Berlin verkauft sich total
Der Verkauf des ehemaligen DDR-Rundfunkgeländes in der Nalepastraße in Berlin-Köpenick ist ein handfester Skandal. Laut einem Gutachten soll das Gelände 21,6 Millionen Euro wert sein, für ganze 350.000 Euro wurde es im vergangenen Herbst verkauft. Der verpatzte Grundstücksdeal wird in Berlin auch ein parlamentarisches Nachspiel haben: die Opposition wirft dem Senat unter anderem vor, bei der Vermarktung des Geländes jahrelang untätig gewesen zu sein. Womöglich ist der Skandal um den Verkauf des ehemaligen DDR-Rundfunkgeländes an der Nalepastraße nur die Spitze des Eisbergs.
Die sanierte Feuerofenhalle der altehrwürdigen Königlichen Porzellan Manufaktur am Rande des Berliner Tiergartens: vor einer Porzellan-Büste posieren drei elegant gekleidete Herren für die Fotografen.
Eigentümer Jörg Woltmann, Geschäftsführer Winfried Vogler und Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf haben der Presse etwas mitzuteilen: die Königliche Porzellan Manufaktur KPM ist auf einem guten Weg. Geschäftsführer Winfried Vogler.
"Wir haben festgestellt, dass dieser Fall KPM überhaupt kein Sanierungsfall ist wie man Sanierungsfälle kennt. In der Regel versucht man Kosten zu senken, unrentable Teile des Betriebes stillzulegen und auf dieser Basis neu wieder anzufangen. Das können wir überhaupt nicht. Wir müssen in unserem Fall aufstocken. Wir können nicht schrumpfen, wir müssen wachsen."
Seit einem halben Jahr hat die KPM eine neue Leitung. Der Bankier Jörg Woltmann hat dem Land Berlin das finanziell schwer angeschlagene Unternehmen abgekauft. KPM stand kurz vor der Insolvenz. Jetzt verbreiten die neuen Macher grenzenlosen Optimismus: die ersten sechs Monate hätten gezeigt, was drinstecke in der Marke KPM, man wolle sie als weltweit führende Luxusmarke im Porzellanbereich positionieren, Aufträge aus dem Ausland gäbe es bereits, 2009 spätestens wolle man schwarze Zahlen schreiben, und wenn man das wider Erwarten nicht schaffe, na dann werde er eben ein halbes Jahr länger Geld zuschießen, verspricht Eigentümer Jörg Woltmann.
"Ich sage ganz klar: die KPM bleibt in Berlin, die KPM bleibt hier an diesem Standort, und es wird ausschließlich hier in Berlin an diesem Standort produziert werden, etwas anderes als KPM wird hier nicht passieren."
Und Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf sekundiert:
"Ich habe in den Gesprächen mit Herrn Woltmann den Eindruck gewonnen, hier ist wirklich ein hohes Engagement für Berlin, ein hohes Engagement für das Kulturgut KPM und eben auch die Bereitschaft, in das eigene Risiko zu gehen. Und wenn ich da unternehmerische Entscheidungen beurteilen kann, ist natürlich die Frage, ‚geht jemand ins eigene Risiko für mich’ ein ganz wichtiger Punkt, danach zu sehen: ‚was kann ich auch in Zukunft davon erwarten’?"
Der Verkauf von KPM an den privaten Investor war eines der umstrittensten Grundstücksgeschäfte Berlins in den vergangenen Jahren. Für 13,5 Millionen Euro, heißt es, seien das Unternehmen und auch das Grundstück an Jörg Woltmann gegangen. Und das, obwohl man kurz vorher die Baudenkmäler auf dem Gelände für etwa 26 Millionen Euro hatte sanieren lassen und der Wert der Immobilie mindestens 30 Millionen Euro beträgt. Sagt Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. KPM – das sei das Paradebeispiel für einen verpatzten Grundstücksdeal.
"Das Gelände der KPM am Tiergarten ist so ein Fall, wo wir in das Unternehmen und in die Herrichtung des Geländes 50 Millionen Euro versenkt haben und bestenfalls 14 von dem neuen Erwerber zurückbekommen für das Unternehmen einerseits und für das Gelände andererseits und dann eben einen hohen Vermögensschaden angerichtet haben."
Einspruch: 160 Arbeitsplätze konnten gesichert werden, das sei von übergeordnetem wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischem Interesse, entgegnet der zuständige Senator Harald Wolf. Er sei überzeugt, dass der neue Eigentümer das Gelände auch nicht weiter verkaufe.
"Was das Grundstück angeht, das ist dem Parlament und den Oppositionsparteien bekannt, gibt es eine klare Spekulationsklausel, die derartiges verhindern würde, Herr Woltmann hat sich eben auch noch mal selbst dazu bekannt, insofern sehe ich da im Moment keinen Anlass zum Zweifel, ansonsten ist die vertragliche Konstruktion die, dass das Land Berlin jetzt zum Beispiel auch Belastungen aus der VBL in die Zukunft entlassen wird, …"
… Das sind die Pensionsverpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern in Höhe von etwa 24 Millionen Euro. …
"… Das heißt das Land Berlin wird mit dieser Veräußerung der KPM an einen Investor letztendlich von weiteren Ansprüchen und Haftung freigestellt und neben der Sicherung von Arbeitsplätzen und der Gewinnung von neuer Zukunftsperspektive für das Unternehmen, glaube ich, ist auch dieses ein positiver Bestandteil jetzt aus Landessicht."
