Berlinale

Helfer aus dem Flüchtlingsheim

Verena Kemna |
Promis den Weg weisen, Tickets abreißen, Ehrengäste betreuen – Praktikumsplätze bei der Berlinale sind begehrt. In diesem Jahr erhalten die über 100 Helfer Unterstützung von 20 Flüchtlingen. Tarek Alasi ist einer von ihnen.
Ein langer schmaler Flur im vierten Stock eines Hochhauses am Potsdamer Platz. Protokoll, Gästeempfang, Besucher, Pick-up-Room – unzählige Räume sind während der Berlinale nur für das Festival reserviert. Ohne speziellen Ausweis kommt hier niemand rein. Im Flur herrscht Gedränge. Viele sind behängt mit schweren Taschen, nicken sich aufmunternd zu, eilen weiter. Das Stimmengewirr im Flur ist international. Sprachfetzen fliegen durch die Luft, Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch. Tarek Alasi ist erst zum zweiten Mal hier oben. Zielstrebig bahnt er sich seinen Weg, zeigt auf eine offene Tür, da muss es sein. Tarek ist einer von 19 Hospitanten die in diesem Jahr den offiziellen Praktikanten helfen dürfen. Der syrische Palästinenser aus Damaskus freut sich über das Berlinale-Engagement für Flüchtlinge.

Flucht über den Libanon und die Türkei

"Wir schicken die Menschen hin und her, wenn sie nicht wissen, wo sie gehen sollen. Wir bereiten auch die Taschen für die Gäste, und vielleicht holen wir die Tickets für die Leute ab."
Er begrüßt die beiden Praktikanten im Raum und macht sich sogleich an die Arbeit. Es riecht nach feuchter Wolle, hunderte graue Recyclingtaschen aus filzähnlichem Material stapeln sich in Regalen, nach Buchstaben geordnet. Ständig werden neue Taschen angeliefert, die Tarek in die Regale sortiert. Am Tresen tauschen die Festivalgäste einen grünen Gutschein gegen eine graue Tasche.
"Dankeschön."

"Ich hatte Schwein gehabt, so sagt man auf Deutsch"

Während der 20-Jährige auf die nächste Taschenlieferung wartet, hat Tarek Zeit zu erzählen. Vor etwa einem Jahr ist er von Damaskus in den Libanon geflohen, von da aus in die Türkei und schließlich nach Berlin.
"Ich hatte Schwein gehabt, so sagt man auf Deutsch. Ich bin in die Türkei gefahren, dann habe ich jemand getroffen, der viele Kontakte zur Polizei hat. Dann bin ich mit ihm gefahren. Er hat alles organisiert, das war ein bisschen schwer aber besser als zu Fuß, bin ich mit einem Auto hergekommen."
Verwandte in Berlin haben ihm geholfen. Heute lebt Tarek in einem Wohnheim. Eine Berliner Beratungsstelle für Flüchtlinge unterstützt ihn. Sein täglicher Stundenplan ist voll. Deutschkurse und die Vorbereitung auf das Abitur bestimmen den Tagesablauf.
"Ich habe das Abitur schon gemacht, aber die Zeugnisse sind nicht bei mir. Ich habe kein Zeugnis, meine Schule ist abgerissen worden. Deswegen muss ich das Abitur nochmal machen und ich möchte danach gerne studieren. "
Mathematik und Physik sind seine Lieblingsfächer, Tarek möchte nach dem Abitur unbedingt ein Ingenieurstudium beginnen. Luca Constantio arbeitet als Praktikant mit dem syrischen Palästinenser zusammen, er ist beeindruckt. Bei der Berlinale dabei zu sein, macht beiden Spaß.

"Sehr offen, sehr freundlich, und die wollen unbedingt"

"Ja, klar, ist ja eine gute Möglichkeit für Tarek und eine Hilfe ist ja immer gut."
Dann steht Alexander Katt in dem engen Raum. Seit Jahren ist er verantwortlich für die Festivalpraktikanten. Er hat auch die Flüchtlinge, die erstmals als Hospitanten dabei sein dürfen, auf der Berlinale eingewiesen.
"Am Anfang haben wir gesagt 'über die Schulter schauen', weil wir überhaupt nicht wussten, wie viel Deutsch können die und wie viel trauen die sich. Wir haben gemerkt, die sind sehr offen, sehr freundlich, und die wollen unbedingt. Tarek spricht gut Deutsch und in dem Haus, in dem ich ihn eingesetzt habe, das ist die Berlinale Guest Reception. Wir haben 400 Filme eingeladen, natürlich auch Politiker, Botschafter, auch Ehrengäste. Und diese Ehrengäste kriegen in der Regel ein kleines Geschenk und das ist oft eine Tasche."
Vier bis fünf Stunden wird Tarek in den nächsten Tagen graue Filztaschen einsortieren, Menschen über Flure begleiten, Kinokarten abreißen. Nächstes Jahr will er sich als Praktikant bewerben. Dann ist er vielleicht seinem großen Traum schon ein Stückchen näher.
"Ich will unbedingt meinen Traum erreichen. Ich liebe Mathematik und ich will mit Robotern arbeiten. Wenn jemand etwas liebt, dann kann er vielleicht in der Zukunft etwas Großes erreichen."
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