Warum die chinesische Zensur dahinter stecken könnte
Der kurzfristige Rückzug eines chinesischen Wettbewerb-Films sorgt auf der Berlinale für Aufsehen. "One Second" könne wegen "technischer Probleme" nicht gezeigt werden, heißt es aus China. Übersetzt heißt das zumeist: Der Zensor hat zugeschlagen.
Zhang Yimou (张艺谋) ist einer der erfolgreichsten Film-Regisseure Chinas. Zwei Dutzend Filme hat der 68-Jährige seit Ende der 80er Jahre gedreht. Darunter viele, die sich mit der komplizierten Gesellschaftsstruktur des Landes befassen.
In den vergangenen Jahren drehte Zhang aber auch mehrere aufwendige und kommerziell erfolgreiche Kung-Fu-Blockbuster, "Curse of the Golden Flower" und "Shadow" zum Beispiel. Auch international ist Zhang Yimou seit Jahrzehnten erfolgreich. Bereits mit seinem Debut-Werk "Hong Gaoliang", auf Deutsch "Rotes Kornfeld", gewann er bei der Berlinale 1988 den Goldenen Bären. Seitdem folgten Auszeichnungen unter anderem bei den Filmfestspielen in Cannes und Venedig.
Ein Film über die Zeit der Kulturrevolution
Zhang Yimou ist kein ausgewiesener politischer oder regierungskritischer Filmemacher. Er hat in den vergangenen Jahrzehnten aber immer wieder politische Themen bearbeitet. So zum Beispiel in seinem neuesten Werk "Yi Miao Zhong" (一秒钟). Unter dem englischen Namen "One Second" hätte der Film am Freitag im Wettbewerb der Berlinale laufen sollen. Er spielt in der Zeit der Kulturrevolution der 1960er und 70er Jahre. Während dieser Zeit wurden in China Hunderttausende Menschen gewaltsam getötet, viele Millionen wurden verschleppt, misshandelt und gefoltert.
Die Ideologie der Kulturrevolution ging damals von der Kommunistischen Staats- und Parteiführung aus. Die ist heute immer noch an der Macht. Auch wenn sie sich von den damaligen Geschehnissen distanziert: Aufgearbeitet sind die Verbrechen und die Hintergründe der Kulturrevolution immer noch nicht. Das Thema ist in China weitgehend tabu. Sehr gut möglich also, dass die Zensoren der chinesischen Staats- und Parteiführung Zhangs Film-Firma gezwungen haben, "One Second" von der Berlinale zurückzuziehen.
"Technische Probleme" als Vorwand
Öffentlich zugeben, dass sich die Zensur eingemischt hat, das machen chinesische Künstler fast nie. Sehr häufig ist in diesen Fällen von "technischen Problemen" die Rede. Seit Bekanntwerden des Rückzugs sorgt der Vorfall für einige Aufmerksamkeit unter Filmfans in China. Im Kurznachrichtendienst Weibo finden sich unzählige Kommentare.
Die allermeisten halten "technische Probleme" für eine billige Ausrede. In jedem Fall würde eine Zensur des Films ins Bild passen. Seit Staatschef Xi Jinping in China vor sechs Jahren an die Macht kam, schottet er das Land immer weiter ab. Überwachung und Zensur nehmen zu. Für Kulturschaffende wird es dadurch immer schwieriger.