Jochen Esser von den Grünen bleibt skeptisch. Er bezweifelt, dass man angesichts der Konkurrenz der Billiglohnländer mit der Herstellung von Porzellan in Deutschland gute Geschäfte machen kann:
"Der Hauptfehler des Vertrages mit dem Investor war von Anfang an, dass im Falle einer Insolvenz des Unternehmens die Namensrechte, nämlich die drei Buchstaben KPM, das ist, glaube ich, das Werthaltigste, was das Unternehmen hat, dann tatsächlich an den Investor fallen und das Land das nicht mehr schützen kann. Und ich glaube, die Versuchung ist unglaublich groß, in letzter Konsequenz das Unternehmen scheitern zu lassen und dann diese drei Buchstaben zu verwerten, die etwa in Länder, wo man sehr viel billiger Porzellan malen kann in Südostasien zu verkaufen und gleichzeitig dann diese Immobilie in der Hand zu haben, die wunderbar hergerichtet ist und damit ein ganz anderes Business zu betreiben."
Jörg Woltmann, KPM:
"Gibt keinerlei Überlegungen zu verscherbeln, das könnte ich mir als Berliner auch gar nicht erlauben, möchte ich mir auch nicht erlauben und würde ich mir auch nicht erlauben."
"Wir haben für das Land Berlin in diesen zurückliegenden Jahren Grundstücke im Wert von über einer Milliarde Euro verkauft, wir haben mehr als 850 Millionen Euro bereits an das Land Berlin als Erlös abgeführt, das ist der fiskalische Effekt, aber wenn wir Grundstücke verkaufen, dann passiert was auf diesen Grundstücken, dann wird investiert, und das sind die weiteren Effekte, die durch unsere Tätigkeit, durch die Privatisierung öffentlichen Vermögens entstehen, es werden Arbeitsplätze geschaffen, es wird die Stadt gestaltet, es werden Investitionen getätigt in die Stadt, und das ist ein weitaus größeres Volumen als die Betrachtung rein reduziert auf die Kaufpreise."
Holger Lippmann ist Geschäftsführer des Liegenschaftsfonds, einer Institution, die das Land Berlin 2001 ins Leben rief, um die Probleme beim Verkauf landeseigener Grundstücke in den Griff zu bekommen. Der Liegenschaftsfond vermarktet seitdem alle öffentlichen Immobilien. Und davon gibt es in Berlin seit der Wiedervereinigung mehr als genug. Schneller und reibungsloser soll es gehen, Geschäfte, die früher in zeitraubender Abstimmung zwischen Finanzverwaltung, Fachbehörden, Bezirksämtern und Abgeordnetenhaus abgewickelt wurden, werden seitdem zentral vom Liegenschaftsfond gemanagt.
"Insbesondere ausländische Anleger finden Berlin unglaublich attraktiv, auch mit erheblichen Potenzialen in der Zukunft besetzt, davon profitiert momentan der Immobilienmarkt im Verkauf von Grundstücken, das ist noch nicht so richtig getragen durch eine Entwicklung im Bürovermietungsbereich."
Sechseinhalb Millionen Quadratmeter hat der Liegenschaftsfond seit 2001 verkauft. In den Bieterverfahren geht es fast immer darum, den höchsten Preis zu erzielen, aber das Beispiel KPM zeigt, dass auch andere Gründe ausschlaggebend sein können für den Verkauf eines Grundstücks: hier der Erhalt von Arbeitsplätzen. Klaus Teichert, Staatssekretär in der Senatsfinanzverwaltung und Aufsichtsratsvorsitzender des Liegenschaftsfonds.
"Selbst wenn wir aber ein Grundstück zu 80 Prozent des Verkehrswertes verkaufen, dann entsteht natürlich auf diesem Grundstück eine Wertschöpfung, weil darauf eine Immobilie errichtet wird. Insgesamt also eine sehr erfolgreiche Geschichte, und jeder, der behauptet, das Land Berlin würde Millionen bei den Immobilienverkäufen verlieren, tut das vor einem falschen Hintergrund, die Tatsachen sind andere."
Der Berliner Senat setzt jedoch unterschiedliche Prioritäten: hier das Beispiel KPM, dort der Fall eines Ärztehauses im Szenebezirk Kreuzberg-Friedrichshain. Der Liegenschaftsfond will insgesamt 50 Grundstücke im Paket veräußern, darunter das Ärztehaus. Deshalb bekamen die Ärzte vor kurzem mitgeteilt, dass ihre Mietverträge nicht verlängert würden. Holger Lippmann.
"Ein Paketverkauf, da beschränken wir uns dann rein auf das fiskalische Ziel: wir wollen damit Kaufpreise realisieren und weniger Einfluss nehmen, was mit den Grundstücken und auf den Grundstücken passiert. Deswegen ist es auch sehr schwierig gewesen, diese Grundstücke zu selektieren, zusammenzustellen, und darum spannen sich dann auch die Kritik und auch die Diskussion, welches Grundstück soll in das Paket und welches nicht, wo hat das Land Berlin noch speziellere Interessen und will auch Einfluss nehmen auf das, was passiert, und das ist das Besondere an dem Paket, da muss man sich dann von solchen anderen Zielstellungen verabschieden, da geht es dann wirklich nur noch um die Einnahme, die wir realisieren und die Vorteile, die wir durch einen solchen Paketverkauf für das Land Berlin umsetzen."
