"Berlin wäre halb verhungert"
60 Jahre nach dem Beginn der Luftbrücke hat der ehemalige US-Offizier und Publizist Toby Rodes an die Bedeutung der damaligen Versorgung Berlins aus der Luft erinnert. Der Erfolg der Luftbrücke sei nicht von Beginn an sicher gewesen, erklärte Rodes.
Jörg Degenhardt: Tempelhof, Rosinenbomber, Kalter Krieg. Heute vor 60 Jahren: Die Sowjetunion blockiert Bahn, Straßen und Schifffahrtsverbindungen nach Berlin. US-Präsident Truman ordnet eine Luftbrücke an. Zu Spitzenzeiten landet alle 61 Sekunden eine Maschine der Amerikaner oder Briten. Sie bringen Kohle, Kartoffeln, Kleidung und vieles mehr. - Ich habe über dieses historische Ereignis der Luftbrücke mit einem Mann gesprochen, der sich in besonderer Weise für den Wiederaufbau und die Freiheit Deutschlands eingesetzt hat, mit Toby E. Rodes, ein Amerikaner mit hessischen Wurzeln. Er hat Deutschland 1933 mit 14 Jahren verlassen und kehrte 1944 als amerikanischer Offizier zurück. Meine erste Frage an ihn: Hitler-Deutschland hatte noch wenige Jahre zuvor Krieg geführt gegen Amerika, jetzt kam von dort lebenswichtige Hilfe. Wo lagen die Motive für diese Unterstützung?
Toby E. Rodes: Berlin war in unserer Meinung am Ende des Krieges ein wichtiger Teil Deutschlands. Und die Russen hatten eigentlich die Absicht, sich Berlin unter den Nagel zu reißen und den Rest eben uns zu überlassen von dem westlichen Teil Deutschlands, den sie nicht hatten. Wir haben damals ja darauf bestanden. Dann war es notwendig, Berlin auch echt zu unterstützen, was schon aus rein technischen Gründen wahnsinnig notwendig war, denn Berlin war ziemlich kaputt.
Degenhardt: Trotzdem noch mal die Nachfrage. Gab es nicht Unverständnis bei den Amerikanern, es haben ja auch viele amerikanische Soldaten im Krieg gegen Hitler, im Kampf gegen Hitler ihr Leben verloren?
Rodes: Unverständnis ist vielleicht das falsche Wort. Es gab einfach eine grundsätzliche, ich würde sagen, Abneigung oder Heruntergucken und sagen, um es ganz grob zu sagen, die Scheiß-Deutschen. Sie haben den Krieg angefangen, und es war natürlich vor allem den schon Gebildeteren, im Sinne von mehr Wissenden, von uns klar, dass dieser Krieg eine Wiederholung von 1917 war, wo wir schon einmal erst nach Anfang, nach ein paar Jahren in den Krieg eingezogen sind. Und wir hatten natürlich Informationen über Deutschland in unserer Sektion, die ja Informationskontrolle nach dem Ende des Krieges hieß. Vorher waren wir psychologische Kriegsführung und haben uns da sehr intensiv mit Deutschland befasst.
Degenhardt: Damit wir die Dramatik der damaligen Lage besser verstehen, was wäre denn ohne die Luftbrücke für Berlin passiert?
Rodes: Ja, Berlin wäre halb verhungert und eingegangen, weil die Russen dafür gesorgt hätten, dass Berlin sich nicht wieder als größere Stadt entwickelt. Aber das war uns schon klar gewesen, als wir im Herbst 45 in Berlin mit den Russen über Informationen und Entwicklungen und Hilfeleistungen und sonst was verhandelten. Da war es schon ganz klar, was die Russen im Sinne hatten.
Degenhardt: Heute wird rückblickend die Luftbrücke als Erfolg gefeiert. Hatten Sie eigentlich auch Sorge, dass die Brücke vielleicht scheitern könnte?
Rodes: Ja, natürlich. Denn, ich meine, das Unterfangen in so einer kurzen Zeit, so viele Flugzeuge und so viel Waren mit diesen Flugzeugen transportieren zu können, damit es nicht verrutscht, und das waren ein Haufen technischer Probleme. Außerdem hatten wir Tempelhof, und Tempelhof ist und war für Landezwecke ziemlich kompliziert. Man musste ja ziemlich tief über die Häuser, damit man überhaupt runterkam. Und wir waren uns nicht klar, aber im Anfang, ob uns das technisch gelingen würde. Wir wollten es tun, aber ob es uns technisch gelingen würde, das war nicht ganz klar.
