Streit um den Weg aus der Wohnungskrise
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Mieten deckeln, senken oder Spekulanten enteignen? Darüber streitet die rot-rot-grüne Koalition in Berlin derzeit. Vielen Mieterinitiativen geht das alles nicht weit genug: Sie fordern nicht weniger als eine "Vergesellschaftung des Wohnraums".
"Richtig deckeln, dann enteignen – Rote Karte für Spekulation" ist das Motto der Berliner Mieterinitiativen. Ihnen gehen die Pläne des Berliner Senats für einen "Mietendeckel" nicht weit genug. Susanna Raab von der Initiative "Deutsche Wohnen enteignen" sieht im Vorhaben des Senats, einen Mietendeckel einzuführen, immerhin einen Erfolg der "mietenpolitischen Bewegung" in Berlin.
"Wir möchten zeigen, dass es viele Mieterinnen in Berlin gibt, die einen Mietendeckel wollen, der hält, was er verspricht", sagt sie. "Und deswegen gehen wir auf die Straße, um zu sagen: Wir wollen eine richtige Lösung dafür, und zwar einen, der keine Ausnahme bietet und der Mieten wirksam senkt, und zwar für möglichst alle Berlinerinnen und nicht nur für zehn Prozent."
Das Ziel vieler Mieterinitiativen geht noch weit über den zuletzt vorgestellten Senatsentwurf für den Mietendeckel hinaus. Sie wollen eine "Vergesellschaftung des Wohnraums". Nur das bringe eine langfristige Lösung des Wohnungsproblems in Berlin, meint Susanna Raab:
"Dieser Mietendeckel ist zeitlich befristet. Dieser Entwurf ist, so wie er jetzt ist, schon stark verwässert worden. Die Mietobergrenzen, auf die abgesenkt werden kann, sind viel zu hoch. Es werden auch nicht alle Mieterinnen ihre Miete senken können. Momentan geht man davon aus, dass nur noch zehn Prozent ungefähr davon profitieren würden, ihre Miete zu senken. Und Mieterhöhungen sind ja auch weiterhin zulässig in dem momentanen Entwurf."
Der SPD-Bürgermeister ist für einen milden Mietendeckel
Aber was plant der rot-rot-grüne Berliner Senat eigentlich? Einig sind sich die Koalitionsparteien nur darin, dass die Mieten für fünf Jahre eingefroren werden sollen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller, SPD, will in diesem Zeitraum nur Mieterhöhungen als Ausgleich der Inflationsrate zulassen:
"Wir müssen auch eine Konfrontation auflösen, die da im Moment ist zwischen Mietern und Vermietern. Es gibt viele seriöse Vermieter, die auch weiter eine Chance haben müssen, ihre Bestände weiter zu entwickeln. Und deswegen: Der Mietendeckel, ein Mietenstopp plus Inflationsausgleich, ist der richtige Weg."
Müller ist gegen eine Absenkung bestehender Mieten, wie sie die Linke und einige Mieterinitiativen fordern. Er warb im RBB für seine milde Variante des Mietendeckels:
"Ich glaube, das wird viele auch überzeugen, dass wir dann ein Instrument haben, was wirklich in die Zukunft gerichtet den Menschen auch wirklich hilft und womit man nicht sofort vor Gericht entweder Schiffbruch erleidet oder was gar nicht umsetzbar ist. Das muss man sich ja auch mal vorstellen: Welche Verwaltung soll es denn umsetzen, wenn hunderttausende auf einmal sagen, sie wollen eine Absenkung ihrer Miete oder es soll sogar zu Enteignungen kommen. Da hat man Rechtsstreitigkeiten über Jahre oder Jahrzehnte, die zum Schluss niemandem helfen."
Der Zeitplan wackelt
Aber Müllers Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, hält an ihren deutlich radikaleren Vorstellungen fest. Ihr Mietendeckel-Entwurf sieht vor: "Mietabsenkungsanträge auf die Mietobergrenze können Personen stellen, wenn die bisherige Nettokaltmiete 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens übersteigt."
Nach Lompschers Vorstellungen können Mieter auch dann über staatliche Stellen eine Absenkung ihrer Miete erwirken, wenn diese bestimmte Obergrenzen übersteigt. Die Obergrenzen liegen – je nach Baujahr des Hauses – zwischen 5 Euro 95 und 9 Euro 80.
Das Zerwürfnis um den Mietendeckel in der Koalition ist offenbar so groß, dass der Senat den Zeitplan jetzt neu aufstellen musste. Ursprünglich wollte Bürgermeister Müller Mitte Oktober den Gesetzentwurf im Senat beschließen. Jetzt soll der Entwurf erst noch dem "Rat der Bürgermeister" vorgelegt werden. Dadurch gewinnt die rot-rot-grüne Koalition Zeit für ihren Streit um das Konzept des Mietendeckels.
Unterdessen wurde eine Zahl publik, die den Berliner Vermietern ein Ärgernis sein dürfte. Aus einer Vorlage von Stadtentwicklungssenatorin Lompscher geht hervor, dass die Berliner Mieter während der fünfjährigen Laufzeit des Mietendeckels um etwa 2,2 Milliarden Euro entlastet werden – genau diese Summe wird den Vermietern entgehen.