Berlinale-Wettbewerb: "Gott existiert" und "Mr. Jones"

Humor aus Mazedonien, Langeweile aus Polen

69. Berlinale: Schauspielerin Zorica Nusheva (l.) und Regisseurin Teona Strugar Mitevska (r.) beim Photocall zum Film "God exists, her name is Petrunya"
69. Berlinale: Schauspielerin Zorica Nusheva (l.) und Regisseurin Teona Strugar Mitevska (r.) beim Photocall zum Film "God exists, her name is Petrunya" © imago/snapshot
Patrick Wellinski im Gespräch mit Eckhard Roelcke |
Gesellschaftskritik trifft Humor: Eine junge Frau löst in "Gott existiert ..." einen Skandal aus, weil sie ein religiöses Ritual stört. Einschläfernd hingegen ist "Mr. Jones" von Agnieszka Holland über die schwere Hungersnot in den 1930-ern in der Ukraine.
"Gott existiert, ihr Name ist Petrunya" von Teona Strugar Mitevska
Gesellschaftskritisches Debüt aus Mazedonien
Erzählt wird die Geschichte einer 32-jährigen Frau in Mazedonien, die Geschichte studiert hat und nun – wie viele Altersgenossen – arbeits- und perspektivlos ist. Nach einem sehr ernüchternden Bewerbungsgespräch gerät sie an einem 6. Januar in ein traditionell nur Männern vorbehaltenes Dreikönigsritual. Der Pope hat ein heiliges Kreuz in den eiskalten Fluss geworfen und junge Männer tauchen danach. Petrunya springt kurzerhand ebenfalls in den Fluss und holt das Kreuz aus dem Wasser. Dies löst einen Skandal aus, und die junge Frau wird von der Polizei festgesetzt.
Dazu unser Kritiker Patrick Wellinski: "Es geht darum, eine Art Röntgenbild dieser Gesellschaft zu schaffen. Das merken wir daran, welche Figuren auftauchen.
Der Polizeinspektor: nicht gläubig, aber er glaubt an den Rechtsstaat. Petrunya hat gegen kein Recht verstoßen, also kann er sie eigentlich auch nicht festhalten.
Der Pope: konservativ, aber dann bewundert er doch diese junge Frau, die sich einfach darein geworfen hat.
Dann sieht man diese wütenden jungen Männer – fast alle mit Glatze und mit Tattoos – da merkt man schon: Nationalisten wahrscheinlich. Junge Männer, die irgendwie vergessen worden sind von der Gesellschaft, die keine anderen Rituale haben."
Gezeichnet werde ein sehr tristes Bild von Mazedonien, so Wellinski. Der Film bleibe bei seiner Gesellschaftskritik etwas oberflächlich, habe aber eine andere Stärke:
"Das ist der erste wirklich humorvolle Film im Wettbewerb dieser Berlinale. Man kann gut lachen, weil man den Mut dieser junge Frau, der Petrunya, so bewundert."
"Mr. Jones" von Agnieszka Holland
Politthriller über den Stalinismus
Titelgebend ist der Waliser Journalist Gareth Jones, der in den 1930er Jahren in der Sowjetunion unterwegs war. Er gilt als der erste, der über den Holodomor berichtet hat – eine schwere Hungersnot in der Sowjetunion auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, bei der viele Millionen Menschen umkamen. Ob diese Hungersnot durch die Politik Stalins vorsätzlich ausgelöst wurde, wird historisch unterschiedlich bewertet.
Die Umsetzung des Themas hat unseren Kritiker Patrick Wellinski nicht überzeugt. Die Hungersnot werde im Film fürchterlich ausgewalzt, sagt er:
"Alle haben es im Kino schon verstanden, dass es schlimm ist. Aber er braucht noch anderthalb Stunden, um selbst zu begreifen: Oh, hier in der Ukraine ist es gerade sehr schlimm. Das war schon recht langweilig und ein kleiner Tiefpunkt im Wettbewerb. Ich sehe schon den Anspruch dieser polnischen Regisseurin, was sie hier erzählen möchte. Nur, sie ist keine Anfängerin, sie hat schon viele Filme gedreht, sie kann das. Sie darf nicht langweilen, nicht in einem dreistündigen Film, wo es letztendlich permanent im Zug durch die Ukraine geht."
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