Berliner Puppenstube

Von Michael Laages · 31.08.2011
Am Maxim-Gorki-Theater Berlin läuft Rainald Grebes Wahl-Programm "Völker, schaut auf diese Stadt!” in dem er sich Spitzenkandidaten und Parteien gleichermaßen widmet. Leider ist er dabei nicht wirklich witzig oder einfallsreich.
Er hatte die Kundschaft gewarnt - er sei politisch ein eher indifferenter, unentschiedener Mensch; ein Berliner Wahlkampf-Kommentar wie von - sagen wir mal - Georg Schramm sei bei ihm nicht zu erwarten. Mag sein; und der Untertitel von Rainald Grebes Wahlkampf- (oder Antiwahlkampf-)Show am Berliner Maxim-Gorki-Theater ist vielleicht schon das Beste am ganzen Abend: "Berlin wählt, und Rainald Grebe kann sich nicht entscheiden” - aber wer kann das schon? Georg Schramms Schärfen allerdings wären einem Programm zum hauptstädtischen Kandidatenrummel allemal besser bekommen.

Nun ist Wahlkampf in Berlin nicht prinzipiell schlimmer als in Hamburg oder Hannover; nur dass eben in Berlin immer alles viel größer, viel bedeutender und irgendwie weltbewegend sein muss. Angesichts dessen allerdings ist die Berliner Fallhöhe dann regelmäßig besonders beträchtlich, bei den bekannteren Spitzenkandidaten, etwa Renate Künast und Klaus Wowereit, wie den weniger bekannten, einem gewissen Frank Henkel etwa, der für die CDU antritt. Provinzieller als im Wahlkampf ist Berlin vermutlich nie.

Grebe scheint zu Beginn eine zunächst recht taugliche Idee gehabt zu haben - und die Wahlkampfzentrale der Nichtwähler auf die Theaterbühne bauen lassen. Hier werden all die Fakten zusammen getragen, die allen, wirklich allen Berliner Polit-Richtungen peinlich sein müssten. Als eine Art Günter Wallraff (mit Türke-Ali-Bärtchen) schneit er bald nach Beginn in den ziemlich zugemüllten Kampa-Keller, wo schon drei Kollegen warten; einer als eine Art Hausmeister, einer, der später die Wowereit-Parts übernehmen wird, eine, die sich Künast-Emphasen drauf schaffen muss.

Zusätzlich hat Grebe (weil er eingestandenermaßen von Politik, erst recht von Berliner Politik, eigentlich gar nichts weiß) eine Art investigativen Journalisten mit ins Boot geholt, der in der Folge ziemlich dämliche Interviews führt mit "Leuten von der Straße”. Diese Leute allerdings sind Handpuppen, der Puppenspieler und einstige Ostberliner "Zinnober”-Mitstreiter Hans Krüger hat sie beigesteuert - und erstaunlicherweise gewinnt die Wahlkampf-Abrechnung nur mit diesen schrägen Knautschköpfen ein wenig Profil.

Das liegt an der Abstraktion. Die Nominierungsreden von Künast oder Wowereit nachzuspielen, ist brummend blöd und erzlangweilig; deren Vortrag wird auch nicht ulkiger durch maschinellen Kunst-Beifall oder Jubel-Schildchen. Ein paar Wahlprogramme werden vorgelesen - was soll das denn?

Immerhin ist das von der Pogo-Partei APPD dabei ... Völlig verschnarcht aber ist das Wahlkampf-Video der CDU - triste Wirklichkeit ist auch auf der Bühne halt auch immer nur trist. Recherchen bei PR-Firmen, die die Kampagnen stricken: geschenkt; dass sie Parteien wie Dosenmilch verhökern, war schon bekannt. Ein Besuch bei der Zulassungskommission, wo ein Haufen Idioten zum Glück dann doch nicht zugelassen werden zur Wahl - auch das ist kein Hit. Wenn aber zum Schluss eine monströs-schräge Puppen-Figur den FDP-Wahlkämpfer spielt und ganz vielen anderen ulkigen Puppen immer nur eine blasse Stammtisch-Phrase entgegen zu halten hat unter dem gelben Schirm, dann ist das so quälend armselig, dass es fast schon weh tut.

Grebe singt nicht mal, nur Krüger brummelt Berliner Gassenhauer zum Akkordeon - all das ist nur lau und nicht mal laut. Nur bei einer kleinen Hass-Attacke auf diesen ganzen Sumpf fängt der Abend ein bisschen Feuer. Aber das ist ja auch nur abgenudeltes "Politik ist doof”-Gesülze. Ein bisschen Interesse wird geweckt für konkrete Politik in der Nachbarschaft - aber das ist auch wirklich schon alles.

Ganz im Ernst: Schramm wäre besser gewesen.