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Farbenpracht auf Riesenleinwänden
Das Farbfilmverfahren Technicolor feiert 100. Geburtstag. Bei der Retrospektive der Berlinale geht es diesmal sehr bunt zu. "Glorious Technicolor" zeigt Farbfilmklassiker, zwischen 1922 und 1953 gedreht, die zum Teil aufwendig restauriert wurden.
"Good night, Kathy! See you tomorrow!" / "Good night, darling!"
Als Debbie Reynolds und Gene Kelly 1952 in "Singin' In The Rain" einander gute Nacht sagen und eine der fulminantesten Tanzszenen der Filmgeschichte beginnt, hat das Farbfilmverfahren Technicolor seinen Höhepunkt erreicht. Dabei tanzt Gene Kelly verliebt durch den Regen: hier an einem roten Feuermelder, da an goldgelben Schaufenstern vorbei, wobei sein Füße in den glänzenden, rotbraunen Schuhen über den Boden zu schweben scheinen. Doch der Anfang des Technicolor-Verfahrens war keineswegs so beschwingt, sondern steinig und zäh.
Ein Kassenmagnet mit Strahlkraft
Die Erfinder Herbert Kalmus, Daniel Comstock und Burton Wescott hatten bereits 1915 das Zwei-Farben-Verfahren Technicolor Nr. I. entwickelt. Doch das Farbspektrum war begrenzt und die Farbwiedergabe dürftig. Erst mit Technicolor Nr. IV, das ab 1932 eingesetzt wurde, erreichte Technicolor als Drei-Farben-Verfahren die Strahlkraft, die es zum Kassenmagneten machte. Wobei Walt Disney Mitte der 30er Jahre mit Filme wie "Snow White and the Seven Dwarfs" maßgeblich für den Durchbruch der neuen Technik sorgte. Denn kurz darauf folgten Werke wie "The Adventures of Robin Hood", "Gone with the Wind" oder "The Wizard of Oz" von Victor Flemming.
Der Film, der vom Bauernmädchen Dorothy erzählt, beginnt zunächst in Schwarz-Weiß und geht dann in strahlende Farben über, als Judy Garland nach einem Wirbelsturm das Land Oz betritt. Glich die Fantasiewelt von Oz einer märchenhaften farblichen Überhöhung, aus der die Figuren mit den bunten Fantasiekostümen künstlich hervorstießen, wurde Technicolor vor allem eingesetzt, um Naturpanoramabildern einen überwältigenden Charakter zu verleihen. Und in den Trailern wurde explizit damit geworben, wie 1946 in "Duel in the Sun" von King Vidor.
"'Duel in the Sun', the unparallel real spectacle that was two years in the making. Photographed in magnificient Technicolor. 'Duel in the Sun'!"
Lodernder Abendhimmel, natürliche Hautfarbe
Mit Technicolor wurde plötzlich alles lebendiger: Ob der Wüstensand in der Abenteuer-Liebesgeschichte "Duel in the Sun", der lodernd rote Abendhimmel über den Schlachtfeldern von "Gone with the Wind" oder Lana Tuners Gesicht in "The Three Muskateers", eingetaucht in Low-key-Aufnahmen, das heißt in Bilder, in denen dunkle Farbtöne vorherrschen. Dass die Bilder so lebendig wirken, mag auch daran liegen, dass keine andere Aufnahmetechnik der natürlichen Hautfarbe näher kam und Technicolor den Gesichtern auch in Nahaufnahmen eine ungewöhnliche Tiefe gab. Aber ebenso waren Szenen möglich, die stark an Ölbilder erinnern. So in dem Melodram "The Garden of Allah" von Richard Boleslawskis, wenn in einem Trappistenkloster die Mönche bei Tisch sitzen und das Licht ins Refektorium strahlt, wie in einem Gemälde von Johan Vermeer.
Besonders bei den englischen Technicolor-Filmen von Michael Powell und Emeric Pressburger sind Bilder, die an die Ölfarben der Malerei erinnern, immer wieder zu sehen: ob in "The Red Shoes", "Black Narcissus" oder "The Life and Death of Colonel Blimp". Obgleich Technicolor nicht auf einen Stil festgelegt war, fällt doch auf, dass es hauptsächlich Abenteuerfilme, Melodramen und Musicals sind, die gedreht wurden. Ihre überhöhten Farbspiele wirkten damals sensationell, und sie begeistern noch immer. Denn ihre gesättigten Farben beindrucken noch heute durch ihre Anmut und Intensität. Diese Bilder auf den riesigen Leinwänden – denn viele Technicolor-Filme wurden als Breitleinwandformate gedreht – das war eine geniale Verbindung. Eine Synthese, die noch erhöht wird, wenn, wie in dem Musical "Yolanda and the Thief", minutenlange Ballettszenen grandios choreografiert werden.
Service: Das Filmprogramm der Retrospektive wird ergänzt durch Veranstaltungen in der Deutschen Kinemathek. Außerdem erscheint im Bertz + Fischer Verlag das Buch "Glorious Technicolor" mit Essays von renommierten Autoren – darunter Scott Higgins, Barbara Flückiger und Susanne Marschall.