Ein Rücktritt, der keinem hilft
Rücktritte eröffnen oft Chancen für einen Neustart. Der Rücktritt des Berliner Lageso-Chefs, Franz Allert, allerdings sorgt erstmal für neue Konfusion, meint Daniela Siebert. Der Flüchtlingsverwaltung der Hauptstadt hilft dieser Schritt wenig.
Die Berliner Abkürzung LaGeSo hat es zu bundesweiter Berühmtheit gebracht. "Leider außerhalb der Grenzen einer staatlichen Ordnung" könnte man sie übersetzen. Denn wer in den letzten Monaten das Treiben in und vor allem vor dem Gebäudekomplex in Berlin-Moabit ansah, war fassungslos wie sehr dort Politiker und Behörden offenkundig versagten - auf Kosten von hilfebedürftigen Menschen, von Traumatisierten, Schwachen, Kranken, Schwangeren und Kindern.
Nun hat der Chef des LaGeSo seinen Rücktritt erklärt. Franz Allert war zwölf Jahre lang Chef des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, wofür "LaGeSo" eigentlich steht. Dass der 60-Jährige ausgerechnet jetzt geht, ist absurd, denn Rücktritts- oder zumindest Beurlaubungsgründe hätte es vor Monaten schon viel triftigere gegeben.
Im Urlaub die Krise verschlafen
Zum einen gab es die Korruptionsverdächtigungen, weil einige LaGeso-Aufträge zur Unterbringungen von Flüchtlingen ausgerechnet an die Firma von Allerts Patensohn gegangen waren. Zum andern, weil schon im Hochsommer hunderte Schutzsuchende in der Umgebung des LaGeSo campierten und keine adäquate Betreuung und Hilfe durch unser Registrierungssystem bekamen. Die sich ständig ändernden Regeln waren ja sogar für die einheimischen deutschsprachigen Mitarbeiter der Behörde kaum noch nachzuvollziehen. Allein die ehrenamtlichen Helfer aus der Moabiter Nachbarschaft bewahrten die Stadt vor dem ganz großen Drama.
Wie sehr am wachsenden Chaos rund ums LaGeSo die Urlaubszeit der städtischen Entscheidungsträger Schuld trug und nicht allein Franz Allert ist offiziell nicht bekannt. Eindeutig nahm die Befassung mit dem Flüchtlingsthema bei allen Verantwortlichen in Berlin erst nach Ende der Sommerschulferien Fahrt auf. Das war zu spät. Der Antragsberg und der Menschenandrang, der sich in diesen Sommerwochen angesammelt hat, ist bis heute nicht abgearbeitet.
Die Demission dürfte das Chaos wieder verschärfen
Franz Allerts Integrität und Autorität ist also schon seit Monaten schwerst lädiert. Doch das Ende seiner Zuständigkeit zumindest in der Flüchtlingsfrage war ohnehin in Sicht, denn Berlin beschloss die Einrichtung eines 2016 neu zu schaffenden Landesamtes für Flüchtlinge. Dafür hätte man einen neuen Chef finden können und Franz Allert den Teil seiner Arbeit weitermachen können, für den er bislang nicht öffentlich kritisiert wurde: sich um gesundheitliche und andere soziale Fragen in der Stadt kümmern, für die das Landesamt ja eben auch zuständig ist. Diese Aufgaben reichen von Badegewässerüberwachung bis zum Ausstellen von Schwerbehindertenausweisen.
DasFlüchtlings-Chaos am LaGeSo dürfte ohne amtierenden Chef sogar erstmal wieder größer werden. Bürgermeister Müller hat der Stadt damit einen Bärendienst erwiesen, dass er Allert zu diesem Schritt drängte. Und auch für die große Koalition aus SPD und CDU im Roten Rathaus ist das Menetekel für ihre Regierungsfähigkeit mitnichten beseitigt.