Berlinale

Großmeister des Bad Taste

Von Patrick Wellinski |
John Waters Filme sind eine Zumutung. Eine Mischung aus Underground, Kommerz und Porno. Dabei ging es dem Regisseur nie um den reinen Skandal, sondern auch um gesellschaftlich relevante Themen.
Mutter und Sohn im Gespräch. Sie ein adipöser Transvestit, in luftiger Lederkluft, aus der die Fettpolster quellen. Er ein langhaariger Dandy, mit schiefen Zähnen und Pickeln im Gesicht. Die größte Sorge der Mutter: Ihr Sohn könnte heterosexuell sein. Und das Leben der Heterosexuellen sei doch so langweilig.
"The life of heterosexuals is so boring and a lie!"
Bereits in dieser Szene aus seinem 1974 gedrehtem Film "Female Trouble" ist der ganze Kosmos des John Waters festgehalten. Sein Kino ist eine Zumutung, reiner Trash. Eine Melange aus Underground, Kommerz und Porno. Und seine Figuren eine Freakshow: debile Omas und kotessende Transvestiten; depressive Mütter und schwule Vergewaltiger. Sie alle versammelte der Großmeister des schlechten Geschmacks in Filmen wie "Pink Flamingos" oder "Hairspray".
Auf der Seite der Vergessenen
Doch es ging Waters nie um den reinen Skandal. Sein Werk nimmt den amerikanischen Klassenkampf ins Visier, und stellt sich auf die Seite der Vergessenen und Verdrängten. Mit Schock-Szenen, aber auch mit scharfem Humor.
Das gilt auch für die Kunst, die Waters seit den 90ern schafft. Zunächst vor allem Fotos, für die er zum Beispiel Szenen seiner Lieblingsfilme vom Fernseher ablichtete und zu neuen Erzählungen zusammensetzte. In zwei Berliner Ausstellungen werden nun neben Fotoarbeiten auch Skulpturen gezeigt, wie der "bad director’s chair", ein Regiestuhl, auf dem alle Fehler, die ein Regisseur machen kann, aufgelistet sind, oder die beiden Babypuppen mit den erwachsenen Köpfen von Michael Jackson und Charles Manson, die zum fröhlichen Spiel aufeinander zu krabbeln.
Unterwegs ist Waters zur Zeit auch als Bühnenereignis. Mit seinen eleganten Anzügen und seinem Markenzeichen, einem dünnen Oberlippenbärtchen beherrscht er lässig die Bühne, wenn er in seiner Vaudeville-Show "This Filthy World" seine Weltsicht erklärt.

"Humor ist eine Rüstung" - Interview mit dem Filmemacher John Waters

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