Einen Gesamtwert von etwa 80 Millionen Euro soll das Paket haben, ein isländischer Finanzinvestor hat sein Interesse an dem Deal bekundet. Auch Alexander Kaczmarek, haushaltspolitischer Sprecher der Oppositionsfraktion der CDU findet das Geschäftsmodell grundsätzlich erwägenswert.
"Wir haben ja wirklich Junk-Immobilien, die werden Sie so nicht los. Wenn Sie die auf dem Markt anbieten, sagt jeder ‚nee, danke schön’. Also irgendwelche Abstandsflächen und ähnliches, wo du nicht mal mehr eine Imbissbude drauf stellen kannst, aber die müssen auch weg, weil sie schlichtweg Geld kosten, und die Frage ist: kann man sie in ein Gesamtpaket packen mit ein paar guten Grundstücken und insgesamt einen vernünftigen Preis erzielen. Das muss man einfach mal austesten."
Kritiker jedoch bemängeln, dass es kein wirkliches Regelwerk gebe, nach welchen Kriterien außer dem Höchstpreis das Land Berlin seinen Großgrundbesitz veräußert. Nur so sei zu erklären, wieso Finanz- und Wirtschaftsverwaltung Jahre lang kein schlüssiges Verkaufskonzept für das ehemalige DDR-Rundfunkgelände in der Nalepastraße in Berlin-Niederschöneweide entwickelt hätten.
Das ehemalige DDR-Rundfunkgelände kann nur betreten, wer einen Passierschein hat oder wenigstens bei einer der ansässigen Firmen angemeldet ist. Der Wachschutzbeamte erklärt, das Ganze sei ein Industriegelände, deshalb die strengen Auflagen. Und, fügt er hinzu, ‚hoffentlich passiert hier endlich was’.
Wenn ein Grundstücksdeal in den vergangenen Monaten die Gemüter erregt hat, dann der des ehemaligen DDR-Rundfunkgeländes in der Nalepastraße.
"Unprofessionell, nachlässig und leichtfertig …"
… sei das Geschäft getätigt worden, urteilte der Landesrechnungshof von Sachsen-Anhalt.
"Das Gelände wurde deutlich unter Wert verkauft."
Zum Hintergrund: Das ehemalige DDR-Rundfunkgelände ging nach der Wende in den Besitz der fünf neuen Bundesländer und Berlins über. Jahrelang fand sich kein Käufer, 2004 übernahm die Liegenschafts- und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt, kurz Limsa die Vermarktung. Ende 2005 fand die Limsa endlich einen Käufer: für 175.000 Euro ging die Immobilie an eine sachsen-anhaltinische Baumaschinenfirma. Deren Geschäftsführer teilten das Gelände sofort in drei Grundstücke auf und versteigerten das Begehrteste unter ihnen: das, auf dem sich der über die nationalen Grenzen hinaus bekannte Sendesaal befindet. Verkaufserlös: 3,9 Millionen Euro. Mehr als zwanzig Mal soviel wie das, was die Limsa für den Verkauf aller drei Grundstücke erhielt. ‚Skandal’, hallte es aus den Medien. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin beschäftigten sich Sonderausschüsse mit der Angelegenheit.
Nun also ist es amtlich: die Limsa habe …
"… unprofessionell, nachlässig und leichtfertig …"
… gehandelt, urteilte der Landesrechnungshof von Sachsen-Anhalt. – Doch wie konnte es soweit kommen? Und warum hat gerade das Land Berlin keine aktivere Rolle bei der Vermarktung des Geländes gespielt?
"Wir sind politisch viel früher initiativ geworden, …"
Harald Wolf, Berlins Wirtschaftssenator.
"… Wir haben intensiv mit der Senatsverwaltung für Finanzen, die ja die gesamte Zuständigkeit für das Veräußerungsverfahren hatte, gerungen über die Frage, dass der Liegenschaftsfond die Geschäftsbesorgung unternimmt und dann professionell in die Vermarktung geht, Ende des Jahres 2005 waren wir dann auch erfolgreich, ich glaube im Oktober hat "Finanzen" dieser Strategie zugestimmt, der Liegenschaftsfond hätte zum 1.1.2006 die Geschäftsbesorgung übernommen, so war das Angebot an die anderen Länder, leider hat die Limsa genau in diesem Zwischenraum verkauft."
"Die Aussage in dieser Deutlichkeit würde ich fast schon für eine Unwahrheit, die man äußert, halten. …"
Jochen Esser, Bündnis 90/Die Grünen.
"… Die Nalepastraße war in der Hand einer ‚Gesellschaft Bürgerlichen Rechts’. Und da werden etwa die Verträge über Verkäufe oder aber auch über Geschäftsbesorgung und den Auftrag, den Verkauf zu machen, einstimmig gefasst. Da ging gar nichts gegen den Willen und ohne die Zustimmung Berlins an den entscheidenden Stellen. Und die Sache ist so gelaufen, wie sie gelaufen ist. Und daraus muss man schließen, dass an keiner dieser Stellen das Land Berlin seine Position – da, wo Einstimmigkeit erforderlich war – wirklich geltend gemacht hat."
Der Landesrechnungshof von Sachsen-Anhalt kommt zum gleichen Ergebnis.
"Wenn Berlin das schlechte Geschäft hätte verhindern wollen, hätte es nur seine Verkaufsvollmacht zurückziehen müssen. Das ist nicht geschehen."
