Berlinale für Jugendliche

Was ist im Kino unter 18 erlaubt?

Maryanne Redpath, Leiterin der Sektion Generation der Berlinale, bei einer Pressekonferenz am 2. Februar 2016.
Maryanne Redpath, Leiterin der Sektion "Generation" der Berlinale, bei einer Pressekonferenz am 2. Februar 2016. © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Gerd Brendel |
Was darf Jugendlichen im Kino gezeigt werden und was nicht? Und welchen Sinn haben Altersbeschränkungen in Zeiten des Internets? Maryanne Redpath, Leiterin der Berlinale-Sektion "Generation", ist überzeugt: Es geht nicht darum, was gezeigt wird - sondern wie.
Fremde Welten auf der Leinwand in dem chinesischen Film: "What's in the darkness", zu sehen in der "Generation 14+"-Sektion der Berlinale. Ist das die Welt der introvertierten Qu in einer chinesischen Kleinstadt Anfang der 80er-Jahre?
Die Kulturrevolution scheint gerade mal ein paar Filmsekunden weit weg zu sein, wenn Qu mit der Schultanzgruppe pathetisch die neue Morgenröte besingt. Die Erwachsenen verbieten, wo sie erklären sollen. Dann wird auch noch die Leiche eines vergewaltigen jungen Mädchens gefunden wenig später verschwindet Qus Freundin. Qu sieht ihren leblosen Körper, aber sie schweigt.
"Sie durfte nichts!"
"Ist schon realistisch!"
"Ja, realistisch, aber ich kann keine Filme schauen, wo die Hauptpersonen anders handeln als ich, das macht mich aggressiv, warum handelt die so!? Ich hätte nicht so gehandelt..."
Nach dem Film hocken Aylin, und die Austauschschüler Omar aus Ägypten und Georgi aus Georgien auf dem Teppichboden vor dem Kino.
"Ein bisschen lang geworden"
"Diese Film dauert sehr lang, um irgendwas raus zu kriegen... deswegen ist es vielleicht ein bisschen lang geworden."
"Wenn man nicht weiß, wie man einen Film findet, heißt das nicht, dass es ein schlechter Film ist. Manchmal muss man darüber schlafen."
Für Maryanne Redpath, Leiterin der Berlinale -Sektion "Generation", beweist sich der Erfolg eines Films in genau solchen Diskussionen wie unter den drei Jugendlichen:
"Kino ist eine gesellige, eine soziale Institution. Die jungen Leute, die wollen sich auseinandersetzten mit den Filmemachern, mit ihren Eltern, mit Wildfremden."
Wie Anna aus Stuttgart mit Georgi aus Tiflis und Omar aus Kairo.
"Ich mag Filme. Und egal ob Action oder Horror, ich möchte eigentlich nur eine gute Geschichte angucken ."
Jugendliche diskutierenden auf dem Teppichboden
Geschichten gibt es eine ganze Menge zu sehen im Jugendfilm-Programm der Berlinale - und nach dem Film enden fast alle in spontanen Gruppen diskutierender Jugendlicher auf dem Teppichboden:
"Ob es ein Film über die Sexualität gibt, oder ein Film, wo ein Jugendlicher alleine ist, oder in einer dysfunktionalen Familie aufwächst, oder Selbstmord-Gedanken hat, oder über Kinder, die nichts wie weg wollen."
Raus aus der Realität, Grenzen überschreiten. Das wollen viele der jugendlichen Filmhelden: Im russischen Film "Rag Union" schließt sich Vania einem wilden ziemlich gewalttätigen "Fight Club" an.
Im chilenischen Spielfim "Las Plantas" kümmert sich die 17-jährige Florencia tagsüber um ihren pflegebedürftigen Bruder, träumt nachts von lebenden Pflanzen und verabredet sich im Internet zum Sex mit wildfremden Männern. Zu hart für ein Jugendfilmprogramm?
"Ich habe Netflix, und da kann ich eigentlich alles sehen..."
Antwortet Ayleen. Von Sex bis Gewalt: Das Internet bietet alles, auch ihr Lieblingsgenre:
"Ich zum Beispiel, mag extrem gern Horrorfilme. Ich mach's weil mir Spaß... ich erschreck mich einfach nur. Ich schau danach auch manchmal Barbie-Spielfilme."
Nicht "was" - sondern "wie"
Es geht nicht darum, was auf der Leinwand gezeigt wird, sondern wie, sagt Redpath:
"Es kommt auf den Blickwinkel an. Es hängt sehr davon ab, wie ein Film gemacht ist, und ob ein Respekt da ist, für die Protagonisten."
Beispiel: die 17-jährige Florencia aus Las Plantas :
"Die ist total neugierig darauf, zum ersten Mal Sex zu haben. Du siehst sehr viel in diesem Film, aber du siehst das Männliche, du siehst nicht das Weibliche. Der Mann wird ausgestellt. Sie ist diejenige, die bestimmt."
Eigentlich so eine Heldin, wie sie sich Ayleen wünscht. Werden sie, Omar und Giorgi bis zum Festivalende durchhalten?
"Ja, echt? Wirklich?"
Ja! Bitte! Die Berlinale geht am Sonntag zuende. Der nächste Horror und das nächste Barbie-Abenteuer stehen auch danach noch im Netz.