Lernen, dem Film zuzuhören
Nachwuchskomponisten können beim Berlinale Talents-Workshop "SoundStudio" von den ganz Großen lernen. In diesem Jahr war der mehrfache Oscar-Preisträger und "Herr der Ringe"-Komponist Howard Shore eingeladen - und hielt einige Tipps parat.
Olivier/Victoria: "I’m Olivier Militon, I’m a French composer and sound designer." "My name is Victoria Wijeratne, I’m based in London in England. I’m a filmmusic composer."
Aus aller Welt, aus Frankreich und England, aber auch aus Südafrika, Indonesien und Neuseeland sind sie gekommen: junge Filmkomponisten und Sounddesigner, die sich diese Woche auf Einladung der Initiative Berlinale Talents zum "SoundStudio" versammelt haben. Auf dem Programm stehen Workshops zu neuen Technologien und Produktionsabläufen. Der Fokus liegt allerdings auf der nicht immer ganz einfachen Zusammenarbeit mit anderen Filmschaffenden, wie Regisseuren und Produzenten – ein Problem, das auch Oscar-Preisträger Howard Shore zu Genüge kennt. Er war in diesem Jahr als Experte zu Gast beim "SoundStudio".
"The Dub can be a stressful place – people with a lot of different aspects, ideas about the sound."
Jeder habe am Ende im Studio eine ganz eigene Meinung zu Musik und Sound, so Shore, da könne es sogar schon mal zu Handgreiflichkeiten kommen. Allerdings hatte der Kanadier, der in den 80er-Jahren insbesondere durch seine Kooperationen mit Regisseur David Cronenberg bekannt wurde, auch gleich den passenden Tipp parat:
"Ich finde es wichtig, schon Musik zu schreiben, bevor der Film gemacht wird – nur zur Geschichte oder dem Drehbuch. Dann kann man im Verlauf der Dreharbeiten immer wieder Ideen einbringen."
Vier Jahre Arbeit für "Herr der Ringe"
Hauruck-Arbeiten unter Zeitdruck sind Howard Shore zuwider, und so etwas würde er auch keinem der jungen Filmkomponisten empfehlen – immerhin saß er allein an der Musik für die drei "Herr der Ringe"-Filme rund vier Jahre, immer im engen Austausch mit Regisseur Peter Jackson.
"Die enge Zusammenarbeit mit einem Regisseur bringt einen immer voran. Man blickt nach vorne, probiert neue Dinge aus, die man sonst vielleicht nicht gemacht hätte. Und es entwickelt sich eine gute Vertrauensbasis."
Wie kaum ein anderer hat Howard Shore die Filmmusik in den letzten Jahrzehnten auch über die Kinosäle hinaus populär gemacht: Seine "Herr der Ringe"-Sinfonie feiert inzwischen weltweit Erfolge. Auch ältere Soundtracks wie "Naked Lunch" wurden beispielsweise mit dem Ornette Coleman-Trio auf die Bühne gebracht und zeigen deutlich, dass Filmmusik – unter bestimmten Voraussetzungen – auch ohne die Bilder funktionieren kann. Und im Rahmen der Berlinale-Masterclass präsentierte sich Howard Shore im vollbesetzen Theater Hebbel am Ufer außerdem als eloquenter und humorvoller Repräsentant seiner oft unterschätzten Berufsgruppe:
Ausschnitt "Masterclass": "Mein musikalisches Leben ist in Sessions gegliedert: eine pro Tag – kein Problem! Zwei – ziemlich voll! Drei Sessions am Tag … dann muss ich wohl nächste Woche fertig sein!"
Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg – in dieser Hinsicht konnte Howard Shore den Jungkomponisten nur begrenzt Mut machen; immerhin hat er selbst lange Zeit gebraucht, um von der Filmmusik leben zu können – der echte Durchbruch kam erst nach mehr einem Jahrzehnt im Jahr 1991 mit dem Film "Das Schweigen der Lämmer".
Überraschende und Idealistische Karriere-Tipps
Karriere-Tipps des inzwischen 68-Jährigen fallen trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – überraschend einfach und leicht idealistisch aus:
Victoria: "Ich habe Howard gefragt, wie ich am besten vorgehen soll, und er sagte mir, ich solle in eine Musik-Bibliothek gehen und die Partituren mitlesen, während ich etwas höre, damit ich die Musik visualisieren kann. Ich glaube, das ist ein großartiger Tipp – das werde ich auf jeden Fall machen!"
So wie die Engländerin Victoria Wijeratne haben sich auch andere Teilnehmer des "SoundStudios" die Worte des mehrfachen Oscar-Preisträgers zu Herzen genommen; gerade dessen stilistische Vielfalt, von der großen Sinfonik bis zu minimalistischen Elektrosounds, dient jungen Talenten wie Olivier Militon als Vorbild – immer auf der Suche nach einer neuen Herausforderung.
Shore: "Du musst auf den Film höre, er sagt die Wahrheit. Er sagt Dir – wenn Du ihm zuhörst – was Du brauchst, um diese Geschichte zu erzählen."
Letztendlich – und darauf kam Howard Shore in der Gesprächsrunde mit den Talenten immer wieder zurück – geht es aber in erster Linie darum, mit den richtigen Leuten zusammenzuarbeiten; eine Tatsache, der sich heute wie früher kein Filmkomponist entziehen kann. Bernard Hermann hatte Hitchcock, John Williams seinen Spielberg, und auch Howard Shore hat inzwischen bereits zu 15 Filmen von David Cronenberg den Soundtrack beigesteuert.
Shore: "Es ist einfach wichtig, einen Filmemacher zu finden, der ähnlich denkt wie man selbst, mit dem man alt werden und sich weiterentwickeln kann. Ich hatte das Glück, schon ganz früh in meiner Heimatstadt David Cronenberg kennenzulernen. Eigentlich muss man als junger Komponist nur einen jungen Regisseur treffen, mit dem man arbeiten kann."
Das allerdings wird nicht allen hoffnungsvollen Nachwuchskomponisten eine große Hilfe sein – schließlich wächst nicht jeder Tür an Tür mit einem David Cronenberg auf. Und doch kommt auf jeden von ihnen auch ein junger Regisseur, der nach einem Komponisten sucht.