Juristisch gesehen ist eine Rückabwicklung des gesamten Grundstücksdeals vielleicht möglich, das wird zurzeit geprüft, die Verantwortlichen im Land Berlin scheinen an dieser Variante jedoch nicht interessiert zu sein, denn dann würde das gesamte Grundstück an die fünf neuen Länder und Berlin zurückgehen – nicht nur der begehrte Teil mit dem modernen Sendesaal. Klaus Teichert, Staatssekretär in der Berliner Finanzverwaltung.
"Sie müssen ja sehen, dass neben dem Grundstück, das jetzt verkauft wird, auch noch weitere Grundstücke da sind, unter anderem ein Grundstück, das mit Altlasten aus einem Tankstofflager belastet ist. Und man müsste die Verkaufserlöse des einen Grundstücks gegen die Altlastenbeseitigung des anderen Grundstücks zunächst mal gegen rechnen. Nach überschlägiger Ermittlung belaufen sich die Sanierungskosten auf etwa drei Millionen Euro für dieses belastete Grundstück. Und die anderen Länder haben uns wissen lassen, dass sie an einer Rückabwicklung nicht interessiert sind, sie würden dem nicht im Wege stehen unter der Voraussetzung, dass das Land Berlin sämtliche finanziellen Risiken, die sich daraus ergeben, alleine trägt. Das Risiko beträgt einfach im Augenblick 100 bis 150.000 Euro Betriebskostenrisiko, das dann voll und ganz zu Lasten des Landes Berlin gehen würde."
100 bis 150.000 Euro monatlich. Ein Batzen Geld, das gibt auch Jochen Esser von den Grünen zu, aber …
"Dass da eine Entwicklungschance verdaddelt worden ist, das scheint mir völlig unabweisbar, da können die sich beim Senat drehen und wenden, wie man will. Wir betreiben andere Entwicklungsmaßnahmen, die versuchen wir zu stemmen, da sind wir bereit, Geld in die Hand zu nehmen, wenn man das miteinander vergleicht, dann hat man bei der Nalepastraße nicht richtig hingeguckt, sondern nur unter dem Gesichtspunkt ‚schon wieder so ein DDR-Schrott, weg damit’."
"Nicht richtig hingeguckt", diesen Vorwurf muss sich die Finanzverwaltung schließlich auch in Sachen Spreedreieck gefallen lassen, einem Filetgrundstück in Berlins City rund um den Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße. Einem Hamburger Investor verkaufte sie dort versehentlich ein kleines Grundstück, das dem Land Berlin gar nicht gehörte, sondern der Deutschen Bahn. Weil der Investor mit einer gewaltigen Schadenersatzklage drohte, gab man ihm zum Ausgleich 7,9 Millionen Euro und zwei andere Flurstücke rund um den Tränenpalast. Alexander Kaczmarek, Haushaltspolitischer Sprecher der CDU.
"Was die Verwaltung da gemacht hat, ist wirklich ein Stück aus dem Tollhaus, das müsste eigentlich nach allen Regeln der Kunst auch Regressforderungen gegen die Beteiligten nach sich ziehen. Weil: dass niemand erkennen konnte, dass der S-Bahn-Eingang, der schon seit 1938 existiert und seither immer der Deutschen Reichsbahn oder den Rechtsnachfolgern gehört hat, dass diese Fläche, die dazu gehört, nicht dem Land Berlin gehört und dass man die deswegen auch nicht verkaufen kann, dass das keiner erkennen konnte, das scheint mir nun wirklich grob fahrlässig zu sein oder schlimmeres."
Klaus Teichert, Staatssekretär Senatsverwaltung für Finanzen.
"Räume ich ein, dass das ein Geschäft war, das mehr Haken und Ösen hatte als es erforderlich gewesen wäre, gleichwohl ist es zum Schluss zu einer einvernehmlichen Regelung mit dem Investor gekommen."
2005 hat der Investor auch den Tränenpalast gekauft, nun gehört ihm das gesamte Areal, das so genannte Spreedreieck. Im Herbst will er anfangen zu bauen, am liebsten höher als vertraglich vereinbart. Die Unterstützung mancher Politiker hat er.
"Schon in der ersten Sitzung, wo dieser Bebauungsplan jetzt festgestellt werden musste, kamen schon die ersten SPD-Abgeordneten und CDU-Abgeordnete und FDP-Abgeordnete mit einer Protokollnotiz zumindest, in der steht: sie können sich vorstellen, dass das doch Blödsinn ist, das da so stark eingeschränkt zu lassen, das sei doch ein innerstädtisches Filetstück und stadtbaulich eine äußerst wichtige Lage, und da solle man den Investor doch in die Höhe bauen lassen. Das stünde dann in keinem Verhältnis mehr, was der für den Quadratmeter für diese Grundstücke gezahlt hat, die waren ja so billig unter der Voraussetzung, dass man da nicht in die Höhe bauen kann. So, und das ist schon auf der ersten Sitzung, jetzt denke man doch drei, vier, fünf Jahre weiter."
Inzwischen hat der Bauherr beantragt, große Teile des Tränenpalastes abzureißen, obwohl der unter Denkmalschutz steht. Für Jochen Esser, den finanzpolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen ist das ein weiteres Indiz dafür, dass das Land Berlin gar nicht sorgfältig genug sein kann beim Verkauf seiner Grundstücke.
