Berliner Linke-Chef sieht "großes Misstrauen" innerhalb der Partei
Der Berliner Landesvorsitzende der Partei "Die Linke", Klaus Lederer, hat sich vor dem heute beginnenden Bundesparteitag für eine neue Führungsspitze aus Dietmar Bartsch und Dora Heyenn ausgesprochen.
Hanns Ostermann: Neustart oder Anfang vom Ende? Vor dem Parteitag der Linken weiß wohl niemand, wie es weitergeht. Einigkeit herrscht nur in einem Punkt: Die Lage ist dramatisch. Von einer Super-Horror-Show spricht sogar Ex-Parteichef Lothar Bisky. Gesucht wird nicht nur ein gemeinsames Konzept, gebraucht wird vor allem ein Führungspersonal, das sich in der Partei auch durchsetzen kann und nicht eine so glücklose Rolle spielt wie die Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst. Klaus Lederer ist Parteichef der Linken in Berlin und jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Herr Lederer!
Klaus Lederer: Guten Morgen!
Ostermann: Wie groß ist die Gefahr, dass Ihre Partei ganz einfach zerbricht?
Lederer: Also ich glaube, da wird an diesem Wochenende nichts dergleichen passieren. So oder so – wir werden einen Tag danach haben, es wird einen 4. Juni geben, und an diesem 4. Juni werden auch wieder politische Fragen auf der Tagesordnung stehen, und mit welcher Führung auch immer, denen wird sich die Partei erst mal zuwenden.
Die Frage für mich ist ja eher: Kriegen wir es hin, tatsächlich personell wie inhaltlich ein Angebot an die Menschen zu formulieren, mit dem dann tatsächlich im nächsten Jahr auch eine Chance existiert, in der Bundestagswahl erfolgreich zu sein, mit dem eine Chance existiert, in den nächsten Jahren in Landtagswahlen erfolgreich zu sein und eben auch perspektivisch wieder aus dem Tief rauszukommen. Ich glaube, das ist das, wo am Wochenende jetzt hier zumindest ganz wichtige Weichen gestellt werden.
Ostermann: Aber würde sich ein Flügel bei der Wahl der Vorsitzenden durchsetzen, dann wäre doch das Projekt einer gesamtdeutschen Linken gescheitert.
Lederer: Na ja, es gibt ja bei uns tatsächlich eine Doppelspitze, das heißt, wir haben die Kandidatur von mindestens einer Frau, es können auch zwei sein, oder eben einer Frau und einem Mann, und wir haben natürlich auch noch weitere Funktionen zu besetzen, die stellvertretenden Vorsitzenden, Bundesgeschäftsführung, Schatzmeister und immerhin insgesamt dann doch 44 Vorstandsmitglieder. Und am Ende kommt es glaube ich nicht so sehr darauf an, wer sind jetzt die beiden Figuren an der Spitze, wenn das Gesamttableau stimmt.
Aber natürlich hat sich in den letzten Monaten, seit Dietmar Bartsch seine Kandidatur erklärt hat, die Situation insofern zugespitzt, als man nicht mehr das Gefühl hatte: Da treten jetzt Menschen mit einem Programm vor die Leute und sagen, hierfür stehe ich, wählt mich, sondern es hatte immer mehr den Eindruck, dass Kandidaturen in Bezug auf etwas angekündigt wurden. Also wenn du, dann eben ich, oder wenn du, dann ich auf gar keinen Fall – und das ist natürlich ein Spiel, was keinen besonders kooperativen Eindruck gemacht hat und was auch nicht den Eindruck gemacht hat, dass wir es derzeit miteinander können und wollen.
Ostermann: Und da sprechen einige schon von Bartschisten – das heißt, der Ton in Ihrer Partei, der lässt doch vermuten, dass es heute wirklich mit Haken und Ösen zugeht?
Lederer: Also so ein bisschen gehässiger Unterton, den hat es in den letzten Jahren dann immer gegeben. Ich meine, wir haben in Berlin – und das war alles andere als einfach – ja lange Zeit regiert, und in dieser Zeit gab es viel sachliche Kritik, der wir uns auch immer ausgesetzt haben, die braucht man auch, es gab aber immer schon mal wieder, hin und wieder auch den Ton, der in Denunziation umschlug.
