Ableger aus der Heiligen Stadt
Vor siebzehn Jahren hätte niemand geglaubt, dass das möglich ist: In der Stadt Jerusalem, die von religiösen Eiferern und politischem Starrsinn geprägt wird, ein Festival zu gründen, das allein der Kammermusik gewidmet ist und nur die Klänge, nicht irgendeinen Kontext zum Gegenstand eines rauschenden, und zugleich anspruchsvollen Festes macht. Und vor vier Jahren hätte niemand erwartet, dass ein Sprössling dieses Festivals im karg-rauhen Sandboden der deutschen Bundeshauptstadt Wurzeln Schlagen könnte. Nun ist es gelungen – schon zum vierten Mal finden die "Intonations", wie der Ableger des Jerusalemer Kammermusikfestivals heißt, im Innenhof des Jüdischen Museums Berlin statt.
Eine Person steht als "Alma Mater" hinter dem Jerusalem International Chamber Music Festival und hinter "Intonations": Die in Berlin lebende Pianistin Elena Bashkirova. Sie nennt das Festival stolz ihr drittes Kind, zwei erwachsene echte Söhne hat sie ja schon. Auch dieses Jahr versammeln sich wieder international renommierte Vokalisten und Musiker - auf Einladung der Pianistin und eines kleinen, aber sehr aktiven Freundeskreises. Sie proben und spielen ein umfangreiches und vielfältiges Konzertprogramm.
Alle Mitwirkenden treten ohne nennenswerte Gage auf und nehmen die Anstrengungen des dichten Proben- und Konzertmarathons aus Zuneigung zu Elena Bashkirova und den anderen Musikern auf sich. Beste Voraussetzungen also für die Königsdisziplin der klassischen Musik, das intime Zusammenspiel einiger weniger Musikerinnen und Musiker.An sechs Festivaltagen werden renommierte Solisten, Mitglieder internationaler Spitzenorchester und junge vielversprechende Talente in wechselnder Besetzung 31 Werke aufführen. Zu den prominenten Gästen Stars zählen dieses Jahr der Pianist Radu Lupo, die Geigerin Isabelle Faust, der französische Oboist François Leleux sowie der langjährige Solobratschist der Berliner Philharmoniker Wolfram Christ. Die Besonderheit des Jerusalemer Festivals wie seines Ablegers in Berlin ist die unmittelbare Nähe zwischen Publikum und Künstlern und die familiäre Atmosphäre im Glashof des Museums, dem Spielort. "Mittlerweile haben wir mit dem Festival in Berlin und seinem großartigen Publikum eine zweite Heimat gefunden" - das sagt Elena Bashkirova. "Spätwerke" ist das Thema des diesjährige Festivals. Davon sind gleich mehrere im Programm des Eröffnungskonzert vertreten. Johann Sebastian Bach mit seiner "Kunst der Fuge" und der US-Amerikaner, der das biblische Alter von 104 Jahren erreicht und bis zum Schluss komponiert hat. Der Oboist François Leleux wird sein Solowerk "Inner Songs" spielen. Außerdem erinnert Peter Tschaikowsky mit seinem Streichsextett an sehr angenehme Tage in der Toskana. Robert Schumann und Dmitrij Schostakowitsch sind mit der Gattung "Romanzen" vertreten.Zum Festival erscheint in Koproduktion von Deutschlandradio Kultur mit dem Label Gideon-Boss-Musikproduktion die Doppel-CD »Intonations – das Jerusalem International Chamber Music Festival im Jüdischen Museum Berlin« mit Livemitschnitten aus dem letzten Jahr. Schwerpunkte damals waren der Beginn des Ersten Weltkrieges und seine Auswirkungen auf musikalische Kompositionen sowie der 150. Geburtstag von Richard Strauss.
"Intonations" im Jüdisches Museum BerlinAufzeichnung vom 18. April 2015 Johann Sebastian BachKanon I und III aus der Kunst der Fuge BWV 1080 Kathrin Rabus, Petra Schwieger, ViolineHartmut Rohde, ViolaTimothy Park, Violoncello Robert SchumannSechs Stücke in kanonischer Form op. 56 François Leleux, OboeKlaus Thunemann, FagottElena Bashkirova, Klavier Dmitrij SchostakowitschSieben Romanzen nach Gedichten von Alexander Blok op. 127 Anna Samuil, SopranSergej Krylov, ViolineAlexander Knyazev, VioloncelloElena Bashkirova, Klavier Robert SchumannDrei Romanzen op. 94 François Leleux, OboeElena Bashkirova, Klavier Elliot CarterInner Song François Leleux, Oboe Peter TschaikowskyStreichsextett d-Moll op. 70 "Souvenir de Florence" Mihaela Martin, Kathrin Rabus, ViolineHartmut Rohde, Madeleine Caruzzo, ViolaAlexander Knyazev, Timothy Park, Violoncello