"Wir verkaufen hier öffentliches Eigentum, das gehört den Berlinerinnen und Berlinern tatsächlich, und da muss sich jeder Verkauf, der als skandalös oder als falsch, als nicht zukunftsorientiert empfunden wird, oder als zu teuer oder zu billig, der öffentlichen Diskussion auch stellen, denn schließlich gehört es eigentlich den Einwohnern von Berlin, und die haben ja wohl ein Anrecht zu wissen, was mit ihrem Eigentum, wenn es auch weit von ihnen weg ist, passiert, die haben ein Anrecht, mindestens so viel zu wissen wie ein Aktionär über das Unternehmen, an dem er beteiligt ist."
Eigentümer Jörg Woltmann, Geschäftsführer Winfried Vogler und Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf haben der Presse etwas mitzuteilen: die Königliche Porzellan Manufaktur KPM ist auf einem guten Weg. Geschäftsführer Winfried Vogler.
"Wir haben festgestellt, dass dieser Fall KPM überhaupt kein Sanierungsfall ist wie man Sanierungsfälle kennt. In der Regel versucht man Kosten zu senken, unrentable Teile des Betriebes stillzulegen und auf dieser Basis neu wieder anzufangen. Das können wir überhaupt nicht. Wir müssen in unserem Fall aufstocken. Wir können nicht schrumpfen, wir müssen wachsen."
Seit einem halben Jahr hat die KPM eine neue Leitung. Der Bankier Jörg Woltmann hat dem Land Berlin das finanziell schwer angeschlagene Unternehmen abgekauft. KPM stand kurz vor der Insolvenz. Jetzt verbreiten die neuen Macher grenzenlosen Optimismus: die ersten sechs Monate hätten gezeigt, was drinstecke in der Marke KPM, man wolle sie als weltweit führende Luxusmarke im Porzellanbereich positionieren, Aufträge aus dem Ausland gäbe es bereits, 2009 spätestens wolle man schwarze Zahlen schreiben, und wenn man das wider Erwarten nicht schaffe, na dann werde er eben ein halbes Jahr länger Geld zuschießen, verspricht Eigentümer Jörg Woltmann.
"Ich sage ganz klar: die KPM bleibt in Berlin, die KPM bleibt hier an diesem Standort, und es wird ausschließlich hier in Berlin an diesem Standort produziert werden, etwas anderes als KPM wird hier nicht passieren."
Und Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf sekundiert:
"Ich habe in den Gesprächen mit Herrn Woltmann den Eindruck gewonnen, hier ist wirklich ein hohes Engagement für Berlin, ein hohes Engagement für das Kulturgut KPM und eben auch die Bereitschaft, in das eigene Risiko zu gehen. Und wenn ich da unternehmerische Entscheidungen beurteilen kann, ist natürlich die Frage, ‚geht jemand ins eigene Risiko für mich’ ein ganz wichtiger Punkt, danach zu sehen: ‚was kann ich auch in Zukunft davon erwarten’?"
Der Verkauf von KPM an den privaten Investor war eines der umstrittensten Grundstücksgeschäfte Berlins in den vergangenen Jahren. Für 13,5 Millionen Euro, heißt es, seien das Unternehmen und auch das Grundstück an Jörg Woltmann gegangen. Und das, obwohl man kurz vorher die Baudenkmäler auf dem Gelände für etwa 26 Millionen Euro hatte sanieren lassen und der Wert der Immobilie mindestens 30 Millionen Euro beträgt. Sagt Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. KPM – das sei das Paradebeispiel für einen verpatzten Grundstücksdeal.
"Das Gelände der KPM am Tiergarten ist so ein Fall, wo wir in das Unternehmen und in die Herrichtung des Geländes 50 Millionen Euro versenkt haben und bestenfalls 14 von dem neuen Erwerber zurückbekommen für das Unternehmen einerseits und für das Gelände andererseits und dann eben einen hohen Vermögensschaden angerichtet haben."
Einspruch: 160 Arbeitsplätze konnten gesichert werden, das sei von übergeordnetem wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischem Interesse, entgegnet der zuständige Senator Harald Wolf. Er sei überzeugt, dass der neue Eigentümer das Gelände auch nicht weiter verkaufe.
"Was das Grundstück angeht, das ist dem Parlament und den Oppositionsparteien bekannt, gibt es eine klare Spekulationsklausel, die derartiges verhindern würde, Herr Woltmann hat sich eben auch noch mal selbst dazu bekannt, insofern sehe ich da im Moment keinen Anlass zum Zweifel, ansonsten ist die vertragliche Konstruktion die, dass das Land Berlin jetzt zum Beispiel auch Belastungen aus der VBL in die Zukunft entlassen wird, …"
… Das sind die Pensionsverpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern in Höhe von etwa 24 Millionen Euro. …
"… Das heißt das Land Berlin wird mit dieser Veräußerung der KPM an einen Investor letztendlich von weiteren Ansprüchen und Haftung freigestellt und neben der Sicherung von Arbeitsplätzen und der Gewinnung von neuer Zukunftsperspektive für das Unternehmen, glaube ich, ist auch dieses ein positiver Bestandteil jetzt aus Landessicht."