Degenhardt: Wie motivierend waren denn auch die Reaktionen der Berliner?
Rodes: Die Berliner selber, die waren ein glückliches Volk. Wenn die "Rosinenbomber", wie sie ja nannten, runterkamen und nicht nur Kohle und sonst was verteilten, sondern auch Schoki und sonst was. Die Berliner Bevölkerung, vor allem das war ja die Westberliner Bevölkerung, die waren froh. Denn die waren absolut nicht daran interessiert, von den Russen übernommen zu werden. Später hatten wir natürlich dann ein Problem, dass die Westdeutschen, eigentlich die westdeutsche Industrie, kein Interesse daran hatte, sich die Probleme nach der Luftbrücke usw., sich um die Probleme Westberlins zu kümmern. Und der Marshallplan, anfänglich haben wir dann eine Zeit lang einige von den westdeutschen und Berliner Industriefirmen, westdeutsche Firmen, die in Berlin ansässig waren und in Westdeutschland, die haben gezwungen, sich um ihre Berliner Niederlassung oder Firmen und Fabriken zu kümmern mit der Angabe, entweder macht ihr das oder ihr kriegt überhaupt kein Geld.
Degenhardt: Wir erleben heute den Jahrestag der Luftbrücke, den 60. Wie sehen Sie denn aus der heutigen Sicht Berlin, die ehemals geteilte Stadt? Sehen Sie die Mühen und Lasten der Vergangenheit vergessen oder richtig gewürdigt?
Rodes: Ich kann das von hier aus schlecht beurteilen. Ich sehe nicht, dass da besonders viel darüber geschrieben oder gesagt wird. Aber es ist eigentlich nach meiner Erfahrung so ein Teil der Geschichte geworden, dass die Berliner, die jungen Berliner sicherlich keine Idee davon haben und die Älteren sich wohl dran erinnern. Aber die Älteren sind denn auch jetzt schon so wie ich ziemlich uralt.
Degenhardt: Hätten Sie denn so etwas wie eine Botschaft an die Jüngeren, an die Nachwachsenden, weil Sie das ja noch konkret miterlebt haben, um das es hier geht?
Rodes: Ich hätte schon eine Botschaft. Und das wäre, sich um die demokratischen Rechte zu kümmern und zu arbeiten und Leistung bringen zu wollen, was damals nämlich die Westberliner getan haben. Die haben geschuftet wie die Wilden. Und heutzutage sieht man viel zu viel junge Menschen, die meinen, na Gott, der Staat müsste ja eigentlich für mich sorgen, ich muss mir keine solchen Sorgen machen.
Degenhardt: Vielen Dank für das Gespräch! Das war Toby E. Rodes, Amerikaner mit hessischen Wurzeln, Zeitzeuge und Kommunikationsexperte über "Rosinenbomber", den Kalten Krieg und die demokratische Entwicklung, zumindest die Anfänge, der Bundesrepublik. Vielen Dank für das Gespräch!
Rodes: Okay.
Toby E. Rodes: Berlin war in unserer Meinung am Ende des Krieges ein wichtiger Teil Deutschlands. Und die Russen hatten eigentlich die Absicht, sich Berlin unter den Nagel zu reißen und den Rest eben uns zu überlassen von dem westlichen Teil Deutschlands, den sie nicht hatten. Wir haben damals ja darauf bestanden. Dann war es notwendig, Berlin auch echt zu unterstützen, was schon aus rein technischen Gründen wahnsinnig notwendig war, denn Berlin war ziemlich kaputt.
Degenhardt: Trotzdem noch mal die Nachfrage. Gab es nicht Unverständnis bei den Amerikanern, es haben ja auch viele amerikanische Soldaten im Krieg gegen Hitler, im Kampf gegen Hitler ihr Leben verloren?
Rodes: Unverständnis ist vielleicht das falsche Wort. Es gab einfach eine grundsätzliche, ich würde sagen, Abneigung oder Heruntergucken und sagen, um es ganz grob zu sagen, die Scheiß-Deutschen. Sie haben den Krieg angefangen, und es war natürlich vor allem den schon Gebildeteren, im Sinne von mehr Wissenden, von uns klar, dass dieser Krieg eine Wiederholung von 1917 war, wo wir schon einmal erst nach Anfang, nach ein paar Jahren in den Krieg eingezogen sind. Und wir hatten natürlich Informationen über Deutschland in unserer Sektion, die ja Informationskontrolle nach dem Ende des Krieges hieß. Vorher waren wir psychologische Kriegsführung und haben uns da sehr intensiv mit Deutschland befasst.
