Zwei Tage im Leben des Miles Davis
Zu den Highlights der diesjährigen Berlinale gehört "Miles Ahead". Schauspieler und Regisseur Don Cheadle liefert darin eine gute filmische Übersetzung der Musik von Miles Davis. Doch dessen Biografie bleibt fiktiv.
"That's who Miles was in his real life. He was that tough gangster dude, he was that tough guy."
Was für ein Typ muss das gewesen sein! Fette Sprüche, scharfe Klamotten, Sonnenbrille. Don Cheadle liefert in "Miles ahead" ein cooles Über-Wesen. Fast unwirklich, besessen von seiner Kunst. Selbst das Ziehen an der Zigarette wird bei ihm alias Miles Davis formvollendet wie ein Trompeten-Solo.
Die rasanter Jagd nach dem verlorenen Tonband
Im Kern geht es um zwei Tage im Leben von Miles Davis Ende der 70er, als er in einer Schreibblockade steckte.
Er wird eines Tages von einem agilen "Rolling Stone"-Reporter, gespielt von Ewan McGregor, in seiner Wohnung heimgesucht. Beide begeben sich auf eine rasante Jagd nach einem verloren Tonband. Darauf ist neue Musik des Trompeters, die seine Plattenfirma nur zu gern veröffentlichen würde. Der Meister aber sperrt sich.
Aber schon hier holpert es in dieser Verfilmung. Weder die Geschichte mit dem Tonband, noch den "Rolling Stone"-Reporter gab es im echten Leben von Davis. Ebenso wenig den Pistole schwingenden Produzenten Harper oder den jungen Nachwuchs-Trompeter Junior. Der große Miles-Gegenspieler John Coltrane wird erst gar nicht erwähnt.
Ein sehr subjektiver Blick auf Miles Davis
Überall biografische Ungereimtheiten. In den Rückblenden dieses Film sitzt zum Beispiel beim zweiten "Miles Davis Quintet" Ende der 60er ein weißer Musiker am Klavier. Es soll wohl Bill Evans sein. Der hat aber schon zehn Jahre zuvor mit ihm gespielt. Im echten Leben war das Herbie Hancock. Aber Don Cheadle ging es auch nicht darum, eine möglichst genaue Doku zu drehen.
"Ich wollte einen Film machen, der der Erfahrung entspricht, die ich habe, wenn ich seine Musik höre. Und auch einen Film, der den Dingen entspricht, die ich über ihn erfahren habe, als ich mit seiner Familie über ihn sprach und mit Herbie Hancock und mit Wayne Shorter. Dinge, die in keinem Buch stehen. Und das war mir wichtiger, als didaktisch an die Sache heranzugehen und die Highlights seines Lebens abzuklappern. Dokus machen das viel besser."
Anders als die vielen Biopics der letzten Jahre von Johnny Cash bis Ray Charles und Amy Winehouse, zeigt "Miles ahead" seinen Protagonisten nicht als einen, der seine Kunst aus einer zerrissenen Persönlichkeit extrahiert.
Verzerrte Tagträume und unscharfe Bilder
Statt die Biografie so genau wie möglich nachzuerzählen, ging Don Cheadle einen ganz eigenen Weg. Um das Genie Miles Davis und seine Musik auf die Leinwand zu bringen, erfand Cheadle eine quasi fiktive Biografie. Sie wird buchstäblich zur Leinwand des Films. Auf die malte er das Wesen Miles Davis als Jazznummer – improvisiert und versponnen, mit vielen Sprüngen, aus verzerrten Tagträumen und unscharfen Bildern. Klar, und auch mit Alkohol, Drogen und Gewalt. Dazwischen gibts Musik aus allen Karriere-Phasen.
Ok, die Cheadle-Methode haben wir jetzt verstanden. Aber lernt man nun, warum Miles war, wie er war? Kommt man ihm dadurch näher? Da habe ich so meine Zweifel. Ohne Frage, die Figur, die Don Cheadle für sein Regiedebüt entwirft, spielt er großartig und konsequent. Mit raspelnder und tonloser Stimme. Zigaretten und Sonnenbrille. Coolness soweit das Auge reicht.
Kaum ein anderer Schauspieler unserer Zeit hätte das so gut hinbekommen wie Don Cheadle. Man kriegt eine Idee davon, was für ein Typ Miles Davis war. Mehr aber auch nicht. Als filmische Übersetzung der Musik von Miles Davis, als Improvisation, funktioniert "Miles ahead". Wer aber mehr über seine Leben wissen will, sollte lieber auf ein Buch zurückgreifen.