Schnittchen sind keine Antwort auf die Fragen der Zeit
Die Lyrikerin und Autorin Nora Bossong hat für uns die erste "Berliner Rede zur Poesie" im Roten Rathaus besucht - während draußen offenbar eine Bärgida-Demonstration vorbeizog. Angesichts dessen die Poesie zu feiern, habe etwas Absurdes, meint Nora Bossong.
Heute wird die Literaturwerkstatt Berlin umbenannt: Künftig soll sie "Haus für Poesie" heißen. Zum neuen Konzept gehört auch die "Berliner Rede zur Poesie". Die erste dieser Reden wurde am Montagabend bei einem Festakt im Roten Rathaus gehalten, es sprach der Dichter Oswald Egger.
"Es war eine poetologische Forschung, würde ich sagen, darum, was Poesie kann und soll. Es war auch ein Infragestellen davon, ob Poesie überhaupt politisch sein sollte, ob sie nach einem reinen Zweck suchen sollte oder sich nicht vielmehr in einer Sinnsuche vielleicht eher wiederfindet", sagt die Lyrikerin und Autorin Nora Bossong, die für uns die Veranstaltung besucht hat.
Demonstrieren statt dichten
"Oswald Egger ist ein Lyriker, der unglaublich viel kann, der sprachlich versiert ist wie kaum jemand anderes, der extrem klug ist", würdigt Bossong den ersten Redner der Berliner Rede zur Poesie. "Aber – das war die Frage, die ich mir gestellt habe – was bringt uns diese Klugheit, wenn wir permanent an dem vorbeireden, was da draußen auf der Straße passiert?"
Denn als sie rausgegangen sei, sei sie in eine Bärgida-Demonstration hineingelaufen, bei der skandiert worden sei: 'Heute sind wir tolerant, morgen fremd im eigenen Land'. "Und drinnen wurden Schnittchen gegessen. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob das wirklich die Antwort ist auf die Fragen, die wir derzeit haben", sagt Nora Bossong.
"Ich bin im Moment in dieser Stimmungslage, dass ich irgendwie, ja, eigentlich lieber demonstrieren gehen will, als die Poesie zu feiern."