Jochen Esser von den Grünen bleibt skeptisch. Er bezweifelt, dass man angesichts der Konkurrenz der Billiglohnländer mit der Herstellung von Porzellan in Deutschland gute Geschäfte machen kann:
"Der Hauptfehler des Vertrages mit dem Investor war von Anfang an, dass im Falle einer Insolvenz des Unternehmens die Namensrechte, nämlich die drei Buchstaben KPM, das ist, glaube ich, das Werthaltigste, was das Unternehmen hat, dann tatsächlich an den Investor fallen und das Land das nicht mehr schützen kann. Und ich glaube, die Versuchung ist unglaublich groß, in letzter Konsequenz das Unternehmen scheitern zu lassen und dann diese drei Buchstaben zu verwerten, die etwa in Länder, wo man sehr viel billiger Porzellan malen kann in Südostasien zu verkaufen und gleichzeitig dann diese Immobilie in der Hand zu haben, die wunderbar hergerichtet ist und damit ein ganz anderes Business zu betreiben."
Jörg Woltmann, KPM:
"Gibt keinerlei Überlegungen zu verscherbeln, das könnte ich mir als Berliner auch gar nicht erlauben, möchte ich mir auch nicht erlauben und würde ich mir auch nicht erlauben."
"Wir haben für das Land Berlin in diesen zurückliegenden Jahren Grundstücke im Wert von über einer Milliarde Euro verkauft, wir haben mehr als 850 Millionen Euro bereits an das Land Berlin als Erlös abgeführt, das ist der fiskalische Effekt, aber wenn wir Grundstücke verkaufen, dann passiert was auf diesen Grundstücken, dann wird investiert, und das sind die weiteren Effekte, die durch unsere Tätigkeit, durch die Privatisierung öffentlichen Vermögens entstehen, es werden Arbeitsplätze geschaffen, es wird die Stadt gestaltet, es werden Investitionen getätigt in die Stadt, und das ist ein weitaus größeres Volumen als die Betrachtung rein reduziert auf die Kaufpreise."
Holger Lippmann ist Geschäftsführer des Liegenschaftsfonds, einer Institution, die das Land Berlin 2001 ins Leben rief, um die Probleme beim Verkauf landeseigener Grundstücke in den Griff zu bekommen. Der Liegenschaftsfond vermarktet seitdem alle öffentlichen Immobilien. Und davon gibt es in Berlin seit der Wiedervereinigung mehr als genug. Schneller und reibungsloser soll es gehen, Geschäfte, die früher in zeitraubender Abstimmung zwischen Finanzverwaltung, Fachbehörden, Bezirksämtern und Abgeordnetenhaus abgewickelt wurden, werden seitdem zentral vom Liegenschaftsfond gemanagt.
"Insbesondere ausländische Anleger finden Berlin unglaublich attraktiv, auch mit erheblichen Potenzialen in der Zukunft besetzt, davon profitiert momentan der Immobilienmarkt im Verkauf von Grundstücken, das ist noch nicht so richtig getragen durch eine Entwicklung im Bürovermietungsbereich."
Sechseinhalb Millionen Quadratmeter hat der Liegenschaftsfond seit 2001 verkauft. In den Bieterverfahren geht es fast immer darum, den höchsten Preis zu erzielen, aber das Beispiel KPM zeigt, dass auch andere Gründe ausschlaggebend sein können für den Verkauf eines Grundstücks: hier der Erhalt von Arbeitsplätzen. Klaus Teichert, Staatssekretär in der Senatsfinanzverwaltung und Aufsichtsratsvorsitzender des Liegenschaftsfonds.
"Selbst wenn wir aber ein Grundstück zu 80 Prozent des Verkehrswertes verkaufen, dann entsteht natürlich auf diesem Grundstück eine Wertschöpfung, weil darauf eine Immobilie errichtet wird. Insgesamt also eine sehr erfolgreiche Geschichte, und jeder, der behauptet, das Land Berlin würde Millionen bei den Immobilienverkäufen verlieren, tut das vor einem falschen Hintergrund, die Tatsachen sind andere."
Der Berliner Senat setzt jedoch unterschiedliche Prioritäten: hier das Beispiel KPM, dort der Fall eines Ärztehauses im Szenebezirk Kreuzberg-Friedrichshain. Der Liegenschaftsfond will insgesamt 50 Grundstücke im Paket veräußern, darunter das Ärztehaus. Deshalb bekamen die Ärzte vor kurzem mitgeteilt, dass ihre Mietverträge nicht verlängert würden. Holger Lippmann.
"Ein Paketverkauf, da beschränken wir uns dann rein auf das fiskalische Ziel: wir wollen damit Kaufpreise realisieren und weniger Einfluss nehmen, was mit den Grundstücken und auf den Grundstücken passiert. Deswegen ist es auch sehr schwierig gewesen, diese Grundstücke zu selektieren, zusammenzustellen, und darum spannen sich dann auch die Kritik und auch die Diskussion, welches Grundstück soll in das Paket und welches nicht, wo hat das Land Berlin noch speziellere Interessen und will auch Einfluss nehmen auf das, was passiert, und das ist das Besondere an dem Paket, da muss man sich dann von solchen anderen Zielstellungen verabschieden, da geht es dann wirklich nur noch um die Einnahme, die wir realisieren und die Vorteile, die wir durch einen solchen Paketverkauf für das Land Berlin umsetzen."
Einen Gesamtwert von etwa 80 Millionen Euro soll das Paket haben, ein isländischer Finanzinvestor hat sein Interesse an dem Deal bekundet. Auch Alexander Kaczmarek, haushaltspolitischer Sprecher der Oppositionsfraktion der CDU findet das Geschäftsmodell grundsätzlich erwägenswert.