Was wir jetzt so nie hatten – und das hat sich in den letzten Jahren tatsächlich noch mal zugespitzt –, ist eine Situation, in der in tiefer Feindschaft mit großem Misstrauen Teile der Partei einander beäugen und zum Teil dann in der Tat auch eine politische Kultur herrscht, die so unterirdisch ist, dass man sich tatsächlich fragen muss: Wie soll es dann gemeinsam gehen?
Aber worauf ich ja setze, ist, dass es auch einen großen, großen anderen Teil der Partei gibt, beispielsweise die vielen, die den Aufruf "Wir sind die Linke" unterschrieben haben, die explizit gesagt haben, wir wollen diese politische Kultur nicht, wir wollen dieses Land verändern, wir wollen auch Streit, aber der muss in einer Art und Weise ausgetragen werden, dass man danach sich weiter in die Augen gucken kann und dass man vor allem weiter danach Politik miteinander machen kann.
Und insofern kann ich immer nur hoffen, dass welche, die diesen Ton anschlagen, auch Menschen, die in ihrer Art und Weise vielleicht Politik als ein "bist du nicht für mich, bist du gegen mich", also sozusagen als fundamentalistische Grabenhaltung betrachten, dass die möglicherweise dann doch deutlich in der Minderheit sind und mittel- und langfristig vielleicht auch überlegen, ob das hier noch ihr Platz ist.
Ostermann: Herr Lederer, wen favorisieren Sie selbst für den Parteivorsitz? Sie haben ja bei den vielen Kandidaten aus Ost und West die Qual der Wahl.
Lederer: Ach, das ist ja eine relativ komplizierte Situation geworden. Also als Dietmar Bartsch seine Kandidatur erklärt hat, habe ich gesagt, erstens, ich traue ihm das zu, zweitens, er hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er politisch und strategisch in der Lage ist, so eine Partei zu führen. Dann gab es ja lange Zeit nichts, und man wurde ja permanent genötigt geradezu, sich zu einer Kandidatur zu bekennen, die noch gar nicht erklärt worden ist. Das war die von Oskar Lafontaine. Ein bisschen ähnlich ist jetzt die Situation mit Sahra Wagenknecht, die ja lange Zeit gesagt hat, ich mache es überhaupt nicht, die dann ausgerechnet von älteren Herren genötigt wurde, sie solle doch jetzt endlich mal sich bewegen.
Wir haben inzwischen Dora Heyenn, wir haben Katharina Schwabedissen und Katja Kipping, die aber erklärtermaßen nur im Team antreten wollen. Also sowohl Dora Heyenn als auch Dietmar Bartsch sind in der Lage, die Partei zu führen, und auch zu Katja Kipping und Katharina Schwabedissen habe ich durchaus ein gutes Verhältnis und kann mit ihnen zusammenarbeiten. Am Ende werden das die Delegierten heute entscheiden. Ich glaube, was wir nicht gebrauchen können, ist den Kampf um Übernahme. Das hatte manchmal so Zwischentöne, dass ein Teil der Partei gesagt hat: Wir müssen hier jetzt eigentlich für jede Funktion eine Kandidatur aufstellen und nach Möglichkeit auch sehen, dass wir uns da durchsetzen. Das wäre sicherlich das Schlechteste.
Ostermann: Jetzt habe ich es richtig verstanden, dass Sie sich durchaus vier Leute an der Parteispitze vorstellen können – Sie wissen aber noch nicht genau, wem Sie Ihre Stimme geben?
Lederer: Na ja, doch, ich habe schon eine relativ klare Vorstellung, wobei ich natürlich jetzt auch nicht weiß, ...
Ostermann: Das ist Dietmar Bartsch?
Lederer: Es gibt ja noch ein Wahlgeheimnis. Nein, ich habe immer gesagt, Dietmar Bartsch und Dora Heyenn ist für mich sozusagen das Team, von dem ich es mir am ehesten vorstellen kann. Und ansonsten wissen wir natürlich heute überhaupt nicht, was passiert. Wir wissen nicht, ob das jetzt endgültig alle Kandidaturen sind, wir wissen auch nicht, ob alle bis zum Schluss aufrecht erhalten werden. Und natürlich wird ganz viel davon abhängen, wie sich im Laufe des Tages dann gegebenenfalls auch die Kandidaturlage entwickelt.
