Vom Plattenteller in die Politik
Der Musikmanager Tim Renner wird neuer Kulturstaatssekretär in Berlin, teilte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mit. Der 49-Jährige war einst Geschäftsführer von Universal Music in Deutschland und gründete den Radiosender Motor FM.
Der Selfmade-Man hatte sich die Erneuerung des Musikmarkts in Deutschland auf die Fahnen geschrieben. In seinem dritten, 2013 veröffentlichten Sachbuch "Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten - Die Wahrheit über die Popindustrie" geht es darum, wie es möglich ist, in den Ruinen der alten Musikwirtschaft wieder Spaß und Erfolg zu haben.
Quälende Geräusche
Als 16-Jähriger spielte er in der Punkband "Quälende Geräusche" und gab ein Kassetten-Fanzine heraus. Als Musikmanager nahm er so unterschiedliche Bands wie "Element of Crime", "Rammstein" und "Tocotronic" unter Vertrag. Sein 2005 gemeinsam mit Viva-Chef Dieter Gorny gegründeter Berliner Radiosender Motor FM sollte sich hauptsächlich über Downloads finanzieren. Er leitet derzeit das von ihm gegründete Musiklabel Motor.
Aushängeschild der Kreativszene
"Tim Renner steht für diese Stadt und für die Kreativszene", lobte Klaus Wowereit den neuen Kollegen bei der Vorstellung im Roten Rathaus. Er soll am 28. April auf André Schmitz folgen, der wegen einer Steueraffäre zurückgetreten war. Renner ist SPD-Mitglied, war bislang aber nicht in der Politik tätig.
In Berlin ist der Kultur-Staatssekretär der ranghöchste Kulturpolitiker des Landes nach dem Regierenden Bürgermeister. Er ist auch für die Belange der Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständig. Renner soll am kommenden Dienstag vom Senat ernannt werden.
Ex-Senator Hassemer: "Eine erfreuliche Überraschung"
Lob für die Personalie kommt vom ehemaligen Berliner Kultursenator Volker Hassemer (CDU). Er kenne Renner "ziemlich gut" und glaube, "er hat das Zeug" für diese Aufgabe, sagte Hassemer im Deutschlandradio Kultur. Renner sei jemand, "der eine neue Art von Kulturpolitik für Berlin versprechen könnte - und nach meinem Geschmack haben wir das nötig", so Hassemer weiter.
Auch der Vertreter der Freien Szene in Berlin, Christoph Knoch, freut sich über die Wahl: "Renner weiß, wie projektbezogen gearbeitet wird", sagte er im Deutschlandradio Kultur. Verhaltener äußerte sich der Kunstliebhaber Peter Raue. "Das ist ein sehr sympathischer Mann und ich finde nicht nur Leute sympathisch, die ins Theater, in die Oper, ins Konzert gehen. Dort habe ich Tim Renner allerdings in den letzten zehn Jahren ganz bestimmt nicht getroffen", sagte er.
Abschied von alten Systemen
"Die einzige Lösung ist, sich als Künstler von den alten Systemen zu trennen", sagte Renner in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur über die Chancen für Künstler durch die Digitalisierung. Man darf gespannt sein, wie er das in die Politik umsetzt und dabei auch die Opern- und Theaterhäuser der Hauptstadt in den Blick nimmt.
cosa / phe