Berlinale 2021

Wie sehr vermissen Sie das Kino?

97:06 Minuten
Barrieren mit dem Aufdruck der Berlinale-Bären stehen auf einem leeren, roten Teppich.
Auch die Berlinale, das weltgrößte Publikumsfestival, fand in dieser Woche nur virtuell als Branchentreff statt. © picture alliance / dpa / Lukas Schulze
Moderation: Vladimir Balzer |
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Eine Berlinale ohne Kinos, ohne Fans am roten Teppich: Corona hat auch das weltgrößte Publikumsfestival ins Digitale gedrängt. Die Festivalkinos sind dicht, wie alle Säle im Land. Gerade jetzt feiern wir das Kino – und freuen uns auf Ihre Filmtipps!
Wann waren Sie das letzte Mal im Kino? Haben mit anderen gelacht, gebangt, heimlich Tränen vergossen? Die Lichtspielhäuser sind nun schon über vier Monate geschlossen, bereits vor dem zweiten Lockdown gab es Einschränkungen, die manchem den Besuch verhagelt haben. Die Folge: 2020 wurden über 80 Millionen weniger Tickets verkauft als im Vorjahr, ein Rückgang um zwei Drittel. Profitiert haben Streaming-Portale; allein Netflix knackte zum Jahresende die Marke von 200 Millionen Nutzern.
Auch die Berlinale, das weltgrößte Publikumsfestival, fand in dieser Woche nur virtuell statt - als Branchentreff. Keine proppenvollen Kinos, keine Fans am roten Teppich. Für Juni ist ein Festival mit Filmvorführungen vor Publikum geplant.

Kino ist "bigger than life"

"Ein Film kann uns in einem ganz besonderen Maß bewegen: bigger than life", sagt Christiane Peitz, Kultur-Redakteurin beim Tagesspiegel. Kino schaffe "Möglichkeitswelten", wie es kaum eine andere Kunst könne. "Und weil es Realität am meisten abbilden kann, ist es mir besonders nah."
Dazu trage auch die besondere Atmosphäre bei: "Kino ist ja nicht nur, dass ich Bilder gucke. Sondern, wenn es taugt, dann prägt es uns; das sind emotionale Dinge, soziale Dinge. Sich davon behelligen zu lassen, im dunklen Raum, mit anderen zusammen." Das könnten kein Streaming und kein Heimkino bieten.

Ihre Tipps: Der aktuelle Berlinale-Wettbewerbsbeitrag "Fabian oder der Gang vor die Hunde", die Kästner-Verfilmung von Dominik Graf. Sie fasziniere "diese Zwischenkriegszeit, ein einziger dekadenter Tanz auf dem Vulkan", ein Film, "der den ganzen Dreck auf den Seelen zeigt."
Zur Wieder- und Neuentdeckung gerade in Zeiten des Lockdowns empfiehlt sie "Parasite", den Film des Südkoreaners Bong Joon Ho von 2019. "Ein Film, der uns etwas über Familie erzählt, auf der einen Seite als sicherer Ort, andererseits kann sie aber auch ein Ort höchster Gefährdung sein."

"Die Arthouse-Kinos werden besser überleben"

"Der Film, der mich geprägt hat, ist `Blow Up´ von Michelangelo Antonioni", sagt Christoph Terhechte. "Weil er mir gezeigt hat, dass es keine Objektivität gibt." Ein Filmklassiker, der die Wahrnehmung immer wieder infrage stelle. Damals war Terhechte elf Jahre alt, heute ist er Filmjournalist, von 2001 bis 2018 war er Leiter des Internationalen Forums des Jungen Films der Berlinale.
Seit 2020 ist er Intendant von DOK Leipzig, dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Es konnte Corona-bedingt nur als Hybridveranstaltung stattfinden, teils vor Publikum, teils virtuell.

"Kinokultur muss gefördert werden"

Wie viele in der Filmbranche sorgt sich Terhechte um die Zukunft der Kinos. "Die Arthouse-Kinos werden besser überleben als die kommerziellen Kinos. Sie haben ein treues Publikum. Was ich wirklich in Gefahr sehe, sind die kommerziellen Kinos. Wenn sie nicht mehr öffnen, sind auch die Festivals gefährdet."
Kinos seien auch ein Kulturgut. "Es kann nicht sein, dass es Städte gibt, die sich drei Museen und mehr leisten, wo es kein öffentliches Kino gibt. Kinokultur muss gefördert werden. Die Städte müssen Kinos bauen, richtig gut ausgestattete Kinotheater mit einem kuratierten Programm, wie man es selbstverständlich von Theater, Oper oder dem Ballett kennt."

"Berlinale 2021 - Wie sehr vermissen Sie das Kino?" - darüber diskutiert Vladimir Balzer am Sonnabend, den 6. März 2021, von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Christiane Peitz vom Tagesspiegel und mit Christoph Terhechte, Leiter von DOK Leipzig.

Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de. Besuchen Sie uns auch auf Facebook, Instagram und Twitter!

(sus)
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