Wenn gutes Essen einen Schauer über den Rücken auslöst
Bei Madeleine Jakits dreht sich alles um die Verfeinerung der Sinne. Die Chefredakteurin der Zeitschrift "Der Feinschmecker" ist eine engagierte Verfechterin höchster Genusskultur. Bei der Berlinale moderiert sie den Eröffnungsabend der Reihe "Kulinarisches Kino".
Die Chefredakteurin der Monatszeitschrift "Der Feinschmecker", Madeleine Jakis, schärft das Bewusstsein ihrer Leser für die heimischen kulinarischen Traditionen und Innovationen ebenso wie für die aus entlegenen Weltgegenden. Sie stellt die begabtesten Köche der Welt vor, vermittelt vertieftes Wissen zur Geschichte einzelner Lebensmittel und zeigt die große Vielfalt möglicher Zubereitungen.
Kochwunder startet Restaurant in New York
Bei der Berlinale moderiert Jakits den Eröffnungsabend in der Reihe "Kulinarisches Kino" mit dem 19 Jahre jungen Kochwunder aus Kalifornien, Flynn McGarry. "Flynn wusste schon mit 10, dass er ein Koch werden will"; sagt Jakis. Es sei faszinierend, dass McGarry schon als Kind kochen wollte und sich in weißer Kochjacke vor den Gästen seiner Eltern präsentierte. Wie ein Erwachsener habe er erklärt, was auf den Tellern zu sehen sei: glasierte Jakobsmuscheln, karamellisierte Zwiebeln etc.. All das, was man aus der Top-Küche kenne. "Für ihn selbst ist es bestimmt ein wenig nervig, immer über sein Alter definiert zu werden. Aber so ist es eben, wir staunen alle darüber." Kommende Woche eröffne der junge Mann sein erstes Restaurant in New York, wo das Publikum besonders kritisch und verwöhnt sei. "Nun hat er Welpenschutz, aber er muss jetzt auch wirtschaftlich zu Rande kommen."
Kaderschulung in der Küche
Auch der französische Sternekoch und Gastronomie-Unternehmer Alain Ducasse wird im "Kulinarischen Kino" bei Jakits zu Gast sein. "Ducasse selbst steht schon lange nicht mehr am Herd, er hat 23 Restaurants weltweit und unendlich viele Michelin-Sterne." Er habe sich weltweit installiert und ziehe seinen Nachwuchs selbst heran, das sei schon fast eine Kaderschulung. "Das finde ich beeindruckend." Das Versprechen von Ducasse, in seinen Restaurants würden kulinarische Erlebnisse serviert, die in Erinnerung blieben, formuliere einen Anspruch, der in der Sterneküche allgemein zwar nicht immer, aber doch hin und wieder tatsächlich eingelöst werde. "Ich würde diese Behauptung niemals als immer wahr unterschreiben", sagte die Journalistin. "Viele Essen versenden sich, wenn sie etwas Belangloses, Austauschbares haben. Aber es gibt Momente beim Essen, wo man einen Schauer über dem Rücken spürt, wo man ergriffen ist, fast bis hin zu Tränen, weil es so gut und so fantastisch ist." Das seien die ganz großen Momente eines Feinschmeckers. "Es gibt ein berühmtes Gericht, davon war ich sehr, sehr beeindruckt, als ich es zum ersten Mal gegessen habe: Gänseleber mit Räucheraal kombiniert mit einer Karamellkruste obendrauf." Das sei auch ein Klassiker geworden, der in vielen großen Küchen von Köchen zitiert werde.
Neutrale Startposition
Bei einem Testessen bemüht sich Jakits um eine unvoreingenommene Grundhaltung. Ein positives Vorurteil sei ebenso abträglich wie ein negatives. Sie versuche, sich "auf Position Null zu bringen" und alles vom ersten Moment an auf sich wirken zu lassen. "Das beginnt damit, wie man begrüßt wird, wie es in dem Restaurant riecht, wie die Atmosphäre unter den Angestellten ist, die dort arbeiten", beschreibt die Feinschmeckerin ihre Arbeitsweise. Auf diese Weise erfahre sie bereits eine ganze Menge darüber, was sie erwartet. "Wie die Leute, die Sie bedienen agieren, wie der Tisch aussieht - da fängt es schon an, dass ich merke, wie ich dann beeinflusst bin von dem, was mir da geboten wird." Aber sie versuche erst einmal, so neutral wie möglich hinzugehen.
Vorlieben bei Gemüse
Ihre Lieblingsgemüse seien zurzeit Avocado, Spitzkohl und Blumenkohl, sagte Jakits. Aber sie habe auch eine Vorliebe für Spitzkohl und Blumenkohl entdeckt. "Das waren Sachen, die ich nicht so toll fand, aber man wächst auch an seinen Aufgaben, dass man alles probieren soll." Aber es gebe auch Überraschungen: "Manchmal hat man Glück, dass man so ein ungeliebtes Kind auf eine Weise serviert bekommt, die die positiven Seiten von so einem ollen Blumenkohl hervorbringt und der Spitzkohl, der so schnell gar ist und so gut riecht."
Rote Beete als Trauma
Rote Beete verbinde sie dagegen mit einem Kindheitstrauma. Auf einem englischen Internat, das sie in der dritten und vierten Klasse besuchte, wurde jeden Freitag Rote Beete mit einem Stück grauem, zerkochtem Kochfisch und klumpigen Kartoffeln serviert. "Diese Rote Beete hatte diesen Muff von tausend Jahren aus so einem Blumentopf, der drei Jahre nicht beachtet wurde, dieser muffige, erdige Ton und das war einfach absolut grauenvoll", erinnert sich die Journalistin. "Da habe ich Rote Beete hassen gelernt." Aber inzwischen sei sie erwachsen genug, dass sie bei sehr guten Köchen selbst Rote Bete noch einmal probiere und mitunter bemerke: "Mensch, das schmeckt doch besser."