Wie funktioniert Sinnlichkeit auf der Leinwand?
Mit "Touch me not" und "Casanovagen" sind zwei Filme auf der Berlinale zu sehen, die sich dieser Frage nähern. Ersteren hat die junge Berliner Regisseurin Luise Donschen für uns gesehen, letzteren selbst gemacht. Inspiriert wurde sie dazu von einer ornithologischen Forschungsreihe.
Der Film "Touch me not", der auf der Berlinale im Wettbewerb läuft, ist ein persönliches Forschungsprojekt der rumänischen Filmemacherin Adina Pintilie zum Thema Intimität: Wie können wir lieben, ohne uns selbst zu verlieren? In einer Mischung aus Fiktion und Dokumentation erhält der Zuschauer Einblick in das Leben der Protagonisten Laura, Tómas und Christian. Luise Donschen, selbst Filmemacherin und mit "Casanovagen" ebenfalls auf der Berlinale vertreten, hat sich "Touch me not" für uns angesehen.
Körperkino im wahrsten Sinne des Wortes
"Touch me not" ist Körperkino im wahrsten Sinne des Wortes. Darin zeigt Pintilie nackte Körper, alte Körper, behinderte Körper. Ob damit die Grenzen des Zeigbaren erreicht sind? "Das finde ich, ist nicht so sehr die Frage", sagt Luise Donschen, "sondern vielmehr: Was will sie damit bezwecken? Für mich, für meinen Film 'Casanovagen', war wichtig, eine Form von Sinnlichkeit zu kreieren, die sich auf den Zuschauer überträgt. Und das hat für mich in dem Film hier nicht funktioniert."
Für sie sei bei all der Nackheit des Films ein einfacher Hinterkopf das erste wirklich sinnliche Bild in "Touch me not" gewesen. "Der hat mich berührt in seiner Fragilität und alles was ich vorher an Geschlechtsteilen und sehr nahen Hautbildern gesehen habe – das macht mit mir einfach nichts."
Das Spiel mit der Form sei für sie gut aufgegangen, sagt Luise Donschen. Vielmehr habe sie Probleme mit dem grundsätzlichen, dem psychologischen Erzählen des Films gehabt sowie dem offensiven Umgang mit dem Körperlichen. "Das hat für mich nicht gut funktioniert."
Warum gehen Finken-Weibchen fremd?
Ausgangspunkt für Luise Donschens eigenen Film "Casanovagen", der im Berlinale Forum läuft und bei dem John Malkovich mitspielt, sei eine Forschungsreihe am Max-Planck-Institut für Ornithologie gewesen. Darin sei untersucht worden, inwiefern das Fremdgehverhalten von Finken-Weibchen genetisch bedingt sei. "Evolutionär gesehen macht das keinen Sinn. Unter der Perspektive des Survival of the fittest haben die Weibchen keinen Vorteil. Insofern muss es einen anderen Grund geben und dort vermutet man ihn genetisch."
Bei ihrer Arbeit sei ihr wichtig gewesen vom Nachdenken über etwas ins Schauen und Hören zu kommen, und das sei auch die Bewegung, die der Film nachzeichnet, , sagt Donschen. "An diesem Casanovagen hat mich im Ersten ein Sprechen über weibliches Begehren interessiert. Aber ich habe dann gemerkt, dass das vielleicht gar nicht so wichtig ist, sondern dass es einen Ort gibt, an dem Sachen passieren, die ich mir gerne anschaue und gerne anhöre. Und von denen ausgehend ich mich anderen Protagonisten nähere."
Befragt hat Luise Donschen unter anderem John Malkovich. "Weil er den Casanova ja schon immer in verschiedenen Rollen gespielt hat. Und für den Film als Ganzes ist es wichtig, dass es changiert zwischen dem Dokumentarischen und dem Fiktiven. Und in der Szene mit John Malkovich ist das sehr schön vereint, weil er als Schauspieler agiert, er agiert aber auch in der Rolle des Casanovas."
Vollbild: Die ganze Sendung vom 22.2.18, live von der Berlinale