Ostermann: Welche inhaltlichen Schwerpunkte muss eigentlich Ihre Partei setzen? Denn es ist ja schon auffällig: Die Euro-Krise hat Ihnen bei den letzten Landtagswahlen nun wirklich nicht geholfen.
Lederer: Das ist wohl wahr. Man kann in Griechenland sehen, wie es auch anders geht. Alexis Tsipras hat mit seiner Partei Synaspismos und mit dem Parteienbündnis SYRIZA tatsächlich geschafft, sehr, sehr unterschiedliche politische Kräfte auf ein gemeinsames politisches Miteinander zu verpflichten, und das schließt durchaus unterschiedliche politische Ansichten aus, aber es stellt eben das Gemeinsame in den Mittelpunkt. Und da stellt sich dann eben schon die Frage: Haben wir Themen links von der SPD, mit denen wir Menschen motivieren können, mit denen wir auf die SPD auch Druck ausüben können, sich innerhalb des Parteienlagers durchaus auch als linkere Partei gebärden zu müssen?
Ostermann: Welche sind das?
Lederer: Das ist beispielsweise ja tatsächlich dann schon: Wie beherrschen wir das Geldsystem innerhalb von Europa? Wie sorgen wir dafür, dass die Profiteure der ganzen Prozesse dann tatsächlich mittel- und langfristig auch zahlen – und damit meine ich nicht nur Schuldenschnitte, in denen dann möglicherweise auch die Banken sich beteiligen, sondern eine andere Form von Steuergestaltung innerhalb der Europäischen Union?
Wir müssen uns die Frage stellen: Wie kann tatsächlich sozial-ökologisches Wachstum initiiert werden, nicht einfach nur Wachstum zum Selbstzweck? Wie können wir dafür sorgen, dass die prekäre Beschäftigung innerhalb Gesamteuropas nicht weiter ausufert, dass wir die Außenhandelsdefizite innerhalb der Europäischen Union abbauen und vieles andere mehr? Das sind alles existenzielle Fragen, und für eine Linke muss natürlich immer der soziale Aspekt im Mittelpunkt stehen.
Ostermann: Vor dem Parteitag der Linken in Göttingen war das der Berliner Parteichef Klaus Lederer. Herr Lederer, einen spannenden Tag muss ich Ihnen wohl nicht wünschen.
Lederer: Den werden wir haben. Schönen Tag noch!
Ostermann: Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Klaus Lederer: Guten Morgen!
Ostermann: Wie groß ist die Gefahr, dass Ihre Partei ganz einfach zerbricht?
Lederer: Also ich glaube, da wird an diesem Wochenende nichts dergleichen passieren. So oder so – wir werden einen Tag danach haben, es wird einen 4. Juni geben, und an diesem 4. Juni werden auch wieder politische Fragen auf der Tagesordnung stehen, und mit welcher Führung auch immer, denen wird sich die Partei erst mal zuwenden.
Die Frage für mich ist ja eher: Kriegen wir es hin, tatsächlich personell wie inhaltlich ein Angebot an die Menschen zu formulieren, mit dem dann tatsächlich im nächsten Jahr auch eine Chance existiert, in der Bundestagswahl erfolgreich zu sein, mit dem eine Chance existiert, in den nächsten Jahren in Landtagswahlen erfolgreich zu sein und eben auch perspektivisch wieder aus dem Tief rauszukommen. Ich glaube, das ist das, wo am Wochenende jetzt hier zumindest ganz wichtige Weichen gestellt werden.
Ostermann: Aber würde sich ein Flügel bei der Wahl der Vorsitzenden durchsetzen, dann wäre doch das Projekt einer gesamtdeutschen Linken gescheitert.
Lederer: Na ja, es gibt ja bei uns tatsächlich eine Doppelspitze, das heißt, wir haben die Kandidatur von mindestens einer Frau, es können auch zwei sein, oder eben einer Frau und einem Mann, und wir haben natürlich auch noch weitere Funktionen zu besetzen, die stellvertretenden Vorsitzenden, Bundesgeschäftsführung, Schatzmeister und immerhin insgesamt dann doch 44 Vorstandsmitglieder. Und am Ende kommt es glaube ich nicht so sehr darauf an, wer sind jetzt die beiden Figuren an der Spitze, wenn das Gesamttableau stimmt.