"Wir haben ja wirklich Junk-Immobilien, die werden Sie so nicht los. Wenn Sie die auf dem Markt anbieten, sagt jeder ‚nee, danke schön’. Also irgendwelche Abstandsflächen und ähnliches, wo du nicht mal mehr eine Imbissbude drauf stellen kannst, aber die müssen auch weg, weil sie schlichtweg Geld kosten, und die Frage ist: kann man sie in ein Gesamtpaket packen mit ein paar guten Grundstücken und insgesamt einen vernünftigen Preis erzielen. Das muss man einfach mal austesten."
Kritiker jedoch bemängeln, dass es kein wirkliches Regelwerk gebe, nach welchen Kriterien außer dem Höchstpreis das Land Berlin seinen Großgrundbesitz veräußert. Nur so sei zu erklären, wieso Finanz- und Wirtschaftsverwaltung Jahre lang kein schlüssiges Verkaufskonzept für das ehemalige DDR-Rundfunkgelände in der Nalepastraße in Berlin-Niederschöneweide entwickelt hätten.
Das ehemalige DDR-Rundfunkgelände kann nur betreten, wer einen Passierschein hat oder wenigstens bei einer der ansässigen Firmen angemeldet ist. Der Wachschutzbeamte erklärt, das Ganze sei ein Industriegelände, deshalb die strengen Auflagen. Und, fügt er hinzu, ‚hoffentlich passiert hier endlich was’.
Wenn ein Grundstücksdeal in den vergangenen Monaten die Gemüter erregt hat, dann der des ehemaligen DDR-Rundfunkgeländes in der Nalepastraße.
"Unprofessionell, nachlässig und leichtfertig …"
… sei das Geschäft getätigt worden, urteilte der Landesrechnungshof von Sachsen-Anhalt.
"Das Gelände wurde deutlich unter Wert verkauft."
Zum Hintergrund: Das ehemalige DDR-Rundfunkgelände ging nach der Wende in den Besitz der fünf neuen Bundesländer und Berlins über. Jahrelang fand sich kein Käufer, 2004 übernahm die Liegenschafts- und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt, kurz Limsa die Vermarktung. Ende 2005 fand die Limsa endlich einen Käufer: für 175.000 Euro ging die Immobilie an eine sachsen-anhaltinische Baumaschinenfirma. Deren Geschäftsführer teilten das Gelände sofort in drei Grundstücke auf und versteigerten das Begehrteste unter ihnen: das, auf dem sich der über die nationalen Grenzen hinaus bekannte Sendesaal befindet. Verkaufserlös: 3,9 Millionen Euro. Mehr als zwanzig Mal soviel wie das, was die Limsa für den Verkauf aller drei Grundstücke erhielt. ‚Skandal’, hallte es aus den Medien. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin beschäftigten sich Sonderausschüsse mit der Angelegenheit.
Nun also ist es amtlich: die Limsa habe …
"… unprofessionell, nachlässig und leichtfertig …"
… gehandelt, urteilte der Landesrechnungshof von Sachsen-Anhalt. – Doch wie konnte es soweit kommen? Und warum hat gerade das Land Berlin keine aktivere Rolle bei der Vermarktung des Geländes gespielt?
"Wir sind politisch viel früher initiativ geworden, …"
Harald Wolf, Berlins Wirtschaftssenator.
"… Wir haben intensiv mit der Senatsverwaltung für Finanzen, die ja die gesamte Zuständigkeit für das Veräußerungsverfahren hatte, gerungen über die Frage, dass der Liegenschaftsfond die Geschäftsbesorgung unternimmt und dann professionell in die Vermarktung geht, Ende des Jahres 2005 waren wir dann auch erfolgreich, ich glaube im Oktober hat "Finanzen" dieser Strategie zugestimmt, der Liegenschaftsfond hätte zum 1.1.2006 die Geschäftsbesorgung übernommen, so war das Angebot an die anderen Länder, leider hat die Limsa genau in diesem Zwischenraum verkauft."
"Die Aussage in dieser Deutlichkeit würde ich fast schon für eine Unwahrheit, die man äußert, halten. …"
Jochen Esser, Bündnis 90/Die Grünen.
"… Die Nalepastraße war in der Hand einer ‚Gesellschaft Bürgerlichen Rechts’. Und da werden etwa die Verträge über Verkäufe oder aber auch über Geschäftsbesorgung und den Auftrag, den Verkauf zu machen, einstimmig gefasst. Da ging gar nichts gegen den Willen und ohne die Zustimmung Berlins an den entscheidenden Stellen. Und die Sache ist so gelaufen, wie sie gelaufen ist. Und daraus muss man schließen, dass an keiner dieser Stellen das Land Berlin seine Position – da, wo Einstimmigkeit erforderlich war – wirklich geltend gemacht hat."
Der Landesrechnungshof von Sachsen-Anhalt kommt zum gleichen Ergebnis.
"Wenn Berlin das schlechte Geschäft hätte verhindern wollen, hätte es nur seine Verkaufsvollmacht zurückziehen müssen. Das ist nicht geschehen."
Juristisch gesehen ist eine Rückabwicklung des gesamten Grundstücksdeals vielleicht möglich, das wird zurzeit geprüft, die Verantwortlichen im Land Berlin scheinen an dieser Variante jedoch nicht interessiert zu sein, denn dann würde das gesamte Grundstück an die fünf neuen Länder und Berlin zurückgehen – nicht nur der begehrte Teil mit dem modernen Sendesaal. Klaus Teichert, Staatssekretär in der Berliner Finanzverwaltung.