Degenhardt: Damit wir die Dramatik der damaligen Lage besser verstehen, was wäre denn ohne die Luftbrücke für Berlin passiert?
Rodes: Ja, Berlin wäre halb verhungert und eingegangen, weil die Russen dafür gesorgt hätten, dass Berlin sich nicht wieder als größere Stadt entwickelt. Aber das war uns schon klar gewesen, als wir im Herbst 45 in Berlin mit den Russen über Informationen und Entwicklungen und Hilfeleistungen und sonst was verhandelten. Da war es schon ganz klar, was die Russen im Sinne hatten.
Degenhardt: Heute wird rückblickend die Luftbrücke als Erfolg gefeiert. Hatten Sie eigentlich auch Sorge, dass die Brücke vielleicht scheitern könnte?
Rodes: Ja, natürlich. Denn, ich meine, das Unterfangen in so einer kurzen Zeit, so viele Flugzeuge und so viel Waren mit diesen Flugzeugen transportieren zu können, damit es nicht verrutscht, und das waren ein Haufen technischer Probleme. Außerdem hatten wir Tempelhof, und Tempelhof ist und war für Landezwecke ziemlich kompliziert. Man musste ja ziemlich tief über die Häuser, damit man überhaupt runterkam. Und wir waren uns nicht klar, aber im Anfang, ob uns das technisch gelingen würde. Wir wollten es tun, aber ob es uns technisch gelingen würde, das war nicht ganz klar.
Degenhardt: Wie motivierend waren denn auch die Reaktionen der Berliner?
Rodes: Die Berliner selber, die waren ein glückliches Volk. Wenn die "Rosinenbomber", wie sie ja nannten, runterkamen und nicht nur Kohle und sonst was verteilten, sondern auch Schoki und sonst was. Die Berliner Bevölkerung, vor allem das war ja die Westberliner Bevölkerung, die waren froh. Denn die waren absolut nicht daran interessiert, von den Russen übernommen zu werden. Später hatten wir natürlich dann ein Problem, dass die Westdeutschen, eigentlich die westdeutsche Industrie, kein Interesse daran hatte, sich die Probleme nach der Luftbrücke usw., sich um die Probleme Westberlins zu kümmern. Und der Marshallplan, anfänglich haben wir dann eine Zeit lang einige von den westdeutschen und Berliner Industriefirmen, westdeutsche Firmen, die in Berlin ansässig waren und in Westdeutschland, die haben gezwungen, sich um ihre Berliner Niederlassung oder Firmen und Fabriken zu kümmern mit der Angabe, entweder macht ihr das oder ihr kriegt überhaupt kein Geld.
Degenhardt: Wir erleben heute den Jahrestag der Luftbrücke, den 60. Wie sehen Sie denn aus der heutigen Sicht Berlin, die ehemals geteilte Stadt? Sehen Sie die Mühen und Lasten der Vergangenheit vergessen oder richtig gewürdigt?
Rodes: Ich kann das von hier aus schlecht beurteilen. Ich sehe nicht, dass da besonders viel darüber geschrieben oder gesagt wird. Aber es ist eigentlich nach meiner Erfahrung so ein Teil der Geschichte geworden, dass die Berliner, die jungen Berliner sicherlich keine Idee davon haben und die Älteren sich wohl dran erinnern. Aber die Älteren sind denn auch jetzt schon so wie ich ziemlich uralt.
Degenhardt: Hätten Sie denn so etwas wie eine Botschaft an die Jüngeren, an die Nachwachsenden, weil Sie das ja noch konkret miterlebt haben, um das es hier geht?
Rodes: Ich hätte schon eine Botschaft. Und das wäre, sich um die demokratischen Rechte zu kümmern und zu arbeiten und Leistung bringen zu wollen, was damals nämlich die Westberliner getan haben. Die haben geschuftet wie die Wilden. Und heutzutage sieht man viel zu viel junge Menschen, die meinen, na Gott, der Staat müsste ja eigentlich für mich sorgen, ich muss mir keine solchen Sorgen machen.
Degenhardt: Vielen Dank für das Gespräch! Das war Toby E. Rodes, Amerikaner mit hessischen Wurzeln, Zeitzeuge und Kommunikationsexperte über "Rosinenbomber", den Kalten Krieg und die demokratische Entwicklung, zumindest die Anfänge, der Bundesrepublik. Vielen Dank für das Gespräch!
Rodes: Okay.