Aber natürlich hat sich in den letzten Monaten, seit Dietmar Bartsch seine Kandidatur erklärt hat, die Situation insofern zugespitzt, als man nicht mehr das Gefühl hatte: Da treten jetzt Menschen mit einem Programm vor die Leute und sagen, hierfür stehe ich, wählt mich, sondern es hatte immer mehr den Eindruck, dass Kandidaturen in Bezug auf etwas angekündigt wurden. Also wenn du, dann eben ich, oder wenn du, dann ich auf gar keinen Fall – und das ist natürlich ein Spiel, was keinen besonders kooperativen Eindruck gemacht hat und was auch nicht den Eindruck gemacht hat, dass wir es derzeit miteinander können und wollen.
Ostermann: Und da sprechen einige schon von Bartschisten – das heißt, der Ton in Ihrer Partei, der lässt doch vermuten, dass es heute wirklich mit Haken und Ösen zugeht?
Lederer: Also so ein bisschen gehässiger Unterton, den hat es in den letzten Jahren dann immer gegeben. Ich meine, wir haben in Berlin – und das war alles andere als einfach – ja lange Zeit regiert, und in dieser Zeit gab es viel sachliche Kritik, der wir uns auch immer ausgesetzt haben, die braucht man auch, es gab aber immer schon mal wieder, hin und wieder auch den Ton, der in Denunziation umschlug.
Was wir jetzt so nie hatten – und das hat sich in den letzten Jahren tatsächlich noch mal zugespitzt –, ist eine Situation, in der in tiefer Feindschaft mit großem Misstrauen Teile der Partei einander beäugen und zum Teil dann in der Tat auch eine politische Kultur herrscht, die so unterirdisch ist, dass man sich tatsächlich fragen muss: Wie soll es dann gemeinsam gehen?
Aber worauf ich ja setze, ist, dass es auch einen großen, großen anderen Teil der Partei gibt, beispielsweise die vielen, die den Aufruf "Wir sind die Linke" unterschrieben haben, die explizit gesagt haben, wir wollen diese politische Kultur nicht, wir wollen dieses Land verändern, wir wollen auch Streit, aber der muss in einer Art und Weise ausgetragen werden, dass man danach sich weiter in die Augen gucken kann und dass man vor allem weiter danach Politik miteinander machen kann.
Und insofern kann ich immer nur hoffen, dass welche, die diesen Ton anschlagen, auch Menschen, die in ihrer Art und Weise vielleicht Politik als ein "bist du nicht für mich, bist du gegen mich", also sozusagen als fundamentalistische Grabenhaltung betrachten, dass die möglicherweise dann doch deutlich in der Minderheit sind und mittel- und langfristig vielleicht auch überlegen, ob das hier noch ihr Platz ist.
Ostermann: Herr Lederer, wen favorisieren Sie selbst für den Parteivorsitz? Sie haben ja bei den vielen Kandidaten aus Ost und West die Qual der Wahl.
Lederer: Ach, das ist ja eine relativ komplizierte Situation geworden. Also als Dietmar Bartsch seine Kandidatur erklärt hat, habe ich gesagt, erstens, ich traue ihm das zu, zweitens, er hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er politisch und strategisch in der Lage ist, so eine Partei zu führen. Dann gab es ja lange Zeit nichts, und man wurde ja permanent genötigt geradezu, sich zu einer Kandidatur zu bekennen, die noch gar nicht erklärt worden ist. Das war die von Oskar Lafontaine. Ein bisschen ähnlich ist jetzt die Situation mit Sahra Wagenknecht, die ja lange Zeit gesagt hat, ich mache es überhaupt nicht, die dann ausgerechnet von älteren Herren genötigt wurde, sie solle doch jetzt endlich mal sich bewegen.