"Sie müssen ja sehen, dass neben dem Grundstück, das jetzt verkauft wird, auch noch weitere Grundstücke da sind, unter anderem ein Grundstück, das mit Altlasten aus einem Tankstofflager belastet ist. Und man müsste die Verkaufserlöse des einen Grundstücks gegen die Altlastenbeseitigung des anderen Grundstücks zunächst mal gegen rechnen. Nach überschlägiger Ermittlung belaufen sich die Sanierungskosten auf etwa drei Millionen Euro für dieses belastete Grundstück. Und die anderen Länder haben uns wissen lassen, dass sie an einer Rückabwicklung nicht interessiert sind, sie würden dem nicht im Wege stehen unter der Voraussetzung, dass das Land Berlin sämtliche finanziellen Risiken, die sich daraus ergeben, alleine trägt. Das Risiko beträgt einfach im Augenblick 100 bis 150.000 Euro Betriebskostenrisiko, das dann voll und ganz zu Lasten des Landes Berlin gehen würde."
100 bis 150.000 Euro monatlich. Ein Batzen Geld, das gibt auch Jochen Esser von den Grünen zu, aber …
"Dass da eine Entwicklungschance verdaddelt worden ist, das scheint mir völlig unabweisbar, da können die sich beim Senat drehen und wenden, wie man will. Wir betreiben andere Entwicklungsmaßnahmen, die versuchen wir zu stemmen, da sind wir bereit, Geld in die Hand zu nehmen, wenn man das miteinander vergleicht, dann hat man bei der Nalepastraße nicht richtig hingeguckt, sondern nur unter dem Gesichtspunkt ‚schon wieder so ein DDR-Schrott, weg damit’."
"Nicht richtig hingeguckt", diesen Vorwurf muss sich die Finanzverwaltung schließlich auch in Sachen Spreedreieck gefallen lassen, einem Filetgrundstück in Berlins City rund um den Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße. Einem Hamburger Investor verkaufte sie dort versehentlich ein kleines Grundstück, das dem Land Berlin gar nicht gehörte, sondern der Deutschen Bahn. Weil der Investor mit einer gewaltigen Schadenersatzklage drohte, gab man ihm zum Ausgleich 7,9 Millionen Euro und zwei andere Flurstücke rund um den Tränenpalast. Alexander Kaczmarek, Haushaltspolitischer Sprecher der CDU.
"Was die Verwaltung da gemacht hat, ist wirklich ein Stück aus dem Tollhaus, das müsste eigentlich nach allen Regeln der Kunst auch Regressforderungen gegen die Beteiligten nach sich ziehen. Weil: dass niemand erkennen konnte, dass der S-Bahn-Eingang, der schon seit 1938 existiert und seither immer der Deutschen Reichsbahn oder den Rechtsnachfolgern gehört hat, dass diese Fläche, die dazu gehört, nicht dem Land Berlin gehört und dass man die deswegen auch nicht verkaufen kann, dass das keiner erkennen konnte, das scheint mir nun wirklich grob fahrlässig zu sein oder schlimmeres."
Klaus Teichert, Staatssekretär Senatsverwaltung für Finanzen.
"Räume ich ein, dass das ein Geschäft war, das mehr Haken und Ösen hatte als es erforderlich gewesen wäre, gleichwohl ist es zum Schluss zu einer einvernehmlichen Regelung mit dem Investor gekommen."
2005 hat der Investor auch den Tränenpalast gekauft, nun gehört ihm das gesamte Areal, das so genannte Spreedreieck. Im Herbst will er anfangen zu bauen, am liebsten höher als vertraglich vereinbart. Die Unterstützung mancher Politiker hat er.
"Schon in der ersten Sitzung, wo dieser Bebauungsplan jetzt festgestellt werden musste, kamen schon die ersten SPD-Abgeordneten und CDU-Abgeordnete und FDP-Abgeordnete mit einer Protokollnotiz zumindest, in der steht: sie können sich vorstellen, dass das doch Blödsinn ist, das da so stark eingeschränkt zu lassen, das sei doch ein innerstädtisches Filetstück und stadtbaulich eine äußerst wichtige Lage, und da solle man den Investor doch in die Höhe bauen lassen. Das stünde dann in keinem Verhältnis mehr, was der für den Quadratmeter für diese Grundstücke gezahlt hat, die waren ja so billig unter der Voraussetzung, dass man da nicht in die Höhe bauen kann. So, und das ist schon auf der ersten Sitzung, jetzt denke man doch drei, vier, fünf Jahre weiter."
Inzwischen hat der Bauherr beantragt, große Teile des Tränenpalastes abzureißen, obwohl der unter Denkmalschutz steht. Für Jochen Esser, den finanzpolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen ist das ein weiteres Indiz dafür, dass das Land Berlin gar nicht sorgfältig genug sein kann beim Verkauf seiner Grundstücke.
"Wir verkaufen hier öffentliches Eigentum, das gehört den Berlinerinnen und Berlinern tatsächlich, und da muss sich jeder Verkauf, der als skandalös oder als falsch, als nicht zukunftsorientiert empfunden wird, oder als zu teuer oder zu billig, der öffentlichen Diskussion auch stellen, denn schließlich gehört es eigentlich den Einwohnern von Berlin, und die haben ja wohl ein Anrecht zu wissen, was mit ihrem Eigentum, wenn es auch weit von ihnen weg ist, passiert, die haben ein Anrecht, mindestens so viel zu wissen wie ein Aktionär über das Unternehmen, an dem er beteiligt ist."