Berlinale: "Pokot" und "A Fantastic Woman"

Scheinbar kleine Filme über den Zustand unserer Welt

Die polnische Regisseurin Agnieszka Holland mit einladend ausgebreiteten Armen vor der Berlinale-Wand
Der Film "Pokot (Spoor)" der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland läuft auf der Berlinale im Wettbewerb. © picture alliance / Britta Pedersen/dpa
Peter Claus im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Nur Höhepunkte konnte unser Filmkritiker Peter Claus bislang im Wettbewerb der Berlinale bisher ausmachen. Sowohl "Pokot", ein Film über eine radikale Tierschützerin, als auch "A Fantastic Woman" über eine Transgender-Frau, die den Tod ihres Geliebten verkraften muss, hätten das Zeug für einen Bären.
"So gut war das erste Drittel einer Berlinale seit Jahrzehnten nicht", schwärmt Filmkritiker Peter Claus im Deutschlandradio Kultur über die bislang gezeigten Wettbewerbsfilme, unter denen er bereits Kandidaten für die Preise ausgemacht hat.
Darunter "Pokot" (Die Jagdaufstellung) von Agnieszka Holland aus Polen. Er erzählt die Geschichte einer radikalen Umwelt- und Tierschützerin auf dem Land, die gegen Wilderer und andere grausame Menschen vorgeht.
"Sehr brutal, es ist eine Mischung aus Thriller, aus Satire und weitet sich zu einem sehr profunden, sehr facettenreichen Gesellschaftsporträt. Das Porträt einer Gesellschaft, die alles, was denen, die den Ton angeben, also denen, die das Geld haben, nicht in den Kram passt, ausgrenzen will. Sehr modernes Kino, sehr publikumswirksam – und ich kann mir vorstellen: Agnieszka Holland geht am Ende mit einem Bären nach Hause."
Auch "A Fantastic Woman" (Eine fantastische Frau) von dem Chilenen Sebastián Lelio hat Peter Claus begeistert. Der Film handelt von einem Liebespaar. Der Mann ist wesentlich älter als die Frau und stirbt überraschenderweise. Sie möchte trauern, ist aber die Geliebte, und hat die Familie und jeden gegen sich – vor allem weil sie eine Transgender-Frau ist und sich das Umfeld von ihr bedroht sieht.
"Hier geht es also auch um das Thema Ausgrenzung, und in beiden Filmen auf sehr gute Art und Weise. Das, was diesen Wettbewerb bisher ausmacht: scheinbar kleine, persönliche Geschichten weiten sich zu Tableaus über den Zustand der Welt."
Beseelt kam unser Kritker aus dem Film "Viceroy's House" (Das Haus des Vizekönigs) der indischen Filmemacherin Gurinder Chadha. Der Film blickt zurück auf die späten 40er-Jahre, die Zeit der Teilung Indiens. In Deutschland wird der Film im Juni starten.
"Die Puristen sagen, das ist ja Kitsch. Ich sage, das ist großes Kino, etwa im Stil von 'Doktor Schiwago'", so Peter Claus. Es sei ein sehr bewegender Film, der dem Zuschauer zudem eine Geschichtslektion erteile.

"Das ist großes Hollywood-Kino aus Indien"

"Auch hier das Thema: der Umgang mit Fremden, der Umgang mit Menschen, die einen anderen Glauben haben als ich, mit Menschen, die anders aussehen als ich. Das ist sehr, sehr publikumswirksam, das ist großes Hollywood-Kino aus Indien, das ist kein Bollywood, nein, das ist Hollywood-Kino."
Leider werde der Film außer Konkurrenz gezeigt. Viele hätten sich gefragt, warum war dies nicht der Eröffnungsfilm geworden sei, sondern stattdessen der zweitklassige "Django".
"Für mich bisher der absolute Höhepunkt, nicht nur der Berlinale, sondern des ja noch relativ jungen Kinojahres 2017."
Mehr zum Thema