Wir haben inzwischen Dora Heyenn, wir haben Katharina Schwabedissen und Katja Kipping, die aber erklärtermaßen nur im Team antreten wollen. Also sowohl Dora Heyenn als auch Dietmar Bartsch sind in der Lage, die Partei zu führen, und auch zu Katja Kipping und Katharina Schwabedissen habe ich durchaus ein gutes Verhältnis und kann mit ihnen zusammenarbeiten. Am Ende werden das die Delegierten heute entscheiden. Ich glaube, was wir nicht gebrauchen können, ist den Kampf um Übernahme. Das hatte manchmal so Zwischentöne, dass ein Teil der Partei gesagt hat: Wir müssen hier jetzt eigentlich für jede Funktion eine Kandidatur aufstellen und nach Möglichkeit auch sehen, dass wir uns da durchsetzen. Das wäre sicherlich das Schlechteste.
Ostermann: Jetzt habe ich es richtig verstanden, dass Sie sich durchaus vier Leute an der Parteispitze vorstellen können – Sie wissen aber noch nicht genau, wem Sie Ihre Stimme geben?
Lederer: Na ja, doch, ich habe schon eine relativ klare Vorstellung, wobei ich natürlich jetzt auch nicht weiß, ...
Ostermann: Das ist Dietmar Bartsch?
Lederer: Es gibt ja noch ein Wahlgeheimnis. Nein, ich habe immer gesagt, Dietmar Bartsch und Dora Heyenn ist für mich sozusagen das Team, von dem ich es mir am ehesten vorstellen kann. Und ansonsten wissen wir natürlich heute überhaupt nicht, was passiert. Wir wissen nicht, ob das jetzt endgültig alle Kandidaturen sind, wir wissen auch nicht, ob alle bis zum Schluss aufrecht erhalten werden. Und natürlich wird ganz viel davon abhängen, wie sich im Laufe des Tages dann gegebenenfalls auch die Kandidaturlage entwickelt.
Ostermann: Welche inhaltlichen Schwerpunkte muss eigentlich Ihre Partei setzen? Denn es ist ja schon auffällig: Die Euro-Krise hat Ihnen bei den letzten Landtagswahlen nun wirklich nicht geholfen.
Lederer: Das ist wohl wahr. Man kann in Griechenland sehen, wie es auch anders geht. Alexis Tsipras hat mit seiner Partei Synaspismos und mit dem Parteienbündnis SYRIZA tatsächlich geschafft, sehr, sehr unterschiedliche politische Kräfte auf ein gemeinsames politisches Miteinander zu verpflichten, und das schließt durchaus unterschiedliche politische Ansichten aus, aber es stellt eben das Gemeinsame in den Mittelpunkt. Und da stellt sich dann eben schon die Frage: Haben wir Themen links von der SPD, mit denen wir Menschen motivieren können, mit denen wir auf die SPD auch Druck ausüben können, sich innerhalb des Parteienlagers durchaus auch als linkere Partei gebärden zu müssen?
Ostermann: Welche sind das?
Lederer: Das ist beispielsweise ja tatsächlich dann schon: Wie beherrschen wir das Geldsystem innerhalb von Europa? Wie sorgen wir dafür, dass die Profiteure der ganzen Prozesse dann tatsächlich mittel- und langfristig auch zahlen – und damit meine ich nicht nur Schuldenschnitte, in denen dann möglicherweise auch die Banken sich beteiligen, sondern eine andere Form von Steuergestaltung innerhalb der Europäischen Union?
Wir müssen uns die Frage stellen: Wie kann tatsächlich sozial-ökologisches Wachstum initiiert werden, nicht einfach nur Wachstum zum Selbstzweck? Wie können wir dafür sorgen, dass die prekäre Beschäftigung innerhalb Gesamteuropas nicht weiter ausufert, dass wir die Außenhandelsdefizite innerhalb der Europäischen Union abbauen und vieles andere mehr? Das sind alles existenzielle Fragen, und für eine Linke muss natürlich immer der soziale Aspekt im Mittelpunkt stehen.
Ostermann: Vor dem Parteitag der Linken in Göttingen war das der Berliner Parteichef Klaus Lederer. Herr Lederer, einen spannenden Tag muss ich Ihnen wohl nicht wünschen.
Lederer: Den werden wir haben. Schönen Tag noch!
Ostermann: Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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