Große Erwartungen an Neil MacGregor
Die Wahl von Neil MacGregor zum Gründungsintendanten des Berliner Humboldtforums löste in der Presse große Begeisterung aus. Nun stellte sich der britische Museums-Star der Öffentlichkeit vor. Die Erwartungen an ihn sind gewaltig.
Fast wie ein Weltenretter war Neil MacGregor von der Berliner Presse bejubelt worden, als vor knapp drei Wochen bekannt wurde, dass er der Leiter der Gründungsintendanz des Humboldtforums werden solle - dieser Weltmuseums-Vision hinter rekonstruierten Barockfassaden, dessen inhaltliches Konzept bislang eher nebulös geblieben war, trotz zahlreicher Vermittlungsanstrengungen der Beteiligten. MacGregor werde es richten, so die einhellige Überzeugung der Berliner Kulturszene. Der smarte Schotte gab heute die Vorschusslorbeeren an die Berliner zurück. Bevor er den Job angenommen habe, habe er sich bei den britischen Architekten David Chipperfield und Norman Foster erkundigt, wie Berlin denn so sei als Stadt, und beide hätten die Stadt "heftig und herzlich" empfohlen, erzählte er.
"Und gestern Abend schon bekam ich von Simon Rattle folgende SMS: 'It's a truely wonderful city, you will love it.' Soweit die Welt der Architektur und der Musik. Aber für Museumsleute ist es noch simpler. Für uns, für alle Museumsleute ist die Stadt Berlin mit ihren Sammlungen und ihren Universitäten ganz einfach unwiderstehlich."
MacGregor gilt als profiliertester Museumsmann der Welt
In der Tat erscheint kaum jemand geeigneter, dem schweren Tanker Humboldtforum Leben einzuhauchen, als Neil MacGregor. Er ist zurzeit wohl der profilierteste Museumsmann der Welt. Unter seiner Leitung hat sich das British Museum in London zu einem Publikumsmagneten mit jährlich mehr als 6,5 Millionen Besuchern entwickelt. Er steht für die Vorstellung des "Weltmuseums", das das Universalkulturerbe der Menschheitsgeschichte bewahrt und präsentiert. Und er ist ein exzellenter Kulturvermittler. Anhand von Objekten Geschichten erzählen, das hat er mit Bravour vorgemacht mit seiner vielbeachteten Ausstellung und BBC-Serie "Die Geschichte der Welt in 100 Objekten". Ähnliches schwebt ihm jetzt auch mit dem Humboldtforum vor. Berlin sei ein idealer Ort, um Debatten über die großen Fragen der Menschheit zu führen.
"Es gibt ja in der ganzen Welt vielleicht nur fünf Sammlungen, wo man die ganze Geschichte der Menschheit erforschen und erzählen kann: Petersburg, New York, Paris, London und Berlin. Aber nur in Berlin und nur im Schloss im Humboldtforum gibt es jetzt die Gelegenheit, diese Geschichte neu zu erzählen und neu zu erforschen. Hier sollen die Objekte, die aus aller Welt kommen einer Besuchergruppe, die aus aller Welt stamme, ausgestellt werden, und das mit Hilfe internationaler Kollegen."
Zur Seite stehen wird der Intendanz ein internationales Expertenteam von Wissenschaftlern und Museumsleuten – sie sollen an der Präsentation mitwirken und beratend tätig werden – darunter Archäologen und Kulturwissenschaftler aus Kenia, Mexiko, Ney York, Lima und Shanghai. Und eine operative Stabsstelle unter der Leitung von Andreas Scholl, dem Leiter der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, der die Verbindung zu den Berliner Sammlungen herstellen soll.
Grütters: "Intellektuelles Richtfest" des Humboldtforums
Es war MacGregors erster öffentlicher Auftritt in Berlin, und mit ihm saßen die beiden Mit-Intendanten, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, und der Kunsthistoriker Horst Bredekamp auf dem Podium. Eine sichtlich zufriedene Kulturstaatsministerin sprach von einem "intellektuellen Richtfest" des Humboldtforums.
"Wir haben uns zu dritt zusammengefunden als Einzelpersönlichkeiten. Es soll weniger um die Repräsentanz der Einrichtungen gehen, denn dann hätten wir eine ganz andere Konstellation auch mit Berlin gesucht. Hier ging es uns um den Erfahrungsschatz des Kunsthistorikers, des Archäologen, mit ihren Blickwinkeln auf die Welt und auch um die ergänzende Perspektive dreier Freunde und weltläufiger Wissenschaftler."
Am 12. Juni ist dann wirklich Richtfest auf der Schlossbaustelle, ab Oktober dieses Jahres soll das Intendantentrio seine Arbeit aufnehmen – für zunächst zwei Jahre. Die Aufgaben sind vielfältig: Es müssen belastbare Strukturen für das Humboldtforum entwickelt werden: Denn wer das Haus künftig leiten soll, ist ebenso offen wie die Frage des Jahresbudgets und der Betriebskosten. Doch vor allem soll es darum gehen, kündigte Grütters an, dieses "ambitionierteste Kulturvorhaben unseres Landes" zu einem Großen und Ganzen zu formen, ein Humboldtforum aus einem Guss zu schaffen – eine große Herausforderung, angesichts der vielen beteiligten Akteure und Ideen.
Exponate der Weltkulturen, aber befreit vom Eurozentrismus, dazu die wissenschaftshistorischen Sammlungen der Humboldtuniversität und seit neuestem ein wenig Berliner Stadtgeschichte – nicht umsonst bezeichnete es die FAZ einmal als die "größte Mehrzweckhalle der Republik". Und der Erfolgsdruck ist groß: nicht nur wegen der 600 Millionen Euro, die das Humboldtforum kostet. Good luck, Mister MacGregor.