Berliner Wahlchaos

Richter befürworten Wiederholung der Wahl

06:16 Minuten
Gut gefüllt ist der Hörsaal der Freien Universität Berlin in Dahlem bei der Verhandlung des Verfassungsgerichts. Das Verfassungsgericht verhandelt über die Gültigkeit der Berliner Wahl 2021.
Das Berliner Verfassungsgericht tagte vor 300 interessierten Bürgern in der Freien Universität, um über die Gültigkeit der Berliner Wahl 2021 zu verhandeln. © picture alliance / dpa / Annette Riedl
Sebastian Engelbrecht im Gespräch mit Heidrun Wimmersberg |
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In seiner Schärfe fiel der vorläufige Urteilsspruch des Verfassungsgerichts überraschend aus, sagt Korrespondent Sebastian Engelbrecht. Die Wahl in Berlin muss wohl komplett wiederholt werden. Vorbereitung und Ablauf der Abstimmung gingen fehl.
Nach einem vorläufigen Urteil des Berliner Verfassungsgerichts müssen die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und in den Bezirken wiederholt werden, berichtet unser Korrespondent Sebastian Engelbrecht aus dem improvisierten Gerichtssaal in der FU Berlin. Das Interesse der Öffentlichkeit war so groß, dass die Richter in einem Hörsaal mit rund 300 Leuten im Publikum tagten.
Beim vorläufigen Urteilsspruch sei ein Raunen durch die Reihen gegangen, berichtet Engelbrecht. "Das haben die Allerwenigsten erwartet." Die meisten hätten gedacht, dass der Urnengang teilweise wiederholt werden muss. "Aber das es eine komplette Wiederholung der Wahl gibt, das war nicht zu erwarten."

Schon die Vorbereitung war schlecht

Das vorläufige Urteil stütze sich darauf, dass bereits die Vorbereitung der Wahlen am 26. September 2021 verfassungswidrig gewesen seien, so Engelbrecht. "Da sieht das Gericht die Fehler bei der Landeswahlleitung und bei der Innenverwaltung als Aufsichtsbehörde für die Berliner Bezirke."
Die Landeswahlleitung habe ihre Koordinations- und Kontrollpflicht für die Organisation der Wahl nicht ausreichend wahrgenommen. Der verfassungsrechtliche Auftrag laute, dass die Landeswahlleitung zum Gewinnen der Wahl beitragen sollten. Aber das habe bereits bei der Vorbereitung nicht funktioniert, befanden die Richter.

Fehler über Fehler

"Es gab nicht genügend Wahlkabinen, es gab nicht ausreichend Stimmzettel", zählt Engelbrecht die vom Gericht genannten Versäumnisse auf. Die Stimmzettel hätten laut Verfassungsgericht schon am Tag vor der Abstimmung in den Wahllokalen liegen müssen. "Das ist in sehr vielen Wahllokalen nicht der Fall gewesen." Da es fünf Stimmzettel gab, sei die dafür zur Verfügung gestellte Zeit falsch berechnet worden und reichte für den einzelnen Wähler nicht aus, monierten die Richter.
"Auch beim Ablauf der Wahl sieht das Gericht verfassungsrechtlich relevante Fehler", so Engelbrecht. Tausende Wahlberechtigte hätten ihre Stimme nicht abgeben können. Stattdessen hätten sie stundenlang warten müssen.

Wahllokale blieben nach 18 Uhr offen

Nicht verfassungskonform war auch, dass zahlreiche Berliner nach 18 Uhr abgestimmt hätten. Die Wahlordnung erlaube das nicht, weil da bereits die ersten Prognosen im Radio und im Fernsehen liefen. Dass die Wahllokale nach 18 Uhr noch flächendeckend geöffnet gewesen seien, verstoße gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl, befanden die Richter. Ihre Berechnung habe ergeben, dass die Wahllokale in der Summe 350 Stunden lang nach 18 Uhr geöffnet gewesen seien.
Für die ebenfalls am 26. September abgehaltene Bundestagswahl in Berlin gibt es ein getrenntes Verfahren, denn auch sie wird angefochten. Dort steht eine Entscheidung ebenfalls noch aus.
(gem)
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