Berliner Kulturstiftungen

Mosaik verschiedenster Nischenprodukte

Die Installation "Circuit02" von Jeroen Vandesande.
Kunstförderung: Die Schering Stiftung Berlin zeigt in ihren Galerieräumen Unter den Linden eine Ausstellung mit Werken von Jeroen Vandesande. © © Jeroen Vandesande / Schering Stiftung
Von Verena Kemna |
Berlin liegt im Ranking der Großstädte mit den meisten Stiftungen weit hinten. Zwar stärken in der Hauptstadt bereits 220 Stiftungen die Kulturlandschaft, dennoch gibt es großen Nachholbedarf, berichtet Verena Kemna.
Gemessen an der bundesweiten Zahl der Stiftungen, liegt Berlin knapp unter dem bundesweiten Durchschnitt. Die Hauptstadt hat aufgeholt, liegt aber auch 25 Jahre nach der Wende weit abgeschlagen hinter Großstädten wie Würzburg, Frankfurt am Main, Hamburg oder München, erklärt Heike Catherina Mertens. Sie ist im Vorstand der Schering Stiftung für Kultur zuständig.
"Das ist natürlich historisch bedingt. Zu DDR-Zeiten lag ja das Stiftungswesen brach. Da es kein Privateigentum gab, gab es dementsprechend auch keine privaten Stiftungen und das gilt für alle sogenannten neuen Bundesländer, die ja so neu nicht mehr sind, aber die eben dieses Defizit haben, dass gerade im Kunst- und Kulturbereich aufgeholt werden muss, um die Kulturlandschaft zu stärken."
Das tun Kulturstiftungen in Berlin auf sehr unterschiedliche Weise. Einige fördern ausschließlich Theaterprojekte, andere etwa vergeben Stipendien, Preise oder wollen einfach Denkanstöße geben. Die Berliner Landschaft der Kulturstiftungen gleicht einem Mosaik aus verschiedensten Nischenprodukten, die die öffentliche Förderung ergänzen. Man kennt sich, erzählt die studierte Kunsthistorikerin Heike Catherina Mertens.
"Wir vernetzen uns untereinander und machen auch gemeinsame Projekte. Wir haben zum Beispiel gerade mit der Stiftung Brandenburger Tor, die ja auch eine Kunst- und Kulturstiftung ist, und der Kinder- und Jugendstiftung gemeinsam eine Tagung gemacht 'Lernen durch digitale Medien'. Also hier gibt es immer wieder Kooperationen und das wird sicherlich auch in den nächsten Jahren zunehmen."
Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst
Bei der Schering Stiftung liegt der Fokus auf der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst. Ein eigener 80 Quadratmeter großer Projektraum an prominenter Adresse "Unter den Linden" bietet Platz für Ausstellungen. In dem Raum mit den meterhohen Wänden arbeitet gerade der belgische Klangkünstler Jeroen Vandesande an einer aufwendigen Klanginstallation. Die Schering Stiftung fördert das Projekt und gibt dem Künstler zwei Monate Zeit.
Noch ist außer Computern auf dem Boden und einem schwarz glänzenden Klangobjekt, das von der Decke baumelt, nichts zu sehen. Ohne die Förderung durch die Stiftung könnte Jeroen Vandesande eine solche Ausstellung niemals auf die Beine stellen.
"Ich arbeite viel mit Echoeffekten. Man nimmt einen Lautsprecher und ein Mikrofon und hält das gegeneinander, dann kriegt man kreischende hohe Töne, aber man kann viel damit machen. Es ist ein interessantes Phänomen, das man in der Natur findet und anderswo. Man sendet ein Signal und bekommt ein manipuliertes Feedback, sei es durch den Raum selbst, eine einzelne Person oder die Besucher."
Dass so ein Experiment auch mal schief gehen kann, gehört für Heike Catherina Mertens zum Wesen der Stiftungsarbeit. Ihr Büro liegt direkt hinter dem Ausstellungsraum. Wenn sie nach einer Ausstellung Bilanz zieht, dann interessiert sie vor allem die Zahl der Kritiken und Berichte. Ein Luxus, den öffentliche Museen sich nicht leisten können.
"Es ist nicht das Ziel unserer Ausstellung, eine Schlange Unter den Linden zu erzeugen."
Gesprächskreise zu Stadtentwicklung
Nicht um Projekte, sondern ausschließlich um Inhalte geht es auch bei der Stiftung Zukunft Berlin. Die Stiftung, mitgegründet vom ehemaligen Berliner Kultursenator Volker Hassemer, versteht sich als unabhängiges Forum für bürgerschaftliches Engagement. Etwa 400 ehrenamtliche Mitglieder organisieren regelmäßig Gesprächskreise zu Themen wie Stadtentwicklung, Europa und Kunst und Kultur in der Hauptstadt.
Andreas Richter ist seit Jahren bestens vernetzt in der Berliner Kulturszene. Er leitet bei der Stiftung das Gesprächsforum Kunst und Kultur. "Zukunft Berlin" formuliert Fragen wie die nach gesicherten Räumen für die Kulturszene, nach der Zusammenarbeit von Bund und Land, nach Fördermöglichkeiten für die freie Szene. Wir wollen neue Impulse setzen, meint Andreas Richter.
"Ich kann sagen, dass Gespräche die wir führen mit den Fraktionen im Abgeordnetenhaus, mit der Senatsverwaltung, aber auch mit den Kulturverbänden, mit der Kreativwirtschaft, mit Wirtschaftsverbänden, dass wir offene Türen einrennen mit unseren Fragen und dass die Sensibilität für unsere Fragen sich sichtbar steigert."
Gerade die Unabhängigkeit sei das Besondere, so der Musikmanager. Auch Heike Catherina Mertens von der Schering Stiftung betont die Unabhängigkeit, die das Stiftungswesen auszeichnet. Und sie meint, dass es in Berlin gar nicht genug Stiftungen geben könne.
"Diese Form des Experimentierens, ich glaube, die würde verloren gehen, wenn die privaten Stiftungen hier nicht immer wieder auch Modellprojekte fördern würden."
Berlin liegt im Ranking der Großstädte mit den meisten Stiftungen weit hinten, kurz vor Heilbronn, Dresden und Bremerhaven.

Mehr Informationen zum Stiftungswesen
finden Sie auf der Website des Bundesverbandes Stiftungen

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