Breite der täglich gelebten Kultur in Deutschland und auch einen erweiterten Kulturbegriff, der sich gegen die absurde Trennung von E- und U-Kultur wende.
Bereits im Vorjahr wurde eine Subkultur mit dem Label „Immaterielles Kulturerbe“ geadelt. Damals hatte die Heidelberger Hip-Hop-Szene die Auszeichnung erhalten.
Deutschland hat sich 2013 dem Unesco-Abkommen zum Erhalt des Immateriellen Kulturerbes angeschlossen. Aus dem nationalen Verzeichnis können Vorschläge eingereicht werden für drei internationale Listen bei der Unesco. Die darin enthaltenen Einträge sind damit das Immaterielle Kulturerbe der Menschheit, wozu u.a. der jamaikanische Reggae oder die finnische Saunakultur gehören.
hoh/ema/tmk/abu